Vier Milliarden gegen die Abwärtsspirale in den Kitas

Die Bundesregierung will mit dem Kita-Qualitätsgesetz dem Fachkräftemangel entgegenwirken

  • Ulrike Wagener
  • Lesedauer: 3 Min.
So viel Aufmerksamkeit für ein einzelnes Kind ist in deutschen Kitas aktuell nur selten zu leisten.
So viel Aufmerksamkeit für ein einzelnes Kind ist in deutschen Kitas aktuell nur selten zu leisten.

Die Notbetreuung in Kitas ist ein Phänomen, das die Pandemie überlebt hat. Laut einer am Freitag veröffentlichten Befragung der Hans-Böckler-Stiftung mussten mehr als die Hälfte (57 Prozent) der erwerbstätigen oder arbeitssuchenden Eltern in diesem Frühling ihre Kinder aufgrund von Kürzungen der Betreuungszeiten oder zeitweiligen Schließzeiten selbst betreuen oder betreuen lassen.

Das Kita-Qualitätsgesetz von Familienministerin Lisa Paus soll diesem Missstand entgegenwirken. Am Freitag stellte die Grünenpolitikerin vor, wie die vier Milliarden Euro, die 2023 und 2024 an die Bundesländer gehen, verwendet werden. In dieser Woche wurde der Vertrag mit Sachsen-Anhalt als letztem der 16 Bundesländer unterzeichnet. Jetzt kann das Geld fließen. Entsprechend der Vorgaben des Bundes wollen die Länder die Bundesmittel nun »insbesondere zur Verbesserung der Personalsituation, zur Stärkung der Kita-Leitungen und zur Förderung der sprachlichen Bildung einsetzen«, sagte Paus.

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Etwa die Hälfte des Geldes soll für Fachkräfte ausgegeben werden. Konkret sind rund 984 Millionen für einen besseren Betreuungsschlüssel geplant, also mehr Erzieher*innen pro Kindergruppe. Weitere 933 Millionen wollen die Länder für mehr Fachkräfte in den Kitas ausgeben. Außerdem fließen mehr als 500 Millionen Euro an Kitaleitungen, zum Beispiel für ihre Aus- und Weiterbildung. Mehr als 300 Millionen sind geplant für die sprachliche Bildung der Kinder.

Aktuell befindet sich die Lage in den Kitas in einer Abwärtsspirale. Laut Paritätischem Wohlfahrtsverband haben Erzieher*innen den höchsten Krankenstand aller Berufsgruppen. In einer Umfrage des Verbands gaben kürzlich zwei Drittel aller Mitarbeiter*innen an, zu wenig Personal in ihrer Kita zu haben, um den Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden. 70 Prozent geben an, regelmäßig Überstunden machen zu müssen, um ihr Pensum überhaupt zu schaffen. Dies führt wiederum dazu, dass auch Erzieher*innen, die ihren Beruf gern machen, das Handtuch werfen.

Trotz einiger Verbesserungen ist aus Sicht der Hans-Böckler-Stiftung noch Luft nach oben: »Der Personalschlüssel ist eine wichtige Stellschraube, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken«, sagt Andreas Hövermann von der Hans-Böckler-Stiftung im Gespräch mit »nd«. Wichtig sei aber auch eine bessere Bezahlung des Kita-Personals, um den Beruf aufzuwerten und attraktiver zu machen. Ein weiterer Ansatz sei eine Ausbildungsoffensive für Erziehungsberufe.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hält die angekündigten vier Milliarden Euro für zwei Jahre für viel zu wenig. Die 2017 zwischen Bund und Ländern vereinbarten fünf Milliarden Euro jährlich seien das Minimum. Außerdem müsse der Bund »die Gelder unbedingt dauerhaft zur Verfügung stellen und nicht nur für zwei Jahre«, sagte Doreen Siebernik, Vorstandsmitglied der GEW. Ministerin Paus kündigte am Freitag an, das Kita-Qualitätsgesetz über 2024 hinaus zu einem »Qualitätsentwicklungsgesetz« weiterzuentwickeln. Die Union wiederum vermisst »innovative Konzepte« für eine nachhaltige Verbesserung der Versorgungslage im Kita-Bereich.

Gespart werden soll nun stattdessen an der Beitragsentlastung der Eltern. »Es ist verankert, dass Kinder aus armen Familien trotzdem den Zugang haben, dass dann keine Gebühren erhoben werden«, sagte Paus. Auf »nd«-Anfrage erklärte das Familienministerium: »Die Maßnahmen der Länder zur Beitragsentlastung sind in der Regel gesetzlich und unbefristet verankert.« Künftig finanzierten noch sechs Länder die Entlastungen anteilig aus Bundesmitteln. Diese stellten entsprechend größere Landesmittel bereit, um die Maßnahmen unverändert fortführen zu können. Eine Staffelung nach Einkommen habe es indessen nicht ins Gesetz geschafft. Die Kosten der Kinderbetreuung sind in den Ländern unterschiedlich geregelt. Schon jetzt haben Kinder aus ärmeren Familien schlechtere Chancen, einen Kita-Platz zu bekommen. Betreuungsausfälle kompensieren zu einem Großteil die Mütter.

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