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  • Buch: »Revolutionärer Syndikalismus in der Praxis«

Weder Sektierer noch unbedeutend

Jule Ehms über revolutionäre Syndikalisten

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.
Kongress der FAUD 1922 im Erfurter Kaisersaal
Kongress der FAUD 1922 im Erfurter Kaisersaal

»Wild, politisch ziellos und gewalttätig« – mit diesen Adjektiven belegte die Historikerin Petra Weber den syndikalistischen Flügel der Arbeiter*innenbewegung in der Weimarer Republik. Sie stand damit nicht allein. Auch viele andere Historiker*innen heften den Syndikalist*innen Etikette an, die jene als unbedeutende linke Splittergruppen abstempeln, die nur Unruhe gestiftet und keine gesellschaftliche Relevanz gehabt hätten. Jule Ehms vermutet hinter dieser Abwertung eine politische Agenda.

»Die Strömungen der Arbeiter*innenbewegung, die den Funktionswandel der Gewerkschaften von einer reinen Interessenvertretung hin zu einer stärker systemstützenden Organisation nicht vollziehen und stattdessen an einem revolutionären Programm festhalten, wurden und werden als politische Akteur*innen auszuschließen versucht«, schreibt die junge promovierte Historikerin, die an der Martin-Luther-Universität Halle, an der Wiener Alma Mater und der University of Notre Dame (USA) Geschichte studiert hat. Sie hat eine beachtenswerte Publikation über die Arbeit der syndikalistischen Freien Arbeiter-Union in Deutschland in Betrieben zur Zeit der Weimarer Republik verfasst, die das immer wieder kolportierte falsche Bild zerfetzt. Vielmehr hatten syndikalistische Gewerkschaften nach der Revolution von 1918 einen sprunghaften Aufschwung erlebt. Bis zu 40 000 Mitglieder zählten sie in ihren Hochzeiten, darunter auch Bergarbeiter*innen aus dem Ruhrgebiet.

Eine Ursache hierfür sieht die Autorin in der wachsenden Zahl der prekären Arbeitsplätze. Die Beschäftigten wurden schnell geheuert und ebenso schnell gefeuert. Diese Gelegenheits-, Saison- und Landarbeiter*innen seien eher von syndikalistischen Gewerkschaften erreicht worden als von etablierten alter Schule.

Sozialdemokratisch geprägte Gewerkschaften wie der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB), Vorläufer des heutigen DGB, litten nach 1918 unter zunehmendem Legitimitätsverlust. Der ADGB stand rückhaltlos hinter den Regierungen der Weimarer Republik und bekämpfte die Rätebewegung, die im Gefolge der Novemberrevolution sprunghaft anwuchs. In den Arbeiter*innenräten sah der ADGB eine Konkurrenz. Er bekämpfte Streiks in der frühen Weimarer Republik und protestierte auch nicht gegen die Massaker, die an verschiedenen Orten in Deutschland zwischen 1918 und 1923 an streikenden Arbeiter*innen durch Freikorps verübt wurden.

Allein im Osten Berlins sind im März 1919 während eines Massenstreiks in der Stadt 1200 Menschen ermordet worden. Das führte zu einer Linkswende bei vielen Arbeiter*innen, die nach Alternativen zum staatstragend gewordenen ADGB suchten. Das wiederum stärkte die FAUD, die ihren Schwerpunkt auf Klassenkampf legte. »In der Weimarer Arbeiter*innenbewegung mit ihrer heterogenen Zusammensetzung suchten unterschiedliche linksrevolutionäre Organisationen, die sich nicht in das korporatistische System zuseiten des Staates und der Unternehmen integrieren lassen wollten, nach einem Weg, ihre transformatorischen Programme in die Praxis umzusetzen«, bemerkt Jule Ehms.      

Doch nicht nur Arbeitskämpfe fochten die Syndikalist*innen aus. Die FAUD wandte sich von Anfang gegen Militarismus und Nationalismus, weshalb sie 1923 massive Probleme erfuhr, als mit der Besetzung des Ruhrgebiets durch französische Truppen eine nationalistische Welle durch Deutschland rollte, von der auch Teile der Arbeiter*innen erfasst wurden. Die FAUD und ihr Umfeld machten keine Konzessionen. Mag sein, dass dies mit zu ihrem alsbaldigen Mitgliederschwund und Bedeutungsverlust beigetragen hat. Zudem war für die Mehrheit der Arbeieter*innen zu dieser Zeit der Traum von einer neuen Revolution in Deutschland ausgeträumt. Viele wandten sich von linken Organisationen ab.

Jule Ehms berichtet, dass die FAUD als kleine Gewerkschaft noch bis in die 30er Jahre existierte und auch handlungsfähig war, trotz massiver staatlicher Repression. Sie verschweigt aber auch nicht Fehlentscheidungen und politische Schwächen der Syndikalist*innen selbst. Es bleibt zu hoffen, dass ihr gut lesbares Buch dazu beiträgt, das Urteil in der Geschichtswissenschaft über diese zu revidieren.

Jule Ehms: Revolutionärer Syndikalismus in der Praxis. Die Betriebsarbeit der Freien Arbeiter-Union Deutschlands von 1918 bis 1933. Westfälisches Dampfboot, 372 S., br., 40 €.

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