Mieten in Berlin: Auch Vonovia bricht Absprachen

Weiterer Rückschlag für Wohnungsbündnis des Senats

Neuer Rückschlag für das Wohnungsbaubündnis des Senats: Vonovia will offenbar für Mieter mit Wohnberechtigungsschein die Mieten über den im Bündnis abgesprochenen Grenzwert erhöhen. Das schließen Beobachter aus einer Auseinandersetzung, die die Immobiliengesellschaft mit einem Mieter aus Spandau führt. Vonovia wollte dem Bürgergeldempfänger die Miete um mehr als sieben Prozent erhöhen, obwohl im Bündnis im vergangenen Jahr ausgemacht worden war, dass die Mieten für WBS-Berechtigte nicht stärker als zwei Prozent steigen sollen. In einer Antwort auf eine Beschwerde des Mieters, in der er auf die Abmachung verweist, argumentierte Vonovia, dass die Mieterhöhung innerhalb der Angemessenheitsgrenze liege, das Jobcenter also verpflichtet sei, die Miete zu zahlen. Zunächst hatte die »Berliner Zeitung« berichtet.

Wie viele andere Mieter betroffen sind, ist unklar. Ihm sei bislang nur der konkrete Fall bekannt, sagt Marcel Eupen, Vorsitzender des Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbunds (AMV). »Potenziell betrifft das aber tausende Menschen.« Dass sich nur wenige Mieter bei seinem Verband melden, führt er auch darauf zurück, dass vielen Berlinern die Abmachungen im Bündnis nicht bekannt seien. Die Mieterhöhung widerspricht in einen Augen der Bündniserklärung. »Von der Angemessenheitsgrenze war in den Bündnisabmachungen gar nicht die Rede«, sagt er.

Bei Vonovia scheint dagegen eine eigene Interpretation der Abmachungen vorzuherrschen. »Wir halten uns als Gründungsmitglied des Bündnisses nach wie vor an alle Regelungen«, zitiert die »Berliner Zeitung« Vonovia-Sprecher Matthias Wulff. Die Mieterhöhung liege unterhalb der Angemessenheitsgrenze und sei damit konform mit der Abmachung. Ebenfalls gegenüber der »Berliner Zeitung« widerspricht die Senatsstadtentwicklungsverwaltung. »Bürgergeldempfänger zählen ebenfalls zum Kreis der WBS-Berechtigten, für die die Miete laut der Bündnisvereinbarung bis Ende 2023 nur um zwei Prozent jährlich erhöht werden darf«, so ein Behördenvertreter. Mieter sollten sich mit Verweis auf die Vereinbarung bei Vonovia beschweren, empfiehlt er.

»Vonovia interpretiert die Vereinbarung so, wie es ihr passt«, denkt auch AMV-Vorsitzender Marcel Eupen. »Sinn der Abmachung war nicht, dass am Ende der Staat einspringt.« Auf den ersten Blick mag es so erscheinen, dass die Mieterhöhung für die Betroffenen nicht spürbar sei, weil das Jobcenter am Ende ohnehin die Miete zahle, aber die erhöhte Miete wirke sich auf den Mietspiegel des umliegenden Gebiets aus. »Das widerspricht der Zielsetzung des Bündnisses, die Mietentwicklung zu dämpfen«, so Eupen.

Die Ankündigung von Vonovia ist bereits der zweite Riss im Bündnis innerhalb kurzer Zeit. In der vergangenen Woche hatte die Adler-Gruppe angekündigt, ihre Mieten um 15 Prozent statt der ausgemachten elf Prozent zu erhöhen. Kurz darauf trat die Gesellschaft aus dem Wohnungsbündnis aus. Auf der anderen Seite warfen anonym bleibende Baulobbyisten dem Senat im »Tagesspiegel« vor, seinen Teil der Abmachung ebenfalls nicht zu erfüllen. Denn die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren, die der Senat im Gegenzug für die Selbstverpflichtungen der Wohnungsunternehmen versprochen hatte, lässt weiter auf sich warten.

»Entweder der Senat wird jetzt aktiv oder man beendet das Bündnis«, sagt Marcel Eupen. »Das ist der Senat den Mietern schuldig.« Das Vertrauensprinzip habe offenbar nicht gewirkt. Bündnisabmachungen müssten rechtlich bindend und für Mieter einklagbar sein. »Selbstverpflichtungen reichen nicht«, so der Mietervertreter.

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