Die Linke und Carola Rackete: Das passt zusammen

Mit Unterstützung der Bewegungen für Klimagerechtigkeit und gegen Rassismus ins Europaparlament

Die antirassistische Kapitänin ist auch in der Klimabewegung aktiv.
Die antirassistische Kapitänin ist auch in der Klimabewegung aktiv.

Als Janine Wissler am Sonntagabend im Sommerinterview des ARD-Politikmagazins »Bericht aus Berlin« davon sprach, dass Die Linke »so etwas wie einen Neustart« brauche und dass man sich dafür weiter zu Gewerkschaften und Bewegungen öffnen wolle, da hätte man das für eine der üblichen Floskeln halten können. Prominente Vertreter*innen der Linken sprechen gerne über Gewerkschaften und Bewegungen; was daraus folgt, ist nicht immer klar.

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In diesem Fall ist es klar. Bei einer Pressekonferenz am Montag haben Wissler und ihr Ko-Vorsitzender Martin Schirdewan ihre Favoriten für die Liste zum Europaparlament vorgestellt. Schirdewan selbst will wieder ins Europaparlament, das gleiche gilt für Özlem Alev Demirel. Die Überraschungen sind die Plätze zwei und vier. Geht es nach dem Willen der Linke-Spitze, sollen sie von Carola Rackete und Gerhard Trabert besetzt werden. Traberts Nähe zur Linkspartei ist schon länger bekannt – der Armenarzt aus Hessen trat schon als parteiloser Bundestagskandidat und 2022 sogar als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten an. Bei der Vorstellung sagte der Sozialmediziner augenzwinkernd, dass bei der EU-Kandidatur im kommenden Jahr sogar die Aussicht bestehe, das Amt antreten zu müssen.

Die große Überraschung ist aber Carola Rackete. Die 35-Jährige wurde 2019 als »Captain Rackete« bekannt, weil sie mit dem Seenotrettungsschiff »Sea-Watch 3« in den Hafen der Insel Lampedusa einlief, obwohl ihr das von den Behörden untersagt worden war. Rackete erklärte ihre Entscheidung mit der Notsituation, in der sich die Geretteten an Bord des Schiffes befanden. Italiens damaliger Innenminister schimpfte, nannte Rackete, deren Schiff im Hafen ein Polizeiboot der Guardia di Finanza touchiert hatte, eine »Aufschneiderin und «Kriminelle», die ihm «auf die Eier» gehe.

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Im Europäischen Parlament könnte Rackete dem Umweltausschuss «auf die Eier gehen», in den möchte sie gerne. Carola Rackete ist Ökologin. Zu Beginn ihres Auftritts am Montag im Karl-Liebknecht-Haus sagte sie, das elementare Menschenrecht auf eine gesunde Umwelt sei das derzeit am stärksten gefährdete. Lebensmittel und Ackerböden müssten der Finanzspekulation entzogen und Agrarsubventionen an ökologische, regionale Betriebe vergeben werden, setzte Rackete erste inhaltliche Akzente.

Zu ihrer Kandidatur sagte Rackete, dass sie sich gefragt habe, wo ihr Platz im «Ökosystem der Bewegung» sei. Das Europäische Parlament sei nicht der erste Platz gewesen, der ihr eingefallen sei. In Brüssel werde aber über zentrale Themen entschieden. Auch gegen Die Linke hatte Rackete Vorbehalte. Eine Grundlage sei, «dass der Parteivorstand entschieden hat, den Richtungsstreit zu klären». Die Antirassistin spielt damit auf die Abgrenzung zu Sahra Wagenknecht an, und fordert die Partei auf, auf «allen Ebenen» eine «antifaschistische und antirassistische Haltung» einzunehmen. Sie hofft, dass in der Partei ein «Klärungsprozess» stattfindet.

Carola Rackete will parteilos bleiben, das hat auch mit ihrem Verständnis der Kandidatur zu tun. Sie erzählt von Freund*innen, die zwar in Europa leben, sich aber als Asylsuchende nicht politisch beteiligen können. «Ich sehe in der Kandidatur die Möglichkeit, Privilegien zu nutzen, die andere nicht haben», erklärte sie. Rackete versteht sich als Aktivistin, spricht von einem «Bewegungsteam». Vom Mandat spricht sie als «ein kollektives Projekt», bei dem sie besonders in der Öffentlichkeit stehe. Sie habe mit vielen Freund*innen beraten und die Entscheidung nicht alleine getroffen, berichtete Rackete.

Von einem langen Diskussionsprozess erzählen auch Liza Pflaum und Christopher Laumanns. Beide gehören zu Carola Racketes Bewegungsteam. Pflaum war in der zivilen Seenotrettung aktiv, hat den Verein United4Rescue mitgegründet und arbeitet als Campaignerin bei Campact. Christopher Laumanns stammt aus der Anti-Kohle-Bewegung im Rheinland und war in den letzten Jahren im Bündnis «Alle Dörfer bleiben» und beim Kampf um Lützerath sehr aktiv.

Liza Pflaum erzählt, dass sie «ein loser Zusammenhang von 15 bis 20 Menschen» seien, die darüber nachdenken «wie die Linkspartei eine gute Partnerin von sozialen Bewegungen sein kann». Sie seien in unterschiedlichen Bewegungen für «gerechte Löhne, radikalen Klimaschutz und die Einhaltung der Menschenrechte» aktiv. Laumanns ist der Meinung, Die Linke habe den «richtigen Ansatz», man müsse die Probleme an der Wurzel packen. «Wenn wir die Klimakatastrophe verhindern wollen, müssen wir den Kapitalismus überwinden.» Es brauche den Mut, sich mit den Reichen und Konzernen anzulegen und für universelle Menschenrechte einzusetzen. In den letzten Jahren habe Die Linke ihre Funktion nicht erfüllt, der «Bruch mit dem nationalistischen Lager in der Partei» mache das nun aber wieder möglich. Dafür brauche es auch die sozialen Bewegungen.

Warum eigentlich als Bewegung eine Parlamentskandidatur unterstützen? «Was geschieht, wenn es keine ernstzunehmende Kraft links von Grünen und SPD in den Parlamenten gibt, haben Lützerath, EU-Asylreform, Gebäudeenergiegesetz, die Verwässerung des Klimaschutzgesetzes und der ausbleibende Inflationsausgleich gezeigt», antwortet Liza Pflaum. Außerdem zielten die Strategien von Bewegungen auf die Änderung von Gesetzen ab – es gebe also ohnehin ein «Zusammenspiel».

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