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Metallschilder für den Kräutergarten
Linksfraktionschef Sebastian Walter auf Sommertour in Fürstenberg/Havel
Gänse schnattern, ein Hahn kräht, Ziegen meckern. Es ist eine Bilderbuchidylle in Altthymen, hoch im Norden des Landkreises Oberhavel. Mittendrin in dieser beschaulichen, von der Stadt Fürstenberg/Havel eingemeindeten Stadt liegt der Kräutergarten. Hier pflanzte ein Bauer früher Getreide. Doch nachdem hinter dem Feld eine Pferdekoppel angelegt worden war, lohnte sich das Stück Acker nicht mehr. Der Landwirt stellte es für den Kräutergarten zur Verfügung.
Liselotte Baertz hat das gar nicht mal so kleine Pflanzenparadies vor sieben Jahren mit einer anderen Frau aufgebaut, die aber inzwischen gesundheitliche Probleme mit ihren Handgelenken hat. So kümmert sich Baertz mittlerweile allein. Ungefähr zwei Stunden täglich bringt die inzwischen 84-Jährige damit zu. Urlauber, insbesondere Radtouristen, machen gern Station und sehen sich alles an. Zeigen sie sich besonders interessiert, kommt Baertz aus ihrem Haus dazu, erklärt bereitwillig die einzelnen Pflanzen und sagt bei den Heilkräutern dazu, welche Beschwerden sich mit ihnen behandeln lassen.
»Unserer ist schöner als der Kräutergarten von Kloster Himmelpfort«, bemerkt Ortsvorsteher Manfred Saborowski (parteilos). Seit nunmehr 13 Jahren übt er diese Funktion aus. Am Donnerstag führt er Brandenburgs Linksfraktionschef Sebastian Walter bei dessen Sommertour zu verschiedenen Stationen in Altthymen. Der Kräutergarten ist eine davon. Hier stößt Fraktionskollege Andreas Büttner dazu. Die Stadt Fürstenberg/Havel und damit auch der Ortsteil Altthymen gehören zu seinem Wahlkreis.
Schon von früh an ist auch die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (Linke) mit dabei. Sie hat dann auch eine Idee, wie Baertz zu helfen wäre. Ganz Drogistin, obwohl längst in Rente, wünscht sich Baertz nämlich Metallschilder, um die einzelnen Pflanzenarten für Besucher ordentlich zu beschriften. »Hat Altthymen ein Ortsteilbudget?«, fragt Johlige den Ortsvorsteher Saborowski. Gesetzlich vorgeschrieben sei dies, und aus einem solchen Topf ließe sich doch die Anschaffung von Metallschildern bezahlen.
Schon bei der nächsten Station in Altthymen sind die Abgeordneten drauf und dran, eine weitere Finanzierungsfrage zu lösen. In einem etwas abseits gelegenen Haus wohnen unten die Eltern und oben unter dem Dach der Sohn Felix – aber nicht allein. Felix erlitt einen schweren Autounfall und ist in mehrfacher Hinsicht stark eingeschränkt. So zieht der sympathische junge Mann ein Bein nach, hüpft aber gleichwohl fröhlich durch Wohnzimmer und Küche, in der es schon herrlich nach dem Mittagessen mit frischen Kartoffeln riecht, die gleich aufgetischt werden sollen.
Felix teilt sich die Etage mit zwei anderen Behinderten und demnächst wird noch eine vierte einziehen. Betreut werden sie alle rund um die Uhr vom sozialtherapeutischen Verein Mysa. Der Verein kümmert sich um Menschen mit »besonders herausforderndem Verhalten«, die früher in Berlin als »nicht gruppenfähig« eingestuft worden sind, wie eine Mitarbeiterin den Politikern erklärt. Doch hier inmitten der Natur leben sie wie eine große Familie zusammen und fühlen sich wohl. Woanders möchte Felix nie mehr wohnen, »außer im Hotel Adlon, Präsidentensuite«, wie er trocken scherzt.
Was zur vollständigen Zufriedenheit noch fehlt? Das geborgte Auto, mit dem sich die Bewohner der Gemeinschaft in die Stadt fahren lassen können, ist klapperig und müsste ersetzt werden. 5000 Euro für ein gebrauchtes Auto wären genug. So viel kann die Linksfraktion selbst nicht erübrigen. Aber 1000 Euro, vielleicht auch 1500 Euro könnte sie zuschießen, stellt Fraktionschef Walter in Aussicht. Seine Landtagsfraktion verfügt schließlich über einen Sozialfonds, in den die zehn Abgeordneten Überschüsse aus ihren Diätenerhöhungen einzahlen. Bei der Bundestagsfraktion könnte man auch anklingeln. Die unterhält ebenfalls einen solchen Fonds.
»Herr Walter, wären Sie bereit, dieses Projekt zu unterstützen?«, hatte Felix vorher gefragt. »Darum sind wir hier«, hatte der Politiker geantwortet. Es ist nicht der einzige Besuch bei Behinderten heute bei der Sommertour. Los geht es am Morgen ebenfalls in Altthymen mit dem Haus Dahmshöhe der Lebenshilfe. Der in den Jahren 1929 und 1930 im Wald errichtete Landsitz wurde von den Nazis enteignet, da der Besitzer Jude war. Der über Eck stehende Komplex diente nach dem Zweiten Weltkrieg übergangsweise als Schule und dann von 1947 bis zum Ende der DDR als Kinderkurheim. 1992 zog die Lebenshilfe ein. Sie bietet Urlaub für Behinderte und deren Angehörige an. Aber es darf sich auch jeder andere ein Zimmer buchen. Etwa je zur Hälfte gibt es solche und solche Gäste. Die Behinderten reisen aus ganz Deutschland an.
»Wir sind froh, so eine Einrichtung zu haben, die Altthymen bundesweit bekannt macht und den Einwohnern eine Arbeitsmöglichkeit bietet«, erklärt Ortsvorsteher Saborowski, der Walter und Johlige durchs Haus führt. 14 Mitarbeiter zählt es. Die Politiker werfen einen Blick in die Sauna, in den Saal und die Küche. Sie besichtigen einige der 32 Zimmer, die gerade frei sind, darunter eines mit einem speziellen Pflegebett und einem in jeder Hinsicht behindertengerechten Bad. 38,50 Euro pro Person kostet ein Doppelzimmer. In manchen Zimmern können mit beigestellten Feldbetten bis zu sechs Personen übernachten. Die Verpflegung wird extra berechnet: 28,80 Euro für Vollpension, 19,20 Euro für Halbpension.
Rund 8000 Übernachtungen jährlich registrierte das Haus vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Dann sackte die Zahl auf 5000 ab. Inzwischen sind die Zahlen schon wieder besser, aber noch nicht auf dem alten Niveau. Hinderlich und ein Ärgernis ist der Zustand der Zufahrt von der Bundesstraße 96. Hier reiht sich Schlagloch an Schlagloch. Immer wieder gibt es bei der Stadt Beschwerden deswegen. 2017 sei die letzte große Reparatur des Weges erfolgt, beklagt Ortsvorsteher Saborowski. »Angeblich ist der Weg im vergangenen Jahr gemacht worden.« Doch der derzeitige Zustand beweist, dass dies kaum geholfen hat. Die Zufahrt hintenrum durch Altthymen sieht mindestens genauso schlimm aus.
Wenn die B96 modernisiert wird, hätte der Abzweig wegfallen sollen. Das drohte noch dazuzukommen. Doch die Abgeordneten Büttner und Johlige haben darüber mit Brandenburgs Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU) gesprochen. Nun soll es doch weiterhin einen Abzweig geben. Am Abend sollte die B96 in Fürstenberg/Havel noch einmal Thema sein. Dann wollte sich Walter im Wasserwerk mit der Bürgerinitiative »B96 raus« treffen. Seit Jahrzehnten wird um eine Ortsumfahrung gerungen. Die Ostvariante, die über historisch sensibles Gelände an der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück geführt hätte, ist vom Tisch. Bei der Westvariante gibt es Schwierigkeiten mit dem Naturschutz, solange eine Mittelvariante, die der Stadt kaum Entlastung bringen würde, nicht völlig ausgeschlossen ist.
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