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Verbot von Palästina-Demos: Guten Gewissens gegen Grundrechte
Im Vorgehen gegen Palästinenser*innen in Deutschland wird die Meinungs-, Kunst-, Presse- und Versammlungsfreiheit abgebaut
Die Demonstrationsfreiheit von Palästinenser*innen in Deutschland wird – wie jüngst in Berlin anlässlich des Gedenkens an die Nakba genannte palästinensische Vertreibung – massiv eingeschränkt. Als Aufhänger für Repression und Verbote dienen Demo-Parolen, die pauschal in den Bereich der Volksverhetzung gerückt werden. So behauptete etwa die Berliner Polizei, dass die umstrittene Losung »From the river to the sea, Palestine will be free« nach Paragraf 86a StGB strafbar sei, da sie sich gegen Israel in seinen jetzigen Grenzen richte. Gegenüber der israelischen Zeitung »Haaretz« erklärte ein Polizeisprecher sogar, der Ausruf unterstütze »Terrororganisationen«.
Paragraf 86a StGB regelt das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen und kann sich auf Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen beziehen. So verbietet der Paragraf den Hitlergruß, das Hakenkreuz und die SS-Runen. Die inkriminierte Palästina-Parole verweist aber erkennbar nicht auf deutsche Nazi-Organisationen und ihre Erkennungsmerkmale. Der Neuköllner Rechtsanwalt Ahmed Abed, Vorstandsmitglied in der internationalen Liga für Menschenrechte, erklärt dazu gegenüber »nd«: »Die Berliner Polizei versucht mit unprüfbaren Antiterroreinstufungen und wahllosen Terrororganisationsverbindungen, das Grundrecht auf Meinungsfreiheit zu umgehen.« Ähnlich argumentiert Max Steinbeis in seinem renommierten Verfassungsblog.
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Zur vermeintlichen Bekämpfung von Antisemitismus wird auch die Kunstfreiheit eingeschränkt. Das war anlässlich der Kunstausstellung Documenta 15 im vergangenen Jahr in Kassel zu beobachten, wo sich eigentlich Stimmen des Globalen Südens präsentieren sollten. Als das Kurator*innenkollektiv Ruangrupa aber in vielfältiger und verstörender Form »Siedlerkolonialismus« und den Widerstand dagegen thematisierte, forderten Gegner*innen erfolgreich staatliche Eingriffe in die Kunst. Auch die Shows des zwar egomanischen Musikers Roger Waters, der sich aber als Stimme der Unterdrückten und des Kulturboykotts gegenüber dem israelischen Staat positioniert, sollte in Deutschland zum Verstummen gebracht werden. Vor seinen Auftritten in Hamburg, Frankfurt und Berlin hat eine breite Front aus Politik, Medien, Nichtregierungs- und Lobbyorganisationen die Einschränkung von Meinungs- und Kunstfreiheit für den Pink-Floyd-Gründer gefordert – erfolglos.
Dass Linke in Deutschland von Repression betroffen sind, ist in der Geschichte der Bundesrepublik nichts Neues – wobei deutsche Gerichte die Kunstfreiheit bislang weit couragierter verteidigt haben als die Demonstrationsfreiheit. Neu ist allerdings, dass das Vorgehen gegen Palästina-solidarische Aktivist*innen nicht mehr mit dem alten Antibolschewismus und Antikommunismus begründet wird, sondern mit den Attributen »links« und »antifaschistisch«. Diese Diskursanordnung verwirrt nicht zuletzt viele Linke, denn ein möglicher Antisemitismus ist auch aus ihrer Sicht keine bloße Meinung und verlangt Ahndung.
Doch in vielen Fällen handelt es sich um eine schlichte Konstruktion von »Antisemitismus«, die eigentlich rassistisch ist. Das wird deutlich an den Personen, die von entsprechenden Beurteilungen betroffen waren und sind: das Künstler*innenkollektiv Ruangrupa aus dem postdiktatorischen Indonesien, die ehemalige Moderatorin des Wissenschaftsformats »Quarks« im Westdeutschen Rundfunk Nemi El Hassan, der kamerunische Philosoph Achille Mbembe. Auch die überdrehte Kritik der Bühnenshows von Roger Waters blieb nicht beim gern zitierten Schwein mit einem aufgedruckten Davidstern stehen (neben dem übrigens auch ein christliches Kreuz und ein Halbmond, also Symbole monotheistischer Religionen, zu sehen waren), sondern schien in gewollter Verkennung des künstlerischen Rollenspiels mit Nazi-Lodenmantel auf die Gesinnung des Musikers selbst zu schließen.
Selbst wenn bei über 1000 beteiligten Künstler*innen bei einer riesigen Kunstschau wie der Documenta 15 einige wenige eindeutig antisemitische Bildkomponenten auftauchen, rechtfertigt dies keine staatliche Kulturaufsicht. Selbst wenn auf einer Demonstration für die Rechte der Palästinenser*innen eine antisemitische und judenfeindliche Parole gerufen werden sollte, rechtfertigt dies kein präventives Verbot aller auf Israel oder Palästina bezogenen Demonstrationen.
Wenn in Bezug auf die Palästina-Solidarität also Attacken auf die Kunst-, Meinungs- und Demonstrationsfreiheit vorliegen, wie steht es dann um die Pressefreiheit, die ebenfalls ein elementares Grundrecht in Deutschland darstellt?
Die hegemonialen Medien nehmen sich die Freiheit, zuweilen ungeprüft voneinander abzuschreiben, kritische Fragen auszusparen und auf journalistische Ethik zu verzichten. Als eigentlich »vierte Gewalt« im Staat kritisieren sie die politischen Entscheidungen für Einschränkungen und Verbote, die juristisch oft nicht haltbar sind, nur selten. Stattdessen berichten sie in moralisierender Form vor allem über politisch opportun erscheinende Urteile; so zu beobachten bei der Berichterstattung über die – meist pauschal als »antisemitisch« etikettierte – Kampagne »Boycott, Divestment and Sanctions« (BDS) gegen Israel.
Häufig beziehen sich Journalist*innen auf den Anti-BDS-Beschluss des Bundestages. Kaum eine Stimme weist aber darauf hin, dass es sich dabei um einen nicht bindenden, also politischen Beschluss handelt, den selbst die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags als begrifflich untauglich kritisieren. In Gesetzesform wäre dieser sogar verfassungswidrig. So geht die öffentliche Debatte um angeblichen Antisemitismus in der Palästina-Solidarität, wie Rechtsanwalt Ahmed Abed bekräftigt, am Wesentlichen vorbei: nämlich an der Zukunft der Menschen in Israel und jener in Palästina »unter einer unerträglichen Besatzung«.
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