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Kim Posster: Das Phantasma der Souveränität

Der Profeminismus linker Männer ist oft ein Missverständnis: Kim Posster fordert »Männlichkeit verraten!«

  • Jeja Klein
  • Lesedauer: 4 Min.
Einer schlage den anderen um – auch linke Männer glauben an aktive Selbstbehauptung, wie sie früher Charles Bronson symbolisiert hat (in »Hard Times«, 1975).
Einer schlage den anderen um – auch linke Männer glauben an aktive Selbstbehauptung, wie sie früher Charles Bronson symbolisiert hat (in »Hard Times«, 1975).

Mit »Männlichkeit verraten« legt Kim Posster eine kenntnisreiche Auseinandersetzung mit Männlichkeit und sexueller Gewalt in linken Kreisen vor. Es geht also mal nicht um die Konservativen, die vielbeschworenen alten weißen Männer. Es geht um den vorgeblichen Profeminismus linker Männer. Laut Posster könne da meist noch nicht mal von einem »Immerhin« die Rede sein, stattdessen müsse von einem »Noch-Nicht-Mal« gesprochen werden: Es geht hier um die Frage, »warum noch nicht mal die meisten (cis) Männer mit vermeintlich antisexistischem Anspruch darum kämpfen, dass dieser ernsthaft in der Linken verankert wird, und warum noch nicht mal der Großteil des Profeminismus in Theorie und Praxis ein Verbündeter in diesem Kampf ist«.

Wie kann es also sein, dass Genossinnen fortlaufend herablassend behandelt, aus Machtpositionen verdrängt werden und es ständig zu sexueller Gewalt kommt – wie auch im Rahmen von #linkemetoo thematisiert? Wie kann es sein, dass Frauen und FLINTA-Personen aus linken Strukturen herausgeekelt werden, wo sich doch alle zu Gleichheit bekennen, mithin von einigen gar eine »kritische Männlichkeit« kultiviert wird? Und das alles, ohne dass es mal so richtig knallt?

Das liegt, folgt man Kim Posster, auch an bestimmten Ausdrucksformen eines kulturellen Updates von Männlichkeit, vorgelebt von linken Männern als Reaktion auf feministische Kritik. Diese neue Geschlechterkultur hat es aber letztlich mehr auf die Pluralisierung von »Männlichkeiten« abgesehen und damit, so Posster, auf die Wiederherstellung männlicher Souveränität, Handlungsmacht.

Posster hingegen interessiert sich für die »Männlichkeit im Singular«, nicht für einen kulturellen Zustand, der auch einfach anders eingerichtet sein könnte, sondern für ein Herrschaftsprinzip – vor dem Hintergrund des kapitalistischen Patriarchats. Es ist eine historisch gewachsene Struktur, in der männlich kodierte Eigenschaften in enger Wechselwirkung mit kapitalistischer Produktion, Ausbeutung und Vergesellschaftung zum Menschen-Ideal schlechthin geronnen sind: Sich-Selbst-Gehören, die Durchsetzungsfähigkeit des eigenen Willens, die aktive Selbstbehauptung gegenüber anderen etwa – Marktteilnehmer*innen wie Partner*innen. Angst vor dem Verlust des Status eines bürgerlichen Subjekts »konkretisiert sich hingegen oft als Furcht vor Verweiblichung«, dechiffriert Posster die scheinbar »geschlechtslose« Subjektform kapitalistischer Produktionsweise.

»Selbstverständlich lebt ein cis-geschlechtlicher Burschenschaftler eine sehr andere Männlichkeit als ein linksradikaler trans Mann«, gesteht Posster den Diskussionen um Pluralisierung zu, sie bleiben aber dennoch »beide Männer«. Und haben als solche an einer gesellschaftlichen Form teil, in der Selbstbestimmung, Autonomie, Handlungsfähigkeit nur im Tausch gegen Unterwerfung unter bestimmte Gesetze des Kapitals zu haben ist. Und denen wiederum ist die Angewiesenheit auf die Reproduktionstätigkeiten von Frauen als ihrer unsichtbaren Voraussetzung zutiefst eingeschrieben. Deshalb müssen Männer, auch linke, am Phantasma der Souveränität festhalten, deren struktureller Krisenhaftigkeit sie ausgesetzt bleiben. Letztere agieren diese nicht zuletzt in Form sexueller Gewalt gegen die eigenen Genossinnen aus. Das ist aber kein Verrat wie der, den ein Streikbrecher begeht, schreibt Posster über das Verhältnis zu Frauen, Weiblichkeit und Queers, denn: »Sie hassen sie, sich selbst und andere Männer selbstständig und aktiv für das Nicht- und Un-Männliche, das sie in ihnen verkörpert sehen.«

Aus diesem Grund hat Posster wenig für allzu pädagogische Ansprachen und Versuche übrig, Männern den Feminismus durch Botschaften schmackhaft zu machen, wonach nicht zuletzt sie selbst von neuen Männlichkeiten profitieren würden – etwa von der Abkehr vom nicht ohne Grund so beliebten Konzept der »toxischen Männlichkeit«. Zu Recht nur Spott hat der Autor übrig für das in linken profeministischen Kreisen entstandene »Boykott-Magazin«, wenn darin »gute« männliche Eigenschaften wie Mut und Souveränität zur Ausweitung auf alle Gender empfohlen werden.

Männlichkeit mit einer Prise Feminismus in Schuss zu halten und vor sich selbst zu schützen? Dagegen setzt Posster die richtige Forderung an linke Männer, sich mit ihrer Tätergeschichte, ihrem Täterschutz und ihrem Wunsch nach Souveränität auseinanderzusetzen. Und kippt hie und da selbst in die Affirmation dieser Souveränität, wenn er schreibt, dass das ständige Scheitern an echtem Feminismus nicht an mangelndem Können, sondern einfach am mangelnden Willen liege. So lässt sich zwar so mancher Verbalradikalismus rechtfertigen – Balsam auf die oft so geplagte FLINTA-Seele. Aber mal im Ernst: Wer würde das, was hier als männliches »Wollen« erscheint, wirklich wollen können?

Kim Posster: Männlichkeit verraten! Über das Elend der ›Kritischen Männlichkeit‹ und eine Alternative zum heutigen Profeminismus. Neofelis Verlag, 112 S., br., 12 €.

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