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»Conversations with friends«: Materialistisches Beziehungsdrama

Sally Rooneys Romane sind auch als Serien sehr erfolgreich. Nun gibt es bei ZDFneo »Conversations with friends« zu sehen

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 4 Min.
Bald finden sich die vier in einer komplizierten Viererkonstellation. Alison Oliver, Sasha Lena, Jemima Kirke und Joe Alwyn in »Conversations with Friends«
Bald finden sich die vier in einer komplizierten Viererkonstellation. Alison Oliver, Sasha Lena, Jemima Kirke und Joe Alwyn in »Conversations with Friends«

Mit der 32-jährigen Sally Rooney, die zuletzt scharf wegen ihrer Boykotthaltung gegenüber Israel kritisiert wurde, hat die Generation der Millenials eine wichtige literarische Stimme. Ihr weltweit erfolgreicher Bestseller »Normale Menschen«, ein psychologisch-materialistisches Beziehungsdrama über einen jungen Mann aus der Arbeiterklasse und eine junge Frau aus der Upper-Class, die in Dublin studieren und sich in einer jahrelangen On-Off-Beziehung fetzen, wurde schon als mehrfach prämierte Serie von BBC und Hulu umgesetzt. Nun folgt fast schon zwingend die Serienadaption von Rooneys Debütroman »Conversations with Friends«, wieder in einer Gemeinschaftsproduktion von BBC und der zu Disney gehörenden Streamingplattform Hulu. Beide Serien sind nun auf ZDFneo zu sehen, »Conversations with Friends« als deutsche Erstausstrahlung. Auch hier geht es wieder um Beziehungsdramen junger Menschen und um die sozialen Hierarchien und Machtstrukturen, die dabei eine Rolle spielen. Die 21-jährige Frances (Alison Oliver) und ihre engste Freundin Bobbi (Sasha Lane), mit der sie eine jahrelange Liebesbeziehung führte, lernen bei einem Poetry-Slam die gut zehn Jahre ältere Melissa (Jemima Kirke) und deren Ehemann Nick (Joe Alwyn) kennen. Während Frances und Bobbi noch studieren und sich nebenher bei ihren feministischen Poetry-Slam-Auftritten austoben, ist die mondäne Melissa bereits erfolgreiche Autorin und Nick ein bekannter Schauspieler.

Alle vier finden auf Anhieb Gefallen aneinander. Das im kulturindustriellen Betrieb arrivierte Pärchen lädt die beiden jungen Studentinnen zu sich nach Hause ein. Es kommt, wie es kommen muss: Bobbi verliebt sich in Melissa, Frances beginnt eine Affäre mit Nick, und bald finden sich die vier wieder in einer komplizierten Viererkonstellation. Die romantische Beziehung zwischen dem coolen, selbstbewussten Nick und der viel jüngeren, unsicheren Frances dauert aber nicht lange. Trotz eines für die junge Frau schmerzhaften Bruches geht die Affäre dann doch während eines gemeinsamen Urlaubs in Kroatien weiter. Zwischen Strandnachmittagen, Lesungen, College-Besuchen, Dinnerpartys, WG-Diskussionen, heimlichen Treffen, Spaziergängen, langen Streitgesprächen und unzähligen Textnachrichten entwickelt sich die komplizierte Beziehung zwischen Nick und Frances inklusive der bald aufkommenden Eifersucht von Bobbi und Melissa. Lenny Abrahamson, der auch schon Regie bei »Normal People« geführt hat, erzählt das ganz unmittelbar und direkt, genauso wie es auch Sally Rooneys Bücher sind. Hier gibt es keine wie in psychologischen Melodramen sonst übliche pointierte Überspitzung oder Verdichtung der Handlung und der Figuren.

In Sally Ronneys Romanen sind die Dialoge, die Textnachrichten, die sich die Figuren in einem fort schicken, so alltäglich und banal wie das viele aus ihrem eigenen Alltag kennen. Das ist ganz anders als sonst im Kulturbetrieb, wo alles so fleißig verfremdet wird, um dramaturgisch zuzuspitzen. In dieser realitätsnahen Darstellung finden sich weltweit viele junge großstädtische Akademiker*innen oft mit Verblüffung wieder. Sally Rooney, die keinen Hehl aus ihrer marxistischen Weltsicht macht und ihre Hauptfigur Frances als feministische Kommunistin einführt, schafft es, genau diese alltägliche Gesprächs- und Beziehungskultur in eine einzigartig klare und unaufgeregte Prosa zu packen. Und in den Serien gelingt der Spagat, das filmisch umzusetzen. Das ist eher wie Arthouse-Kino und keine kurzweilige Unterhaltung, hat aber das Potenzial, wenn man sich darauf einlässt, enorme Spannung aufzubauen.

Wie in »Normal People« dient auch in »Conversations with Friends« das Dubliner Trinity-College immer wieder als ein zentraler Schauplatz der Handlung. Genau hier studierte auch Sally Rooney, und in der ans Trinity angeschlossenen Schauspielschule wurde ein Großteil des Casts ausgebildet, der in beiden Serien mitspielt, unter anderem auch Hauptdarstellerin und Newcomerin Alison Oliver. Dass die ebenso, aber sogar noch mehr, als Daisy Edgar-Jones aus »Normal People« eine gewisse optische Ähnlichkeit mit der Autorin Sally Rooney hat, war schon in zahlreichen britischen und amerikanischen Feuilletons Thema. In Rooneys Romanen, vor allem auch in ihrem zuletzt erschienenen »Schöne neue Welt, wo bist du?« stellen sich Leser eh zwangsläufig immer wieder die Frage, wie autobiografisch ihre generationenspezifische Millenial-Prosa eigentlich ist. Dieser Zusammenhang wird gerade für Fans durch die Serien noch einmal verstärkt. Dabei dürfte die in Großbritannien und den USA schon 2022 herausgekommene Serie »Conversations with Friends«, die etwas zu Unrecht diverse wenig positive Kritiken bekommen hat, wohl kaum solchen Kultcharakter wie »Normal People« entwickeln, die mitten im Corona-Lockdown anlief, aber auch mit einer weitaus selbstbewussteren und aggressiveren Hauptperson aufwarten konnte. »Conversations with Friends« ist wie bei Romandebüts oft üblich etwas komplexer, dramaturgisch weniger professionell ausgearbeitet, insgesamt rauer, aber gerade auch deswegen sehr sehenswert.

»Conversations with Friends« und »Normal People« in der ZDF-Mediathhek

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