Erdinger Chaoten

Bayerische Politiker poltern gegen Heizungsgesetz der Ampel, die verhandelt im Krisenmodus

Rund 13 000 Menschen sollen sich laut Polizei und Veranstaltern in Erding zu einer Kundgebung gegen das von der Bundesregierung geplante Heizungsgesetz versammelt haben. Unter dem Motto »Stoppt die Heizungsideologie« waren auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und sein Vize Hubert Aiwanger (Freie Wähler) als Redner eingeladen. Mit Worthülsen, wie sie sonst die AfD benutzt, wetterten die beiden gegen die Ampel-Koalition.

Lesen Sie auch den Kommentar zum Thema von Christian Klemm: Gefahr aus dem Bierzelt

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter
Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

Die Bundesregierung will noch vor der Sommerpause das Gebäudeenergiegesetz beschließen und damit Öl- und Gasheizungen schrittweise abschaffen. Von 2024 an soll jede neu eingebaute Heizung möglichst zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben und dafür staatlich gefördert werden. Der Entwurf stammt vom Bundeswirtschaftsministerium unter Robert Habeck (Grüne), der auch für den Klimaschutz zuständig ist.

Er sage Ja zum Klimaschutz, »aber Nein zu diesem Heizungsgesetz«, sagte Söder als erster Hauptredner zu den Plänen der Ampel. Den Heizungstausch lehne er nicht grundsätzlich ab, forderte aber deutlich längere Fristen und Ausnahmen für Rentner. Den Grünen warf der Ministerpräsident eine »Brachialkur« vor und nutzte die Kundgebung zu einem Rundumschlag gegen die Partei. Söder behauptete eine »zwanghafte Veganisierung« und »zwanghaftes Gendern«. Man wolle in Bayern nicht, »dass unser Land den ganzen Tag von einigen wenigen grünen Funktionären umerzogen wird«.

Ähnlich äußerte sich Aiwanger, der in Bayern das Wirtschaftsministerium führt. »Ich hab die Nase voll, wenn man in der Früh aufsteht, die Zeitung aufschlägt oder das Radio einschaltet, und es kommt nur links-grüner Gender-Gaga auf uns zu«, so Aiwanger. Die Bundesregierung beschimpfte er als »Berliner Chaoten«, die das Land spalten wollten und deshalb zurücktreten müssten. »Hier steht die Mitte der Gesellschaft«, fand der Minister.

Die Menge jedoch war mit Aiwangers politischem Barometer nicht einverstanden und positionierte sich eher rechts der Mitte. Das wurde auch deutlich an der Rede Söders, der sich darin von der AfD abgrenzen wollte. Dafür wurde er von der anwesenden Szene aus Querdenkern, Impfgegnern und Klimawandelleugnern ausgebuht. Söder warf den Störern daraufhin undemokratisches Verhalten vor, diese antworteten mit »Hau ab!«. »Wer jetzt pfeift, pfeift gegen Bayern«, versuchte Söder den Unmut einzufangen.

Die Kundgebung auf dem Erdinger Volksfestplatz war von dem in der Stadt ansässigen Optiker Franz Widmann und der Kabarettistin Monika Gruber organisiert worden. Zu Wort kam auch der FDP-Landesvorsitzende Martin Hagen, der warnte, dass seine Partei dem Gesetzentwurf nicht zustimmen werde. Wie Söder hatte sich Gruber von der AfD distanziert und der Partei keine Rede auf der Kundgebung ermöglicht. Die meldete daraufhin eine eigene Versammlung neben dem Volksfestplatz an, offenbar um sich dennoch unter die große Kundgebung zu mischen.

Söder und Aiwanger dürften mit ihrem Auftritt die Landtagswahl am 8. Oktober im Blick haben. So vermuteten es auch Bayerns SPD und Grüne: »Keine eigenen Vorschläge, stattdessen Ängste schüren und erneut Stimmen am rechten Rand fischen: Das zahlt am Ende beim Original ein«, so der Grünen-Landeschef Thomas von Sarnowski auf Twitter. Auch der CDU-Politiker Ruprecht Polenz kritisierte den Auftritt und schrieb auf dem Kurznachrichtendienst, Aiwanger rede wie die AfD. »Jeder hat seinen eigenen Politikstil«, ließ Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) das Gepolter aus Bayern in einem Interview mit dem Radiosender Antenne Bayern an sich abprallen. Wichtiger sei, dass alle ihre Arbeit machten.

In der Ampel kriselt es jedoch wegen des Entwurfs für das Gebäudeenergiegesetz. So forderte die Grünen-Politikerin Renate Künast gegenüber »Zeit Online« am Wochenende Kompromissbereitschaft von ihrer Partei und räumte kommunikative Fehler ein. Es sei etwa versäumt worden zu betonen, dass der Sinn des Gesetzes sei, Menschen vor steigenden Energiekosten zu schützen. »Ich glaube, Robert ärgert sich selbst, dass er das nicht andersherum angefangen hat«, sagte Künast mit Blick auf ihren Parteikollegen Robert Habeck. Im Vergleich zur ersten rot-grünen Koalition auf Bundesebene sei das Verhältnis zur SPD in der Ampel-Koalition schwieriger, so Künast. Kanzler Scholz versuche, aus der Dreierkonstellation für sich das Beste herauszuholen.

SPD, Grüne und FDP verhandelten am Wochenende weiter über das geplante Gebäudeenergiegesetz. Ob es wie ursprünglich geplant vor der Sommerpause verabschiedet werden kann, bleibt weiter unklar. Auch der Mieterbund forderte Nachbesserungen. Mieter sollten mitbestimmen können, welche Heizung ihr Vermieter einbaut, sagte Verbandspräsident Lukas Siebenkotten gegenüber Zeitungen. Es sei auch versäumt worden, gleichzeitige Konzepte für die soziale Abfederung zu präsentieren, kritisierte die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -