Zum Schuljahresbeginn fehlen 640 Lehrer

Fast jeder fünfte Pädagoge in Brandenburg ist ein Seiteneinsteiger

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit den altbekannten Problemen startet Brandenburg am Montag ins neue Schuljahr. Zwar sind eingestandenermaßen inzwischen 640 Lehrerstellen nicht besetzt. Doch geht Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) davon aus, dass in jeder der rund 900 Schulen im Bundesland »die Stundentafel abgesichert« sei.

Warum das so sein soll, wurde nicht so richtig deutlich, als der Bildungsminister am Donnerstag die schwierige Lage schilderte und seine Konzepte zur Lösung präsentierte. Die 640 unbesetzten Stellen, die – weil Teilzeitarbeit schon eingeplant werden müsse – 460 Vollzeitstellen entsprechen, »haben sich schon seit Längerem abgezeichnet«, sagte Freiberg. Die Gewinnung von Lehrpersonal bleibe eine der wichtigsten Aufgaben der rot-schwarz-grünen Landesregierung. Laut Freiberg wurden 540 Lehrerstellen ausgeschrieben. In allen Bundesländern werden derzeit Lehrer gesucht, beschrieb er die Schwierigkeiten, Lehrkräfte zu finden. Um die Attraktivität des Berufs nicht zu gefährden, halte er auch nichts davon, den Lehrern eine Pflichtunterrichtstunde mehr pro Woche abzufordern.

Vor zehn Jahren hatte die damalige rot-rote Landesregierung die Pflichtstundenzahl um eine pro Woche verringert. Der somit nicht mehr geleistete Stundenumfang entspricht dem Volumen, das etwa 400 bis 500 Lehrer zu leisten haben. Lehrkräfte fehlen laut Minister heute in allen Fächern und in allen Schulformen. In kürzester Zeit habe das Land eine neue Lehrerausbildung in Cottbus-Senftenberg eingerichtet, die mit der Ausbildung von 50 Bewerbern für die Fächer Mathematik und Deutsch beginnen soll. In Neuruppin werde ein Studienseminar entstehen, wo weitere Lehrer ausgebildet werden. Weil besonders auch Sportlehrer fehlen, habe er für 26 Studierende ein »berufsbegleitendes Sportlehrerstudium für Seiteneinsteigende« einrichten lassen.

Laut Minister wurden aktuell 1380 unbefristete Einstellungen vorgenommen, zu denen sich weitere 135 »verbindliche Zusagen« gesellen. Zusätzlich seien weitere 1336 Lehrkräfte befristet für das neue Schuljahr eingestellt, darunter 926 Seiteneinsteiger. Sie können nach einer 18-monatigen Schnellausbildung in Brandenburg mit der Verbeamtung rechnen. Mit 3900 Seiteneinsteigern ist jetzt fast jeder fünfte im Bundesland tätige Pädagoge ohne die reguläre pädagogische Ausbildung. Ebenfalls nur jeder fünfte Lehrer arbeitet bis zum gesetzlichen Rentenalter, alle übrigen gehen vorzeitig in Pension. Freiberg stellte das Projekt 63plus vor, mit dem er Lehrkräfte dazu überreden möchte, länger tätig zu sein als bis zum Alter von 63 Jahren.

Den Ergebnissen einer Jugendstudie zufolge nimmt der Spaß am Lernen ab und der Stress beim Lernen nimmt zu. Auch schwänzen Schüler häufiger den Unterricht, »sowohl stunden- als auch tageweise«. Freiberg sieht darin Spätfolgen der Corona-Einschränkungen.

Die Zusicherung, die Studentenafel sei abgesichert, ist für die oppositionelle Landtagsabgeordnete Kathrin Dannenberg (Linke) zu hinterfragen. »In Potsdam oder im Speckgürtel ist das sicher kein Problem«, meint sie. Anders sehe es im ländlichen Raum aus, beispielsweise in Forst in der Lausitz. Die Absicherung der Stundentafel sei offenbar auch nur um den Preis zu haben, dass es keine individuelle Förderung und keine Arbeitsgemeinschaften mehr geben werde. Um Abiturienten für den Lehrerberuf zu gewinnen, müsse ein Stipendium vom ersten Semester an angeboten werden, sagte Dannenberg. Ihr zufolge sind derzeit deutlich mehr als die angegebenen 18 Prozent des Personals Seiteneinsteiger. »Das war die Zahl vom Mai, inzwischen sind ja viel mehr eingestellt.« Die Hoffnungen, mit Seiteneinsteigern aus akademischen Berufen das Problem fehlender Lehrer zu lösen, sollte man nach Einschätzung von Dannenberg begraben. »Seit dem Jahr 2018 sind 1039 von ihnen an die Schulen gegangen, aber nur 439 sind dauerhaft ins Lehramt übernommen worden.«

Was Minister Freiberg anbiete, stelle keine überzeugende Lösung der
Vielzahl an Problemen dar. Vor allem die Basisfähigkeiten in den Fächern Mathematik und Deutsch seien in der Grundschule ungenügend. »Diese Kinder werden versetzt und nehmen die Defizite in die höheren Klassen mit«, sagte Dannenberg. Dem könne man nur begegnen, wenn den Kindern die Möglichkeit geboten werde, »jeden Tag Mathe und Deutsch zu üben«. In der Grundschule entscheide sich alles weitere. Bereits am Mittwoch wurden die Bildungsbefunde für Berliner Schüler veröffentlicht, die aus Dannemanns Sicht »unterirdisch« ausfallen. »Und in Brandenburg wird es ähnlich aussehen.«

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