Frankreich: Patienten sollen selber zahlen

Französische Regierung will die Ausgaben für das Gesundheitswesen kürzen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

In Vorbereitung des Staatsetats für 2024 hat sich die französische Regierung das Ziel gesetzt, die Ausgaben für die Gesundheitsversorgung zu senken und dafür vor allem die Patienten stärker heranzuziehen. So soll die 2008 eingeführte obligatorische Selbstbeteiligung, die bei jeder Arztkonsultation nach den anteilsmäßigen Erstattungen durch die staatliche Krankenkasse und die private Zusatzkasse übrig bleibt, von bisher einem auf zwei Euro erhöht werden. Auch der Eigenanteil bei Medikamenten verdoppelt sich von 50 Cent auf einen Euro für jede Packung.

Dadurch sollen sich umgehend Einsparungen ergeben. Auch will die Regierung die Patienten zum verantwortungsbewussten Umgang mit Medikamenten und medizinischen Leistungen anhalten. Allerdings sollen die Selbstbeteiligungsbeiträge in der Summe auch weiterhin 50 Euro pro Jahr nicht überschreiten dürfen, um chronisch Kranke nicht übermäßig zu belasten.

Gesundheitsminister Aurélien Rousseau hält es für nötig, die in den vergangenen Jahren durch die Corona-Pandemie aus dem Ruder gelaufenen Ausgaben wieder unter Kontrolle zu bekommen. Selbst ohne die pandemiebedingten Zusatzkosten haben sich die staatlichen Aufwendungen für den Gesundheitssektor seit 2019 um rund 30 Prozent erhöht. Allein im vergangenen Jahr gab die Krankenkasse für Arztkonsultationen und Medikamente 26 Milliarden Euro aus. Durch Verdoppelung des Eigenanteils sollen es künftig 500 bis 600 Millionen Euro pro Jahr weniger sein.

Der Rotstift wird auch bei anderen Posten angesetzt. So sollen die Erstattungen für zahnmedizinische Behandlungen und Zahnersatz durch die staatliche Krankenkasse um 10 Prozent sinken, sodass ein entsprechend größerer Anteil auf die Zusatzkassen und die Patienten selbst entfällt. Davon verspricht man sich Einsparungen von jährlich 500 Millionen Euro.

Vor allem hat sich die Regierung vorgenommen, die Kosten durch Krankschreibungen spürbar zu drücken. Kürzlich sorgte ein Skandal für erheblichen Medienwirbel: Polizisten ließen sich von einem Arzt krankschreiben, da sie gegen die Untersuchungshaft für einen ihrer unter dem Verdacht der Körperverletzung stehenden Kollegen protestieren wollten. Auf derartige »Gefälligkeitsatteste« soll künftig systematisch Jagd gemacht werden. Die Zahl der mit den Kontrollen beauftragten Beamten wird entsprechend erhöht. Ärzte, die durch eine besonders hohe Zahl fragwürdiger Krankschreibungen auffallen, müssen mit Geldstrafen rechnen oder können sogar ihre Kassenzulassung verlieren. Laut Regierung sollen sich die Kosten für Krankschreibungen innerhalb von zehn Jahren – selbst wenn man Corona unberücksichtigt lässt – um rund ein Drittel erhöht haben.

Die Maßnahmen, von denen die ersten bereits Anfang Oktober in Kraft treten sollen, entsprechen dem, was Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire Mitte Juni auf einer Tagung zum Thema Staatsausgaben anmahnte. Dort prangerte er die »Fehlentwicklungen bei den Ausgaben für Medikamente« an und behauptete, da sie für den Patienten praktisch kostenlos seien, fördere dies »verantwortungslose Verschwendung«. Diese Einschätzung sei »unsachlich, kaltherzig und schlichtweg falsch«, hielt Agnès Giannotti, Präsidentin der Allgemeinmedizinervereinigung GM France, in einem offenen Brief dagegen. »Die Regierung lässt die Masken fallen und leitet einen schrittweisen Rückzug des Staates aus dem Krankenkassensystem und darüber hinaus aus dem ganzen Gesundheitswesen ein«, warnte sie.

Auch die linken Oppositionsparteien und großen Gewerkschaften weisen das unsachliche Pauschalurteil der Regierungspolitiker und deren Kürzungspläne entschieden zurück. So kritisiert der Vorsitzende der Parti Socialiste, Olivier Faure, die Regierung beurteile das »höchst sensible Feld der Gesundheit einzig und allein mit dem kalten Blick eines Buchhalters«.

Fachleute teilen diese Einschätzung: »Diese Pläne der Regierung erinnern beklemmend an das, was in den 80er und 90er Jahren abgelaufen ist«, erklärte Nicolas Da Silva, der an der Université Sorbonne in Paris zu Fragen der Finanzierung des Gesundheitswesens forscht. »Diese Politik hatte zur Folge, dass immer mehr Franzosen aus finanziellen Gründen so weit als möglich darauf verzichteten, zum Arzt zu gehen.«

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