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Klimawandel in der Karibik: »Uns fehlt das Wasser«
Karlis Noel über seine Vergangenheit als Fischer, seinen Erfindungsreichtum und die Folgen des Klimawandels für den Karibikstaat Santa Lucia
Herr Noel, wie wird ein Fischer zum Erfinder?
Den Antrieb, neue Dinge zu entwickeln, hatte ich schon ganz früh. Und es war auch ein ganz fischertypisches Problem, das mich zum Magellan-Projekt inspirierte. Denn beim Fischen suchen wir immer nach irgendetwas, das auf dem Wasser schwimmt. Ein Stück Holz oder ein Trümmerteil. Alles, was lange genug im Wasser liegt, zieht Fische an. Das Problem ist nur: Auf dem weiten Ozean erkennt man solche kleinen Gegenstände schwer. Wir verbrauchen viel Treibstoff, um danach zu suchen. Im Laufe der Jahre haben Fischer deshalb ein Gerät entwickelt, das oben eine Boje hat und unten auf dem Meeresboden verankert ist. Das macht die Ortung einfacher. Aber es gibt immer noch Probleme, denn manchmal zieht die Strömung die Boje nach unten und sie verschwindet. Ich sagte mir damals: Warum nicht etwas mit Motoren bauen und auf dem Wasser schwimmen lassen? Man kann es kontrollieren, weiß, wo es ist, und verbraucht nicht unnütz Treibstoff. Man kann es auch mit Sensoren ausstatten, die noch weitere Daten über das Meer und die Bewegungen der Fische sammeln.
An welche Daten denken Sie?
Mit einem Sonargerät können wir Bodenscans vom Ozean machen. Wir schicken Sonden zum Mars, aber wir haben keine Ahnung, was auf unserem Planeten auf dem Meeresboden los ist – das ist, als würden wir unseren Planeten einfach aufgeben. Wir können mit den Scans auch alle Lebewesen zwischen Meeresoberfläche und Meeresboden erfassen. Das ermöglicht uns zu erkennen, warum wir keine Fische fangen.
Sind es denn weniger Fische geworden?
Sie beißen nicht mehr so häufig, und sie bewegen sich anders. Das hat mit den erhöhten Temperaturen zu tun und auch mit der Versauerung des Meeres durch die Chemikalien, die dort eingeleitet werden. Um zu verstehen, wie die Fischschwärme sich jetzt bewegen, möchte ich einen Biomasse-Sensor installieren und auch ein Hydrofon, um das Pfeifen der Wale zu hören. Früher habe ich auch als Walbeobachter gearbeitet, und ich liebe diese Tiere. Des Weiteren soll das Magellan-System als Wetterstation dienen, mit Messungen von Temperatur und Luftdruck. Und auch den pH-Wert zur Ermittlung der Versauerung des Meeres können wir messen. Über Kameras wollen wir die Höhen von Meereswellen erfassen. Das ist einerseits notwendig, damit das System selbst navigieren und hohen Wellen sowie Schiffen und anderen Hindernissen selbstständig ausweichen kann. Zugleich will ich die Wellenmessungen in ein Tsunami-Warnsystem einfließen lassen. Aktuell bekommen wir die Daten meist aus dem Ausland, da gibt es also Verzögerungen. Eine eigene lokale Wetterstation würde Zeit sparen. Und ich will die Warnungen auch nicht erst über Sirenen, sondern direkt über das Mobilfunknetz verbreiten. Man lädt nur eine App auf das Gerät, und schon hat man die Warnung, wenn eine Gefahr besteht.
Das klingt praktisch und pragmatisch. Wieso gibt es ein derartiges Warnsystem auf Mobilfunkbasis nicht schon, seit es Mobiltelefone gibt?
Vielleicht, weil sich noch niemand darüber Gedanken gemacht hat – weil noch nicht von der Basis aus gedacht worden ist, von den Leuten her, für die solche Sachen sinnvoll und notwendig sind. Die meisten Ingenieure und Wissenschaftler haben eine formale Bildung. Sie halten sich an das, was in den Büchern steht. Und deshalb sehen sie manches Problem gar nicht. Bevor ich richtig am Magellan gearbeitet habe, baute ich hier in Laborie an einer Mehrwasserentsalzungsanlage, die über Solarzellen angetrieben wird. Denn wir haben hier ein ernsthaftes Wasserproblem. Tragischerweise haben wir kein Wasser, wenn es regnet, und wir haben auch keins in der Trockenzeit.
Das bedeutet, es herrscht Wassermangel in der Regenzeit?
Wenn es viel regnet, dann ist in den Flüssen und Bächen sehr viel Sand. Diese Sedimente können die Filteranlagen nicht bewältigen. Deshalb werden die gesamten Anlagen einfach abgestellt. Dadurch geht viel Wasser verloren. Also habe ich gedacht, dass eine Anlage zur Umwandlung von Meer- in Süßwasser gut wäre.
Mittlerweile gibt es auf der Pazifikinsel Nauru genau diese Anlage. Wie kam es dazu?
Auf Nauru gibt es keine einzige Süßwasserquelle, und die konventionellen Entsalzungsanlagen waren außer Betrieb. Da wurde ich angesprochen. Ein Mann auf Nauru hat mir ein Foto geschickt, auf dem zu sehen ist, wie er mangels Süßwasser seinen Schweinen Meerwasser zum Trinken gibt. Das war einfach schrecklich. Also habe ich die Anlage nach Nauru geschickt, wo sie heute noch in Betrieb ist. Ich habe übrigens auch eine Trockenanlage für Obst, Gemüse und Feldfrüchte gebaut, die bei den Bauern in der Umgebung im Einsatz ist.
Wie sind Sie überhaupt zu einem technisch so versierten Menschen geworden? Ich habe gehört, dass Sie die Schule früh verlassen und nie eine Universität besucht haben. Wie geht das?
Es stimmt, ich bin früh aus der Schule raus. Aber ich habe online diverse Universitätskurse abgeschlossen, zu Robotik, Thermodynamik und anderen Themen. Angefangen hat es eigentlich damit, dass mein Vater als Operator in einem Kraftwerk gearbeitet hat. Ich bin mit seinen Physikbüchern aufgewachsen. In der Schule gab es einige Schwierigkeiten, denn ich habe anders gelernt als die anderen Kinder. Ich muss die Sachen in den Händen halten, am besten sie auseinandernehmen, um sie zu verstehen. Die einfachste Mathematik in der Schule hat mich verrückt gemacht. Aber als ich etwa zehn Jahre alt war, verstand ich bereits, wie die Kernfusion funktioniert. Ich habe auch einen Laser gebaut und Experimente von Newton und Tesla und all diesen berühmten Wissenschaftlern nachgestellt. Ich hatte auch ein Radioteleskop. Aufgrund dieser eigenen Erfahrungen möchte ich auch eine Art Schule aufbauen.
Eine richtige Schule?
Wir nennen es »Kids in Science«. Die Kinder sollen hier experimentieren können. Lehrer werden sie unterrichten. Aber es wird vor allem praktisch sein – für Kinder gedacht, die so sind, wie ich früher war.
Welche Art von Veränderungen aufgrund des Klimawandels haben Sie hier in St. Lucia bisher beobachtet?
In meiner Kindheit waren die Korallenriffe noch intakt und es gab viel mehr Fische. Jetzt ist das Riff sehr fragil. Das ist ein großes Problem, denn es hält die Wellen nicht mehr davon ab, ins Landesinnere zu kommen. Dass das Riff bröckelt, liegt aber auch daran, dass viel Abwasser ins Meer kommt, was zu einer Veränderung des pH-Wertes führt, was wiederum die Fischschwärme beeinflusst.
Haben Sie Lösungen im Sinn?
Eine ist das Magellan. Wenn das Gerät draußen ist, erzeugt es viele Daten, die helfen zu erkennen, wie die Situation ist. Ich habe auch an den Bau von Sedimentfallen in den Mündungen der Flüsse gedacht.
Was bedeutet das?
Damit können wir verhindern, dass Chemikalien ins Meer gelangen. Es ist eine Art Filter. Das Traurige ist, dass wir früher natürliche Sedimentfallen hatten. Bevor das Wasser aus den Flüssen ins Meer floss, sammelte es sich in kleinen natürlichen Becken. Mikroben hatten Zeit, viele Stoffe zu zersetzen. Aber irgendeiner von diesen Schulingenieuren kam und baute Betonröhren, die den Fluss direkt ins Meer leiten. Damit können sich die Chemikalien nicht mehr absetzen, und die Mikroben haben keine Zeit, sie zu zersetzen. Und natürlich würde ich auch versuchen, das Riff neu mit Korallen zu bepflanzen.
Karlis Noel, 47, verließ früh die Schule und arbeitete als Fischer, Walbeobachter und Touristenführer. Über eigenes Experimentieren und Online-Kurse an Universitäten wurde er zu einem Erfinder, dessen Ideen den Weg von der Karibik bis zum Pazifikstaat Nauru fanden.
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