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Haftbedingungen am Pranger
Menschenrechte und Menschenwürde haben in Gefängnissen zu oft keine Priorität
Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter stellt Einschränkungen in der Ausübung von Menschenrechten und auch Verletzungen der geschützten Menschenwürde im Freiheitsentzug fest. Sie besucht also Gefängnisse und Psychiatrien und prüft, ob die Unterbringung und Behandlung der Inhaftierten den menschenrechtlichen Standards und der Menschenwürde entsprechen.
Im vergangenen Jahr, festgehalten im kürzlich herausgebrachten »Jahresbericht 2022«, beklagt die Einrichtung »die sehr häufig festgestellte Überbelegung« der Gefängnisse und forensischen Psychiatrien. Abhilfe geschaffen werden soll laut Politik mit zusätzlichen Betten und dem »Umfunktionieren von Räumen«.
Von der unabhängigen Stelle wird auch kritisiert , dass viele Patientinnen und Patienten mitunter abweichend im Justizvollzug untergebracht werden mussten anstatt im chronisch überbelegten Maßregelvollzug. »Die in einem solchen Fall unerlässliche psychiatrische Betreuung kann im Justizvollzug vermehrt nicht oder nur ungenügend gewährleistet werden«, heißt es in dem 105-seitigen Bericht. Aus aktuellen Studien geht hervor, dass immer mehr Gefangene im deutschen Justizvollzug psychische Auffälligkeiten aufweisen – zurzeit zwischen 40 und 70 Prozent, sagt die Nationale Stelle. Diese Tatsache erscheine umso schwerwiegender, als dort eine ausreichende Behandlung nicht immer gewährleistet werden könne.
Dass es in Deutschland Probleme im Straf- und im Maßregelvollzug gibt – überbelegte forensische Kliniken und zum Teil marode Gefängnisse – ist bekannt. Dennoch verwundern das Ausmaß der Missstände und die Umstände.
Im Nordrhein-westfälischen Werl etwa geriet die dortige Justizvollzugsanstalt vor wenigen Wochen in die Schlagzeilen, weil sich die gut 120 Sicherungsverwahrten über die angeblich schlechte Unterbringung beschwerten. Ein Sicherungsverwahrter klagte erfolgreich vor dem Landgericht Arnsberg: Der Schwerbehinderte war einem lokalen Medienbericht zufolge für einen Arztbesuch außerhalb des Gefängnisses an den Füßen gefesselt worden, obwohl er sich nur mit einem Rollator fortbewegen könne. Dies prangerten die Prüfer, die ehrenamtlich bundesweit die Haftbedingungen im Freiheitsentzug in Augenschein nehmen, unter anderem an.
Konkret geht es den Prüfern auch um Größe und Ausstattung besonders gesicherter Hafträume, in denen Menschen inhaftiert werden, die Gewalt gegen sich oder andere Menschen ausüben könnten. In Werl sei eine Zelle inklusive Sanitärbereich lediglich 4,7 Quadratmeter klein gewesen. »Sie befindet sich im Kellergeschoss und ist nicht mit einem Fenster ausgestattet. Dies ist umso schwerwiegender, da Gefangene und Sicherungsverwahrte, die in besonders gesicherten Hafträumen abgesondert werden, ausnahmslos 24 Stunden täglich eingeschlossen werden«, heißt es. Ein Vergehen seitens der Haftanstalt. Das Ministerium der Justiz in NRW erklärte dem Bericht zufolge, dass »eine Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum 1 im Haus 1 nur als letzte Lösung angeordnet werden solle«. Die Nationale Stelle empfahl eindeutig und unmissverständlich, keine Gefangenen mehr im besonders gesicherten Haftraum 1 im Haus 1 unterzubringen.
Ebenso wurde die Ausstattung des besonders gesicherten Haftraums gerügt. Demnach waren die besonders gesicherten Hafträume bei drei besuchten Anstalten in NRW, darunter jene in Werl, nur mit je einer am Boden liegenden Matratze – teilweise ohne Kopfunterlage – ausgestattet. In seiner Stellungnahme des Ministeriums heißt es dazu, dass »Sitzwürfel als Standardausstattung im besonderes gesicherten Haftraum in einer Justizvollzugsanstalt des Landes erprobt« würden.
Anlass zu Bedenken gibt auch, dass sowohl im deutschen Maßregel- als auch im Justizvollzug Personen über mehrere Wochen von anderen Personen abgesondert untergebracht worden seien. »Erschwerend kam hinzu, dass ihnen teilweise selbst die Möglichkeit verwehrt wurde, eine Stunde im Freien zu verbringen.« Die Regelungen zu Fixierungen in den landesrechtlichen Gesetzen zum Maßregelvollzug im Saarland, in Niedersachsen, Berlin und Sachsen-Anhalt stehen laut Bericht »auch nach mehr als drei Jahren seit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil noch nicht in Einklang mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen«.
Die Nationale Stelle beobachtete 2022 vier zwangsweise durchgeführte Abschiebungen. 2022 wurden 10 777 Personen auf dem Luftweg aus Deutschland abgeschoben. Darunter sind auch Familien mit Kindern, Kleinkindern und Säuglingen. Insgesamt sind dem Bericht zufolge im vergangenen Jahr 2196 Minderjährige abgeschoben worden. Die Nationale Stelle bemängelt hierbei die Missachtung des Kindeswohls. So seien Abzuschiebende – auch Kinder oder andere »vulnerable Personen« – in der Mehrheit der Fälle nachts abgeholt worden. »Insbesondere für kleine Kinder bedeutet eine nächtliche Abholung nicht nur eine empfindliche Störung ihres gesunden Schlafrhythmus, sondern kann zu Traumata bei der Verarbeitung des Erlebten führen«, erklären die Prüfer der Nationalen Stelle. Sie stellen ein ganzes Bündel an Verbesserungen vor wie etwa, dass Ausreisepflichtige in Einzelfällen aus humanitären Gründen mindestens eine Woche im Voraus über ihre baldige Abschiebung informiert werden. »Eine entsprechende Anpassung des Aufenthaltsgesetzes soll dies sicherstellen«, so die Einrichtung, die zudem darauf pocht, dass die Möglichkeit einer Rechtsberatung für Abzuschiebende gewahrt wird.
Die Nationale Stelle verfügt über ein Jahresbudget von 640 000 Euro. Zehn ehrenamtliche Mitglieder nehmen, unterstützt von sechs hauptamtlich Tätigen, ihr Mandat für das gesamte Bundesgebiet wahr.
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