Metalle fürs Wachstum

Sparen, Recyceln, Freihandel: Wie Europa seinen Rohstoffhunger stillen will

Für seine Energiewende braucht Europa jede Menge Rohstoffe. Mit ihrem Bedarf ist die EU jedoch nicht allein: Weltweit explodiert die Nachfrage nach bestimmten Mineralien und Metallen, das Angebot hält nicht Schritt. Die EU steht damit vor der Aufgabe, Rohstoffanbieterländer an sich zu binden und sich gleichzeitig gegen andere Nachfrager durchzusetzen. Davon hängt laut den Regierenden nicht nur Europas Klimaschutz ab, sondern das Wachstum, die Wettbewerbsfähigkeit und die Nationale Sicherheit.

Der Schutz des Klimas wird zwar oft als globale Gemeinschaftsaufgabe besprochen. Tatsächlich aber läuft längst das Rennen darum, wer die Profite aus klimaneutralen Technologien erzielt. Vergangenen März veröffentlichte die EU-Kommission daher ihren Net Zero Industry Pact, der unter anderem Staatshilfen für Investitionen in grüne Technologien vorsieht. Ziel ist die Stärkung der europäischen Industrie in der Konkurrenz mit den USA und China sowie eine verstärkte Unabhängigkeit von Clean-Tech-Importen aus China. »Die Wettbewerbsfähigkeit unserer gesamten Wirtschaft muss aufrechterhalten werden«, erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Um das zu erreichen, so von der Leyen, »müssen wir uns einen Vorsprung verschaffen, müssen unsere industrielle Basis stärken«. Kritische Rohstoffe seien für Europas Wettbewerbsfähigkeit und für seine angestrebte Führungsrolle bei den grünen Industrien von zentraler Bedeutung.

Der Kampf um die »grünen« Märkte der Zukunft führt nun zu einem erheblichen Mehrbedarf an entsprechenden mineralischen Rohstoffen und insbesondere an Metallen wie Lithium, Nickel, Kupfer, Magnesium, Titan, Gallium, Germanium, Seltenen Erden und Iridium. Die Nachfrage nach vielen kritischen Rohstoffen hat sich in den vergangenen Jahren verdoppelt und wächst weiter, berichtete diese Woche die Internationale Energieagentur (IEA). »Eine Kombination aus volatilen Preisbewegungen, Engpässen in der Versorgungskette und geopolitischen Bedenken hat eine starke Risikomischung für eine sichere und schnelle Energiewende geschaffen.«

Um sich von einzelnen Lieferanten unabhängiger zu machen und sich gegen andere Rohstoff-Nachfrager durchzusetzen, unternimmt die EU verschiedene Maßnahmen. So hat sie eine gemeinsame Energieplattform eingerichtet, mit der sie die europäische Nachfrage bündelt und so »das politische Gewicht ebenso wie das Marktgewicht der EU wirksam nutzen kann – das wollten wir immer erreichen, eine kollektive Macht aus 27 Ländern am Markt«, erklärte von der Leyen.

Zudem soll eine Verordnung zu kritischen Rohstoffen eine sichere und preisgünstige Versorgung gewährleisten. Als »kritisch« gilt ein Rohstoff, der für die Produktion bedeutsam und schwer ersetzbar ist und dessen Lieferung als potenziell gefährdet gilt. Laut Critical Raw Materials Act (CRMA) soll die EU bis 2030 rund zehn Prozent ihres Bedarfs aus eigenem Bergbau decken, 40 Prozent aus lokaler Weiterverarbeitung und 15 Prozent aus Recycling innerhalb der EU. Zudem soll die EU 2030 für jeden strategischen Rohstoff nicht mehr als 70 Prozent ihres Jahresbedarfs aus einem einzigen Drittstaat wie beispielsweise China beziehen.

Dabei hat laut Bundeswirtschaftsministerium die »politische Flankierung in der internationalen Zusammenarbeit eine besondere Rolle«. Mit den USA, Japan, Kanada, Australien, Großbritannien und anderen Staaten wurde die strategische Kooperation mittels des Minerals Security Partnership vereinbart. Daneben wirft Europa sein politökonomisches Gewicht in bilateralen und regionalen Partnerschaften ins Gewicht, zum Beispiel mit Chile, Südafrika und Australien, aber auch mit der Ukraine und Namibia. Der deutsche Industrieverband BDI fordert dabei eine »noch weitergehende Verzahnungen von Außenpolitik, Wirtschaftspolitik und Entwicklungspolitik«.

Für ihre neue Rohstoffaußenpolitik wirbt die Bundesregierung mit dem Hinweis, auch die Lieferländer des Globalen Südens würden von ihr profitieren. Zu einem »geopolitischen Europa« gehöre, »dass wir nun zügig neue Freihandelsabkommen schließen – mit dem Mercosur, mit Mexiko, mit Indien, Indonesien, Australien, Kenia und perspektivisch mit vielen anderen Ländern – faire Abkommen, die die wirtschaftliche Entwicklung unserer Partner befördern, nicht behindern«, sagte Kanzler Olaf Scholz im Mai und stellte klar: »Fair, das bedeutet zum Beispiel, dass die erste Verarbeitung von Rohstoffen dort vor Ort stattfindet und nicht etwa in China oder anderswo.« Die Nichtregierungsorganisation Brot für die Welt bleibt skeptisch: Die Rohstoff-Verordnung der EU diene lediglich dazu, »Europas Wohlstand abzusichern. Die zugedachte Rolle der Länder im Globalen Süden bei der ökologischen Transformation in Europa ist klar und eindeutig: Sie werden weiterhin auf die Rolle des Rohstofflieferanten reduziert.«

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