Carsten Linnemann: Merz-Klon als CDU-Sprecher

Christdemokraten ernennen auf Wunsch des Chefs Carsten Linnemann zum Generalsekretär der Partei

Es war offenbar ein vorher abgestimmtes Manöver: Am Dienstagnachmittag kam die erste Agenturmeldung, derzufolge der Partei- und Fraktionschef der CDU den Generalsekretär der Partei auswechseln wollte. Der erst im Januar 2022 in dieses Amt gewählte Ostberliner Mario Czaja sollte durch den Paderborner Carsten Linnemann ersetzt werden. Am Mittwoch segneten Parteivorstand und -präsidium den »Vorschlag« einstimmig ab und lobten unisono die Entscheidung für den »Machertypen« Linnemann. Dieser werde die Partei voranbringen, hieß es.

Nötig hätte sie es, denn so richtig kommt die CDU nicht aus dem Umfragetief heraus. Laut der jüngsten, am Mittwoch veröffentlichten »Sonntagsfrage« des Ipsos-Instituts käme die Partei auf 26 Prozent der Wählerstimmen, wenn am kommenden Sonntag der Bundestag neu gewählt würde, was einem weiteren Verlust um zwei Prozentpunkte entspricht. Die AfD legt demnach hingegen weiter zu und käme auf 22 Prozent. Die SPD wäre drittstärkste Kraft mit 18 Prozent wie zuletzt auch. Bei der Wahl 2021 war sie mit 28 Prozent stärkste Partei geworden. Die CDU kann mithin von Zustimmungswerten wie unter Altkanzlerin Angela Merkel weiter nur träumen. Bei der letzten Bundestagswahl war sie auf nur 24,5 Prozent der Stimmen gekommen.

Und obwohl ihr die vielen rechtspopulistischen Äußerungen von Spitzenpolitikern in den vergangenen Monaten, maßgeblich auch jene von Linnemann, nichts gebracht haben, setzt Merz mit seiner Personalrochade weiter auf ein Anbiedern an den rechten Zeitgeist.

Linnemann, der zuletzt – genau wie die AfD – eine Arbeitspflicht für Erwerbslose gefordert hatte, die Mitwirkungspflichten verletzen und Jobangebote ablehnen, gab am Mittwoch nach seiner Ernennung den Tatkräftigen. Er wolle »sofort loslegen«, erklärte der 45-Jährige am Mittwoch während eines gemeinsamen Pressestatements mit Merz und seinem Vorgänger Czaja. »Ich sehe das als Vertrauensvorschuss an. Und ich muss mich jetzt sofort an die Arbeit machen«, sagte Linnemann. Er werde sich umgehend mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Parteizentrale sowie mit den Generalsekretären in den Ländern zusammensetzen, kündigte er an.

Merz verwies auf die zahlreichen bevorstehenden Wahlen in Kommunen, Ländern und zum Europaparlament. Diese erforderten »die ganze Kraft« der Partei. Er sei sich sicher, dass Linnemann dies als Generalsekretär »in hervorragender Weise leisten wird«. Linnemann sei fest verankert in der CDU und genieße in ihr hohes Vertrauen. Mit Blick auf die Ablösung des bisherigen Generalsekretärs betonte er: »Dies ist ein Personalwechsel und kein Richtungswechsel.«

Linnemann tritt sein Parteiamt zunächst kommissarisch an. Er muss noch durch einen Parteitag bestätigt werden. Er habe aber bis dahin alle Rechte und Pflichten eines Generalsekretärs, betonte Merz. Linnemann kommt wie Merz aus Nordrhein-Westfalen und ist seit 2009 Mitglied des Bundestags. Er vertritt dort den Wahlkreis Paderborn. Von 2013 bis 2021 war er Bundesvorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT). Seit Januar 2022 ist er einer von fünf stellvertretenden Parteivorsitzenden und leitet die Programm- und Grundsatzkommission der CDU. Er ist damit maßgeblich an der derzeit laufenden Erarbeitung eines neuen Grundsatzprogramms beteiligt, das im kommenden Jahr verabschiedet werden soll. Merz zufolge behält Linnemann diesen Posten.

Czaja soll künftig in den Bereichen Sozial- und Gesundheitspolitik eine »herausgehobene Aufgabe« wahrnehmen. Dafür werde er sich einsetzen, versprach Merz und dankte dem Geschassten für seine Arbeit. Czaja habe »großen Anteil« daran, dass der CDU nach der verlorenen Bundestagswahl 2021 ein Neustart gelungen sei.

Welche Bedeutung hat der Posten des Generalsekretärs einer Partei in Deutschland? Er ist vor allem für die politische Seite der Parteiorganisation zuständig, soll deren Standpunkte durchaus zugespitzt nach außen vertreten. Zugleich ist er von Amts wegen Mitglied des Parteivorstands. Er kann als eine Art Außenminister der Partei gelten und ist damit Gegenpart des Bundesgeschäftsführers.

Insofern dürfte gerade in Ostdeutschland, wo im kommenden Jahr drei Landtagswahlen stattfinden, aber auch im eher liberal-bürgerlichen CDU-Milieu Schleswig-Holsteins und Nordrhein-Westfalens nicht jeder mit der Entscheidung von Merz glücklich sein.

Bedenken formulierte indes Brandenburgs CDU-Chef Jan Redmann. »Die CDU darf nicht zu einer westdeutschen Partei werden, dann wird sie im Osten keine Chance haben«, sagte er am Mittwoch dem Sender Welt-TV. Czaja habe auch die ostdeutschen Bundesländer repräsentiert, so Redmann. Er äußerte die Erwartung, dass bei Nachwahlen zum Bundesvorstand »auch wieder jemand aus dem Osten ins Präsidium kommt«.

Redmanns Thüringer Amtskollege Mario Voigt, gegen den wegen des Verdachts der Korruption ermittelt wird, zeigte sich hingegen begeistert von der Berliner Personalentscheidung. »Die CDU Deutschlands bekommt mit Carsten Linnemann einen engagierten, leidenschaftlichen und glaubhaften Streiter für die Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft«, sagte er am Mittwoch in Erfurt.

Unterdessen deutet vieles darauf hin, dass die CDU-Spitze eher darauf setzt, dass die Auseinandersetzung um den Rechtsaußen in ihren Reihen, Hans-Georg Maaßen, in Vergessenheit gerät. Am Dienstag hatte ein Kreisparteigericht in Thüringen einen Antrag auf Ausschluss des früheren Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz aus der Partei abgelehnt und sich dafür ausgesprochen, dass dieser seine Mitgliederrechte wiederbekommt.

Merz sagte dazu nach den Beratungen der Spitzengemien der Partei am Mittwoch: »Wir werden das jetzt in Ruhe bewerten und beurteilen und keine vorschnellen Entscheidungen treffen.« Die Parteispitze habe sich kurz mit der Thüringer Entscheidung befasst, kenne aber bislang nicht die »Urteilsbegründung«. Bis diese schriftlich vorliege, werde es noch einige Wochen dauern. Bis dahin gebe es auch keine Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, teilte Metz mit.

Das Parteigericht hatte gegen Maaßen einen »Verweis« wegen eines Gastbeitrags in der »Weltwoche« ausgesprochen. Es wirft ihm die Zuordnung eines »linken Flügels der CDU« zu einer »Ideologie der sogenannten Anti-Deutschen in den linken Parteien« vor. Gegen den Beschluss kann laut Bundes-CDU Beschwerde eingelegt werden. Dann wäre das Landesparteigericht in Thüringen die nächste Instanz. Das langjährige CDU-Mitglied Maaßen ist Chef der als besonders konservativ geltenden Werteunion, die aber keine Organisation der Partei ist. Bei der Bundestagswahl 2021 hatte er in einem Südthüringer Wahlkreis kandidiert, war aber gescheitert.

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