Heizungsgesetz: Nicht mehr im Hauruckverfahren

Karlsruhe hat die Verabschiedung des GEG gestoppt. Wie geht es nun weiter?

Es war ein Paukenschlag, als das Bundesverfassungsgericht am späten Mittwochabend per einstweiliger Anordnung die Verabschiedung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) an diesem Freitag im Bundestag stoppte. Karlsruhe gab damit einem Eilantrag des CDU-Abgeordneten Thomas Heilmann statt. »Unter den besonderen Umständen des Einzelfalls überwiegt das Interesse an der Vermeidung einer irreversiblen Verletzung der Beteiligungsrechte des Antragstellers gegenüber dem Eingriff in die Verfahrensautonomie des Deutschen Bundestages«, schreiben die Richter in ihrer Begründung. Um inhaltliche Fragen zu dem Gesetz geht es in der Entscheidung nicht.

Die Oppositionsfraktionen hatten sich in den vergangenen Tagen lautstark über das Vorgehen der Ampel beklagt. Die Koalition wollte das umstrittene GEG unbedingt vor der Sommerpause durch den Bundestag bringen. Da man sich trotz Zustimmung im Kabinett Mitte Mai intern über wichtige Teile des Gesetzes nicht einig war, kam es zu wochenlangen Verzögerungen. Im Ergebnis wurde das Parlament schlicht überrumpelt. Nachdem Ende vergangener Woche der umfassend überarbeitete, komplexe Gesetzesvorschlag schriftlich vom Wirtschaftsministerium vorlag, mussten gemäß Mehrheitsentscheid innerhalb weniger Tage eine Expertenanhörung und Sitzungen des Ausschusses für Klimaschutz und Energie stattfinden, damit die zweite und dritte Beratung im Parlament noch an diesem Freitag hätten durchgeführt werden können. »Eine Missachtung des Parlaments! Keine ausreichende Vorbereitung möglich«, twitterte der Ausschussvorsitzende Klaus Ernst (Linke). CDU-Mann Heilmann schrieb in seiner Klage, zwei Wochen wären für die Beratung nötig gewesen.

Das Verfassungsgericht bestätigte diesen Zeitraum zumindest in der Eilentscheidung nicht. Diese ist nicht als Vorwegnahme des Urteils zu verstehen. Man halte die Klage aber für »nicht offensichtlich unbegründet«, wie die Richter schreiben. Ihnen ging es offenbar vor allem darum zu vermeiden, dass ein wichtiges Gesetz beschlossen wird, bei dem sich womöglich in einigen Monaten beim Hauptverfahren herausstellt, dass das Verfahren nicht verfassungskonform war.

Der CDU-Abgeordnete Thomas Heilmann sagte am Tag nach seinem juristischen Erfolg, er habe der Ampel »einen Gefallen getan«. Wenn das Gesetzgebungsverfahren nicht ordentlich ablaufe, entstehe die Gefahr, ein formell verfassungswidriges Gesetz zu beschließen. Dann wäre das Gesetz später aufgehoben worden, was für den Klimaschutz »die allerschlechteste Lösung« gewesen wäre.

Was heißt das nun praktisch? Karlsruhe betont, dass sich dadurch »die Umsetzung des Gesetzgebungsverfahrens lediglich verzögert«, und verweist selbst auf die Möglichkeit einer Sondersitzung des Parlaments in der Sommerpause. Laut Artikel 39 Grundgesetz wird eine solche Sitzung einberufen, wenn ein Drittel der Bundestagsabgeordneten, der Bundespräsident oder der Kanzler dies verlangen. Das gab es in der Vergangenheit während der Sommerpausen immer wieder mal.

Die FDP, die ohnehin mit dem Gesetz fremdelt, da es ordnungspolitische Eingriffe zu Klimaschutzzwecken vorsieht, äußerte sich sofort skeptisch dazu: »Der Bundestag sollte das Urteil respektieren und nun nicht hektisch Sondersitzungen einberaumen«, sagte der energiepolitische Sprecher der Fraktion, Michael Kruse. Tatsächlich teilten die Fraktionsvorsitzenden der Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP am Donnerstag nach einer eilends einberufenen Krisensitzung in Berlin mit, man werde »noch heute für die nächste reguläre Sitzungswoche Anfang September beantragen, die zweite/dritte Lesung des Gebäudeenergiegesetzes auf die Tagesordnung des Bundestages setzen«. Dies wäre die Woche ab dem 4. September, in der auch über den Bundeshaushalt 2024 beraten werden soll. Die Schlussberatung im Bundesrat könnte dann am 29. September stattfinden.

Änderungen an dem Gesetzentwurf, bei dem es ursprünglich um den Einbau klimafreundlicher Heizungen gehen sollte, sind indes nicht geplant, wie Rolf Mützenich (SPD), Britta Haßelmann und Katharina Dröge (Grüne) sowie Christian Dürr (FDP) erklärten. Das sieht die Opposition anders: Ähnlich wie AfD-Politiker wetterte der Chef der CSU-Abgeordneten im Bundestag, Alexander Dobrindt: »Die Ampel sollte jetzt in sich gehen und dieses Murks-Gesetz endlich einstampfen.« Unionsfraktionschef Friedrich Merz wertete den Stopp als »schwere Niederlage für die Bundesregierung von Olaf Scholz« und bot gleichzeitig gemeinsame Gespräche an: Es gebe allen Grund, das Gesetz nun »inhaltlich sauber« zu beraten und vielleicht sogar auf das Ziel auszurichten, eine breite parlamentarische Mehrheit für einen »so tiefen Eingriff« in die privaten Haushalte in Deutschland zu bekommen.

Für den Co-Vorsitzenden der Linksfraktion, Dietmar Bartsch, ist der Karlsruher Richterspruch ein »Schuss vor den Bug« der ohnehin krisengeschüttelten Ampel. Er wirft aber auch der Union vor, sich als Robin Hood für die Rechte der Opposition zu gerieren, dabei aber zu vergessen, dass auch die Merkel-Regierung regelmäßig im Hauruckverfahren Gesetze durchs Parlament gedrückt hat. »Der Bundestag darf nicht der Durchlauferhitzer sein, durch den die jeweilige Mehrheitskoalition bei Bedarf ihre Gesetze jagt.« Bartsch hat zudem eine Empfehlung: »jetzt das Heizungsgesetz zügig und sauber beraten!«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -