Vorrang für Bus, Bahn und Fahrrad

Brandenburg soll auf Druck der Volksinitiative Verkehrswende ein neues Mobilitätsgesetz bekommen

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 3 Min.

In Brandenburg sollen künftig bei der Verkehrsplanung Bahn, Bus und Rad Vorrang vor dem Auto bekommen. Der Entwurf eines entsprechenden neuen Mobilitätsgesetzes wurde am Dienstag in Potsdam vorgestellt. Alles hängt von der derzeit unbeantworteten Frage ab, ob zur Umsetzung der ehrgeizigen Ziele überhaupt Mittel vorhanden sein werden. Gleich nach der parlamentarischen Sommerpause findet die erste Lesung des Gesetzes im Landtag statt.

Der Entwurf ist nicht allein innerhalb der drei Koalitionsparteien SPD, CDU und Grüne entstanden, sondern trägt auch die Handschrift der Volksinitiative »Verkehrswende Brandenburg jetzt!«. Diese hatte im Jahr 2021 rund 28 000 gesammelte Unterschriften vorgelegt und sich so zur Mitarbeit am Gesetzentwurf empfohlen. Zwei Jahre lang wurde in verschiedenen Arbeitsgruppen der nunmehr gültige Entwurf ausgearbeitet. Darin ist festgehalten, dass der Verkehr bis
2045 »klimaneutral« werden soll.

Franziska Sperfeld, Landesvorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), freute sich am Dienstag: Die brandenburgische Straßenbedarfsplanung sei nunmehr als ersatzlos gestrichen zu betrachten. Mit dem Mobilitätsgesetz verpflichte sich die Landesregierung, dem klimaneutralen Verkehr Vorrang einzuräumen.

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Als Beispiel nannte Grünen-Fraktionschefin Petra Budke, dass die immer mal wieder ersehnte Ortsumgehung für Falkensee nun definitiv nicht mehr gebaut werde. Auf die Frage, welche weiteren geplanten Straßenbauprojekte gestrichen werden, sagte Verkehrsminister Guido Beermann (CDU), die Straßenverkehrplanung habe ohnehin »keine große praktische Relevanz« mehr besessen.

Mit dem neuen Gesetz verfolgen die Autoren das Ziel, den Verkehr noch sicherer, bequemer, klimafreundlicher und barrierefreier zu entwickeln, fuhr Beermann fort. 60 oder 65 Prozent der zur Verfügung stehenden Mittel sollen in Bus und Bahn, Rad- und Fußwege fließen. Bislang war dieser hohe Anteil dem Autoverkehr vorbehalten. Bezogen auf die Straßen des Bundeslandes werde man sich im Wesentlichen auf Reparatur und Sanierung beschränken.

In ganz speziellen Fällen dürfe aber auch immer noch Neubau stattfinden, fügte der Minister hinzu und verwies da auf die »Lebenswirklichkeit.« Das Auto werde auch künftig in Brandenburg eine wichtige Rolle spielen, vor allem dort, wo Bus und Bahn »an praktische Grenzen« stoßen. Dabei denkt Beermann an den ländlichen Raum. Während bislang in der Verkehrsplanung des Landes das Fahrrad eher nebenbei Erwähnung gefunden habe, soll der Anteil der mit dem Rad zurückgelegten Wege nun von 11 auf 20 Prozent steigen, sagte Christian Wessel, Vize-Landesvorsitzender des Fahrradklubs ADFC.

Aus der Sicht von Fritz Viertel, Landeschef des Verkehrsclubs VCD, wird mit dem Gesetz die Planung »vom Kopf auf die Füße gestellt«. Viertel glaubt, dass bei Bahnverbindungen künftig nicht mehr die Nachfrage die bislang dominierende Rolle spielen wird. Als »magische Grenze« gelte derzeit die Zahl von 300 Passagieren täglich. Das habe den wirtschaftlichen Betrieb vom unwirtschaftlichen getrennt.

Nach der Wende wurden rund 15 Prozent des brandenburgischen Schienennetzes stillgelegt. In Brandenburg gibt es heute zehnmal mehr Pkw als zu DDR-Zeiten. Weil der durchschnittliche Weg zur Arbeit, zur Schule oder zum Einkaufen sich deutlich verlängerte, sind Autos für viele Brandenburger unverzichtbar geworden.

SPD-Fraktionschef Daniel Keller verwies darauf, dass die »Wende« in der Verkehrsplanung nicht bei null beginne. In den vergangenen Jahren seien schon sechs Millionen Zug-Kilometer zusätzlich bestellt worden. Bei den Straßen müsse nun Erhalt vor Neubau gehen, sagte CDU-Fraktionschef Jan Redmann und verwies auf einen »riesigen Investitionsstau« – und auf Ortsdurchfahrten, die so schlecht seien, dass bei Anrainern »im Schrank die Gläser klirren«.

Die oppositionelle Linke bezweifelt, dass angesichts der finanziellen Situation so etwas wie eine »Verkehrswende« überhaupt möglich ist. Denn wirkungsvolle Investitionen würden enorm viel Geld kosten, erinnerte Fraktionschef Sebastian Walter. Angesichts der Schuldenbremse werde schlicht das Geld fehlen für etwas, das die Bezeichnung Verkehrswende verdiene. »Diese Schuldenbremse ist ein Verbrechen an den künftigen Generationen«, schimpfte Walter.

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