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Keine Wunderknolle
Viele schwören auf die heilende Wirkung von Knoblauch, andere können ihn nicht riechen
»Ich habe Knoblauch nie gemocht, aber heute Abend ist er köstlich! In seinem Geruch liegt Frieden, ich spüre, wie der Schlaf bereits kommt«, schwärmt die junge Lucy in Bram Stokers Roman »Dracula«. Doch die stark riechenden Blüten können sie nur wenige Nächte schützen. Als ihre Mutter unwissend die Pflanzen entfernt, ist Lucys Schicksal besiegelt und sie fällt dem bösen Blutsauger zum Opfer – allen Vorsichtsmaßnahmen zum Trotz.
Dass man sich Vampire mit Knoblauch vom Hals halten kann, ist ein häufig zitierter Mythos, für den es diverse Erklärungen gibt. Eine der originellsten Thesen zur Entstehung stellte der kanadische Biochemiker David Dolphin vor rund 40 Jahren auf: Demnach stecken hinter »Vampiren« ursprünglich Menschen, die an Porphyrie litten. Bei der genetisch bedingten Stoffwechselkrankheit ist die Produktion des roten Blutfarbstoffs gestört. Die Betroffenen sind oft bleich, müssen Sonnenlicht meiden und haben manchmal sogar rötlich verfärbte Zähne. Und: Knoblauch ist für sie Gift, da sie einen der Hauptinhaltsstoffe nicht vertragen.
Den meisten Menschen kann das Gewächs aber wenig anhaben. »Übelkeit und Blähungen sind möglich, aber das kommt eher selten vor«, sagt der Ernährungsmediziner Hans Hauner von der Technischen Universität München. Auch Allergien sind denkbar, aber ebenfalls nicht häufig.
Insgesamt ist die Knolle, die ursprünglich aus Zentralasien kommt, eine gesunde Küchenzutat. Neben Ballast- und Mineralstoffen enthält sie B-Vitamine, Vitamin C und vor allem schwefelhaltige Verbindungen, sogenannte Sulfide. Dazu zählt das eigentlich geruchlose Alliin, das zu Allicin abgebaut wird, wenn die Pflanzenzellen durch Schneiden oder Drücken verletzt werden. Dieser Hauptwirkstoff des Knoblauchs zerfällt in weitere Schwefelverbindungen, die für den typischen Geruch verantwortlich sind. Wer Knoblauch isst, scheidet sie über Haut und Lungenbläschen wieder aus – so kommt es laut Bundeszentrum für Ernährung zur berühmt-berüchtigten »Knoblauch-Fahne«.
»Knoblauch passt gut in eine rundum gesunde Ernährung«, sagt Hauner, der dem wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung angehört. Gerade in der mediterranen Ernährung, die allgemein zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch von Demenz empfohlen wird, hat Knoblauch wegen seiner wertvollen Inhaltsstoffe einen wichtigen Platz. »Man sollte aber nicht meinen, dass man mit Knoblauch Ungesundes ausgleichen kann.« Currywurst-Exzesse lassen sich also nicht wiedergutmachen, indem man ein paar Knofi-Zehen dazu vertilgt. Zu viel sollte es ohnehin nicht sein: Als Höchstdosis werden in der Regel fünf Gramm frischer Knoblauch (etwa ein bis zwei Zehen) oder 5 Milligramm Allicin pro Tag empfohlen.
Aber wie verhält es sich mit den zahlreichen Wunderwirkungen, die der Pflanze nachgesagt werden? »Knoblauch ist eine altbekannte Heilpflanze«, sagt Hauner. »Ihre bakterizide Wirkung ist gesichert. Außerdem hat sie günstige Effekte auf das Herz-Kreislauf-System.« So gibt es kleinere Studien am Menschen, die positive Wirkungen auf den Cholesterinspiegel belegen. Daneben verändert Allicin die Blutgerinnung, verflüssigt also sozusagen das Blut: »Der biochemische Mechanismus ist gut erforscht.« Auch blutdrucksenkende Effekte kann man sich erhoffen, wenn sie auch eher gering ausfallen. Die Ergebnisse gründen sich aber nur auf Kurzzeitstudien, wie Hauner betont. Ob Knoblauch langfristig die Sterblichkeit senkt, ist offen.
Außerdem gibt es ein großes Problem: Die Studien lassen sich oft nur schlecht miteinander vergleichen, da Knoblauch häufig in unterschiedlichen Formen verwendet wurde. Schon in unverarbeiteter Form ist der Wirkstoffgehalt verschieden: »Je nach Sorte, Anbaugebiet, Ernte und so weiter schwanken die Inhaltsstoffe enorm«, sagt Rainer Stange, Präsident des Zentralverbands der Ärzte für Naturheilverfahren und Regulationsmedizin (ZAEN).
Noch unüberschaubarer wird es, wenn Knoblauch-Zubereitungen verwendet wurden – manche Studien beziehen sich auf Knoblauch-Öl, andere auf Pulver oder getrocknete Auszüge. Auf dieses Problem weist auch die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA in ihrem Bericht zu Knoblauch hin und kommt zu dem Schluss, dass Verallgemeinerungen oft kaum möglich sind. Außerdem sind einige Daten widersprüchlich und unzureichend.
Da Knoblauch aber eine altbewährte Heilpflanze ist, kann man sie als »traditionelles Arzneimittel« etwa zur Vorbeugung von Arterienverkalkung einsetzen. Um entsprechende Präparate registrieren zu lassen, müssen die Hersteller die Wirksamkeit nicht durch klinische Studien belegen – es reicht, wenn die Wirkung aufgrund jahrzehntelanger Erfahrung in diesem Bereich plausibel ist und keine Berichte einer schweren Unverträglichkeit vorliegen.
Daneben wird Knoblauch in Form von Nahrungsergänzungsmitteln angeboten, für die keine Zulassung nötig ist. »Das Angebot an Knoblauch-Präparaten ist riesig und unüberschaubar«, sagt Stange und empfiehlt, sich in der Apotheke beraten zu lassen. Auch wenn es keine Wunderknolle ist, so traut er dem Gewächs einiges zu – gerade aufgrund seiner antimikrobiellen Eigenschaften. So lieferte eine kleine britische Studie vor Jahren Hinweise darauf, dass regelmäßiger Knoblauchkonsum vor Erkältungen schützt. Außerdem lässt sich damit durchaus die Herz-Kreislauf-Gesundheit fördern, meint der Naturheilkundler. »Es ist allerdings individuell ganz verschieden, wie man darauf anspricht«, betont er.
Immer wieder bekomme er Anfragen von Patienten mit erhöhtem Cholesterinspiegel, die noch keine Statine nehmen wollen oder sie schlecht vertragen. Typischerweise ist bei ihnen das »schlechte« LDL erhöht. »In so einem Fall kann man es durchaus mit Knoblauch probieren. Wichtig ist aber, den LDL-Wert nach frühestens vier Wochen messen zu lassen. Gibt es dann keinen merklichen Effekt, muss man es auch nicht länger versuchen.«
Ähnliches gilt für leicht erhöhten Blutdruck: Auch hier spricht laut Stange nichts dagegen, Knoblauch auszuprobieren und die Wirkung nach vier Wochen – am besten durch eine neuerliche 24-Stunden-Messung – prüfen zu lassen. Solche Therapieversuche eignen sich vor allem für Menschen mit nur leicht erhöhten Blutdruck- und Cholesterin-Werten, keinesfalls aber für Hochrisikopatienten und sollten außerdem in Absprache mit der Ärztin erfolgen.
Obwohl der Trunk nicht gerade lecker ist, hat er viele Fans: Das Gemisch soll sich positiv auf das Herz-Kreislauf-System auswirken, Müdigkeit vertreiben, Entzündungen lindern und vieles mehr. Wissenschaftlich belegt sind die Wirkungen allerdings nicht. Laut AOK lässt sich der Saft folgendermaßen herstellen:
Zutaten: 5 unbehandelte Zitronen, 30 Knoblauchzehen, ein Liter Wasser
Zubereitung: Zitronen waschen und ungeschält vierteln. Knoblauchzehen schälen und zusammen mit den Zitronenstücken sowie etwas Wasser im Mixer zerkleinern. Die Mischung mit einem Liter Wasser in einem Topf verrühren, kurz aufkochen lassen und dann durch ein Sieb in eine Schüssel geben. Anschließend füllt man den Saft mit einem Trichter in eine Flasche, lässt ihn abkühlen und bewahrt ihn im Kühlschrank auf.
Von dem Trunk nimmt man zwei bis drei Wochen lang jeweils ein Schnapsglas zu sich. Nach einer Pause von einer Woche kann man die Kur für weitere zwei bis drei Wochen fortsetzen. ast
Knoblauchprodukte aller Art können nämlich zu Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten führen, wie die Verbraucherzentrale warnt. So können sie Gerinnungshemmer und Blutdrucksenker in ihrer Wirkung verstärken, andere Arzneimittel dagegen blockieren. Außerdem soll man wegen der Gefahr starker Blutungen eine Woche vor Operationen auf Knoblauchpräparate verzichten. Solche Warnungen machen auch klar: Die Knolle wirkt – nur vielleicht nicht immer so, wie man möchte. Das gilt auch für den Duft, der nicht jedem Frieden beschert.
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