Rheinmetall: Probesitzen mit Protest

Der hessische Ministerpräsident hat den Rüstungskonzern Rheinmetall in Kassel besucht

Für Rheinmetall läuft es derzeit bestens. Im März wurde der Düsseldorfer Konzern in den Dax der Frankfurter Wertpapierbörse aufgenommen und kann sich dort gut behaupten. Die Rüstungsschmiede profitiert besonders vom Ukraine-Krieg und den milliardenschweren Waffenpaketen der Bundesregierung für die Regierung in Kiew. Zuletzt vermeldete Rheinmetall, mit der Auslieferung frischer Munition für den deutschen Flakpanzer »Gepard« beginnen zu wollen. Bis Jahresende sollten 40 000 Granaten für die Ukraine produziert werden, sagte Rheinmetall-Chef Armin Papperger der »Bild am Sonntag«. Das gesamte Auftragsvolumen soll sich auf 300 000 Schuss belaufen. Damit werden die rund 40 Flugabwehrpanzer munitioniert, die Deutschland der Ukraine bislang geliefert hat. Weitere sollen bis Jahresende folgen, damit steigt auch der Munitionshunger der Panzer.

Am Dienstag hat der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) den Rüstungskonzern in Kassel besucht. Dort produziert Rheinmetall unter anderem die Panzer »Fuchs«, »Marder« und »Boxer« sowie die gepanzerten »Survivor« und »Caracal«, die weltweit an Polizeibehörden und Militärs verkauft werden.

Solche Besuche sind nach der militärpolitischen »Zeitenwende«, die in Deutschland nach dem Einmarsch der russischen Armee von Bundeskanzler Scholz ausgerufen wurde, an der Tagesordnung. Doch am Dienstag musste Rhein den Hintereingang nehmen, um Papperger die Hand zu drücken. Der Grund war eine antimilitaristische Kundgebung, zu der ein Bündnis unter dem Motto »Krieg und Militarismus haben ein Gesicht« vor das Werk in Kassel aufgerufen hatten. Rund 40 Menschen haben sich daran beteiligt.

Der Rheinmetall-Chef war auch auf der Protestaktion präsent, allerdings als Pappfigur. Ebenfalls aus Pappe war ein Panzer, der auf der Kundgebung aufgefahren war. Einige Demonstrant*innen hatten sich als Aktionär*innen verkleidet und feierten satirisch mit Sekt die steigenden Aktienkurse, die dem von Papperger geleiteten Konzern große Gewinne versprechen.

Der politische Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft/Vereinigte Kriegsdienstgegner*innen, Michael Schulze von Glaßer, hat die Kundgebung mitorganisiert. Im Gespräch mit dem »nd« zeigte er sich zufrieden: »Wir haben erst vor einer Woche erfahren, dass Rhein Rheinmetall besucht. Daher ist es ein Erfolg, dass wir in kurzen Zeit und noch dazu während der Sommerferien den Protest organisieren konnten.« Unterstützt wurde die Kundgebung neben verschiedenen Kasseler Friedensgruppen auch auch von der Linkspartei. Der Fraktionsvorsitzende der Linken im hessischen Parlament, Jan Schalauske, sprach auf der Kundgebung.

Positiv findet von Glaßer, dass auch jüngere Antimilitarist*innen an der Kundgebung teilgenommen haben. Mitglieder von rechten oder rechtsoffenen Zusammenhängen tauchten offenbar nicht auf. In den letzten Monaten gab es innerhalb von Friedensgruppen in verschiedenen Städten Kontroversen über die Breite ihrer Bündnisse. Dabei geht es unter anderem um das Verhältnis zu Russland, dessen Regierung einige Gruppen als Opfer der Nato zeichnen und damit den Angriffskrieg verharmlosen.

Einen Redebeitrag hielt auch ein Vertreter des bundesweiten antimilitaristischen Bündnisses »Rheinmetall entwaffnen«, das im letzten Jahr ein mehrtägiges antimilitaristisches Camp in Kassel organisiert hatte. In diesem Rahmen kam es im September 2022 auch zu einer Blockade vor dem Rheinmetall-Konzern, die von der Polizei aufgelöst wurde.

Von Glaßer sieht die Protestkundgebung vom Dienstag in einer Tradition antimilitaristischer Proteste, die unter dem Motto »Krieg beginnt hier« Rüstungskonzerne direkt in die Verantwortung nimmt. In Kassel habenneben Rheinmetall noch andere Rüstungskonzerne ihren Sitz. Gegen sie könnten sich weitere Proteste richten, meint von Glaßer.

Ursprünglich hatte Rheinmetall geplant, in Großenhain in Sachsen eine Munitionsfabrik zu errichten. Daraus wird nichts, vermeldete jüngst der »Spiegel«. Für den Rüstungskonzern bedeutet dies aber keine Einbußen, im Gegenteil: Unternehmenschef Armin Papperger sagte, man werde stattdessen den bestehenden Standort im bayerischen Aschau ausbauen, das gehe schneller. Jedes Jahr sollen dort 7000 Tonnen Pulver als Treibladungen für Geschosse hergestellt werden.

Rheinmetall steigt außerdem in die Produktion von Kampfjets ein. Anfang Juli gab Papperger bekannt, künftig Bauteile für die von US-Konzernen entwickelten »F-35« in Weeze in Nordrhein-Westfalen herstellen zu wollen. Direkt neben dem Flughafen soll dort auf 60 000 Quadratmetern eine neue Fabrik mit mehr als 400 Beschäftigten gebaut werden. Rheinmetall ist mit der Fertigung von Bauteilen für den Rumpf der »F 35« beauftragt, 2025 soll damit begonnen werden. Auch die Länder Brandenburg, Sachsen und Niedersachsen hatten sich Hoffnungen gemacht, dass sich der Dax-Konzern bei ihnen mit dem Werk ansiedelt.

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