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Kein monetäres Problem allein
Klaus Müller bietet eine marxistische Analyse der aktuellen Inflation, eine Geißel der Monopolisierung
Allgemeine Preissteigerungen und deren reziprokes Gegenstück, eine strukturelle Geldentwertung, sind gerade in Deutschland unter dem Begriff Inflation ein spezielles Reiz- und auch Angstthema. Schließlich sind es jetzt exakt 100 Jahre her seit der Hyperinflation von 1923, der größten Geld- und Einkommenskatastrophe der deutschen Geschichte, mit der versucht worden war, der Kriegs- und Kriegsfolgelasten von 1914/18 Herr zu werden. Die sozialen Folgen vor allem für die Bezieher normaler Erwerbseinkommen und die Mittelschichten waren verheerend. Von den damit verbundenen politischen Konsequenzen hat sich die junge Weimarer Republik auch nach der unausweichlichen Währungsreform im Herbst jenes schicksalhaften Jahres nie wieder richtig erholt.
Die Väter der Geld- und Währungsstrukturen der Bundesrepublik wie auch deren Nachfolger haben angesichts dieser historischen Lehre alles darangesetzt, ein solches Szenario des unkontrollierten Geldwertverfalls nach Kräften auszuschließen. Die »harte Deutschmark« wurde zum Statussymbol. Mit ihrem wichtigsten Ziel, der Preis- und Geldwertstabilität, wurde die unabhängige Deutsche Bundesbank zur Blaupause bei der Einführung der europäischen Einheitswährung und der Gründung der EZB.
Dennoch erlebte die europäische Währungsunion im vergangenen Jahr mit zweistelligen Inflationsraten Rekordwerte seit Bestehen der EU. Und trotz der Beendigung der faktischen Nullzinspolitik durch die EZB lag der Verbraucherpreisindex in der Bundesrepublik im April 2023 mit 7,2 Prozent noch deutlich über dem von ihr tolerierten Niveau von zwei Prozent. Anlass genug für den ebenso renommierten wie produktiven marxistischen Geld- und Währungstheoretiker Klaus Müller, jenes strukturelle Problem der aktuellen Preisexplosion auf nahezu allen Gütermärkten ebenso wie auch die offenbaren Grenzen gängiger Inflationserklärungen und geldpolitischer Versuche gegenzusteuern, zu untersuchen. Für ihn ist die Inflation »kein monetäres Problem allein«. Man dürfe neben der geldtechnischen Komponente die sozialökonomischen Ursachen und Folgen für die Umverteilung von Einkommen und Vermögen nicht aus dem Blick verlieren, kritisiert Müller die Mainstreamökonomie. Sie lege den Fokus vordergründig auf die Disharmonie von Angebot und Nachfrage, ohne die Hintergründe und Ursachen jenes Ungleichgewichts gebührend ins Blickfeld zu nehmen.
Müller konstatiert hingegen, die derzeitige Preisdynamik resultiere daraus, »dass Monopole und Oligopole ihre Dominanz in fast allen Branchen gefestigt haben.« Der globale Preisaufstieg sei durch die großen Ölgesellschaften und Gaslieferanten ausgelöst worden, die die mit dem Ukraine-Krieg und dessen Folgen verbundenen Probleme mit Blick auf ihre Profit- und Renditeziele mit ihrer Preissetzungsmacht ausnutzen. Hinzu kamen spekulative Blasen an den wichtigsten Börsen für Energie, Rohstoffe und Lebensmittel. Hier witterte und fand das global vagabundierte Finanzkapital günstige Renditebedingungen. Die auf die Steuerung der umlaufenden Geldmenge zielende Zinspolitik der Zentralbanken war vor diesem Hintergrund zwar nicht gänzlich wirkungslos, musste jedoch an den derzeitigen Inflationsursachen vorbeilaufen, konstatiert Müller zu Recht. Ebenso nachvollziehbar sind seine polemischen Anmerkungen zur sogenannten Lohn-Preis-Spirale oder zur monetären Quantitätstheorie.
Wer nach Orientierungen und Argumenten im aktuellen Inflationsgeschehen sucht, dem sei die verständlich verfasste und überschaubare Publikation empfohlen!
Klaus Müller: Inflation. PapyRossa, 132 S., br., 12 €.
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