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Tanzende Flugdrachen
Verschiedene Firmen entwickeln Prototypen, um Höhenwinde in Strom umzuwandeln
Sie sind noch lange keine Serienprodukte, doch die Entwicklung von Höhenwindenergieanlagen schreitet voran. Produziert wird an Orten wie Klixbüll in Schleswig-Holstein, Seevetal in Niedersachsen und Eberswalde in Brandenburg.
Der Ritterschlag für die Höhenwindenergieanlagen – auch Flugwinddrachen genannt – kommt vom norddeutschen Windenergiepionier Sönke Siegfriedsen. »Höhenwinde auf diese Weise zu nutzen, ist ein superspannender Ansatz«, meint der global agierende Chef der Büdelsdorfer Ideenschmiede Aerodyn Engineering. Siegfriedsen ist zurzeit am schwimmenden 16-Megawatt-Offshore-Projekt »Nezzy2« vor der südchinesischen Küste beteiligt. Dass auch die Flugwinddrachen in die Megawattklasse vordringen können, bezweifelt er. Vor allem das Starten und Landen der fliegenden Objekte beurteilt der Ingenieur als technisch höchst anspruchsvoll. Trotzdem hält er es für wichtig, dass diese Art der Windenergienutzung weiter erforscht und optimiert wird – nicht zuletzt wegen des erheblich reduzierten Materialbedarfs.
Ein Flugwinddrachen treibt mit seinen achtförmigen Bahnen in der Luft über Seile einen Generator am Boden an. Dabei nutzt der Drachen den Wind in größeren Höhen als herkömmliche Windräder.
Florian Breipohl, Geschäftsführer von Enerkite, einem deutschen Hersteller aus Eberswalde, beteuert: »Wir sind keine Nische, die Stückzahlen können in Zukunft durchaus sehr hoch sein, ähnlich wie bei Landmaschinen.« Statt wie die Google-Tochter Makani aus dem Stegreif in riesige Flugdrachen zu investieren, die dann wie Ikarus spektakulär im Nordmeer weit vor der Küste Norwegens in die Fluten stürzen, haben die in Brandenburg beheimateten Hersteller eine kleinteiligere Herangehensweise. »Nicht gleich ganz groß gehen«, sagt Breipohl. »Wir haben einen Prototyp in Bau, der bei einer Windgeschwindigkeit von zehn Meter pro Sekunde eine Nennleistung von 100 Kilowatt aufweist.« In der ersten Jahreshälfte 2024 will man bei Enerkite einen Prototyp fertigstellen, der später für »unter einer halben Million Euro« für die ersten kommerziellen Kunden zur Verfügung stehen soll.
Kein Markteintritt vor 2027
Im Unterschied zu anderen Herstellern von Höhenwindenergieanlagen bleibt die Steuerung beim Modell mit dem Namen »EK 200« am Boden. Daher entfällt auch eine Kabel- respektive Funkverbindung zum nach oben steigenden Drachen. »Einen großen Vorteil bei unserem Produkt sehen wir vor allem darin, dass wir auch bei Windstille mit unseren Drachen ähnlich wie bei der Segelfliegerei über achtförmige Flugbahnen in die Höhe gehen können«, verspricht Breipohl. Mit anderen Worten: wie man mit ganz viel Tango in hohe Höhen gelangen kann. Doch räumt der Geschäftsführer ein, dass vor 2027 kein Markteintritt kommen werde, auch wenn schon vorher einzelne kommerzielle Projekte laufen werden.
»Wir werden Industrie«, unterstreicht indes Mark Hoppe, Leiter der Abteilung Business Development & Public Affairs beim Mitwettbewerber Skysails Power GmbH die Ambitionen. Er nutzt ungern den Terminus Flugwinddrachen, sondern spricht explizit von Höhenwindenergie. Rund 90 Mitarbeiter zählt das Unternehmen mit Produktion in Seevetal mittlerweile. Für Furore sorgte der Firmengründer Stephan Wrage bereits vor mehr als zehn Jahren mit der Entwicklung von Zugdrachen für die internationale Seeschifffahrt. Wenngleich einige Frachter erfolgreich mit der Skysails-Technologie ausgerüstet wurden und zum Teil große Mengen an Treibstoff eingespart werden konnten, setzte sich dieser Windantrieb letztlich nicht durch, auch weil die Preise für schwefelhaltigen Diesel lange Zeit zu niedrig blieben, um die Reedereien für einen Umstieg begeistern zu können. Nichtsdestotrotz haben Wrage und seine Mitstreiterinnen bei ihrer innovativen Technologie viel Erfahrung sammeln können, die mittlerweile in die Weiterentwicklung der Höhenwindenergie geflossen ist. Nördlich von Niebüll, in der nordfriesischen Marsch und symbolträchtig vor einer Reihe konventioneller Multimegawattanlagen, ist seit geraumer Zeit der Forschungs- und Entwicklungsstandort von Skysails. Dort werden Testflüge unternommen. Sie bieten den Zuschauenden eine grandiose Idee davon, was zukünftig auch ohne Fundamente und Türme in der Windenergie möglich sein wird. »Wir sehen uns nicht als Konkurrenz zur bestehenden Windkraft, wir sind vielmehr eine komplementäre Ergänzung in höheren Luftschichten«, fügt Hoppe an.
Tatsächlich hat Skysails schon eine Anlage im kommerziellen Betrieb, und zwar auf Mauritius. Zwei weitere Anlagen sind bereits an asiatische Kunden verkauft worden. Weitere Anlagen sind zurzeit in der Projektentwicklung. »Vor allem auf Inseln und in abgelegenen Regionen sehen wir derzeit große Marktchancen, aber auch als netzstabilisierende Zusatzenergie für Photovoltaikanlagen sehen wir großen Bedarf; langfristig ist der Offshore-Floating-Bereich sehr interessant«, so Hoppe. Wenngleich sich der Manager sehr bedeckt hält, wie teuer die Höhenwindanlage aus der eigenen Produktion ist, hebt er die Vorteile der Technologie hervor. »Unsere Anlage passt in einen gängigen 30-Fuß-Container hinein, kann in vielen Ländern des globalen Südens ohne große logistische Herausforderungen betriebsbereit installiert werden. Zudem brauchen wir wegen des textilen Kites lediglich fünf Meter pro Sekunde Wind, um das System zu starten.«
Nutzung des Luftraums noch ungeklärt
Nach Schätzungen der Weltbank gibt es im Bereich der Minigrids (oder auch Inselsysteme), der sich in den nächsten Jahren noch vervielfachen wird, ein theoretisches weltweites Marktpotenzial von 220 Milliarden US-Dollar, an dem die Höhenwindpioniere teilhaben wollen. »Es könnte ein Exportschlager werden«, meint Breipohl und warnt davor, kurz vor Markteintritt, wie es vor einem Jahrzehnt mit der PV-Industrie in Deutschland geschehen ist, die neue Technologie zu vernachlässigen. Für die kleinen Anlagen stehen überseeische Regionen im Fokus. Auf dem europäischen Kontinent wird die Höhenwindkraft noch viele Diskussions- und Genehmigungsprozesse hinsichtlich der Nutzung des Luftraums durchlaufen müssen, bevor sie tatsächlich angewendet werden kann. Deshalb wünscht sich die junge Branche mehr politischen Willen, innovative Technologien zu fördern. Der europäische Verband der Hersteller und Entwickler von Höhenwindenergie, die Airborne Wind Europe (AW Europe), der mittlerweile rund 50 Mitglieder zählt, bemüht sich seit Längerem, mit den zuständigen Behörden ins Gespräch zu kommen, um offene Fragen zu Luftraumintegration und überhaupt zu Nutzungsoptionen zu klären.
Unterdessen wird weiter geforscht: an den Drachen, an den Seilen und an vielen weiteren technischen Details. »Wir sind daran, die Lebensdauer der Zugseile zu verlängern sowie deren Wirkungsgrade noch weiter zu erhöhen«, verrät Breipohl über den Weg, im eleganten Tango ganz nach oben zu gleiten, um dort Strom zu erzeugen. Letztlich führen alle Bemühungen einer kleinen Firma wie Enerkite mit derzeit 18 Mitarbeitern, des Marktführers Skysails oder der niederländischen Kitepower dazu, dass die Erzeugungskosten pro Kilowattstunde weiter sinken. Während Hoppe von derzeit 20 Cent pro Kilowattstunde spricht, aber diesen Wert für sein Produkt in den nächsten Jahren unter zehn Cent erwartet und langfristig sogar noch weit darunter, taxiert Breipohl die Kosten für die Kilowattstunde schon jetzt auf nur zehn bis 14 Cent. Wie auch immer: In unruhigen und extrem volatilen Zeiten wie den derzeitigen sind Zahlen von heute sicherlich morgen hinfällig. Dennoch: Der Drachentanz in die Höhe ist eine Option, allein schon wegen der Materialeinsparung von rund 90 Prozent.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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