- Politik
- Trend-Online-Zeitung
Infopartisan: Pioniere des Internetaktivismus
Karl-Heinz Schubert digitalisiert das Archiv der Trend-Online-Zeitung
Wer sich über die linke Bewegungsgeschichte informieren will, braucht schon lange nicht mehr in staubigen Aktenordnern blättern. Ein Großteil seltener Flugblätter und Aufrufe, die auch viele Autor*innen schon längst vergessen haben, ist archiviert. Eine wahre Fundgrube ist dabei das virtuelle Geschichtsbuch der Onlinezeitung Trend, das von Karl-Heinz Schubert laufend aktuell ergänzt wird. In den nächsten Wochen sollen dort Informationen zur Neuen Antikapitalistischen Organisation (NAO) erscheinen, die sich 2016 selbst als gescheitert bezeichnete.
Schubert gehörte zum kleinen Gründungsteam des linken Internetprojekts Trend-Infopartisan. Als es 1995 online gegangen sei, sei es aus der Not geboren gewesen, erinnert sich Schubert im Gespräch mit »nd«. Es sei von einem Kreis von linken Lehrer*innen, die in der außerparlamentarischen Linken nach 1968 aktiv und in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) organisiert gewesen seien, gegründet worden. Dabei sei vor allem in Westberlin der Vorstand sehr eng mit der SPD verbunden gewesen und habe für außerparlamentarische Linke wenig Sympathien gehegt.
Konflikte mit der GEW
Das bekam der Kreis um Schubert zu spüren, der 1985 unter dem Titel Trend eine Zeitung der GEW-Kreuzberg herausbrachte. Immer wieder gab es mit dem GEW-Vorstand Auseinandersetzungen um die Inhalte. Die Konflikte eskalierten, als der Kreuzberger Vorstand eine Trend-Ausgabe einstampfen ließ, weil die linken Gewerkschafter*innen rassistische Praktiken eines Schulrats kritisiert und migrantische Schüler*innen unterstützt hatten, die davon betroffen waren. Auch die weitere Finanzierung der Zeitschrift wurde eingestellt.
Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.
Daraufhin wurden die linken Lehrkräfte unfreiwillig zu Pionier*innen eines linken Internetaktivismus, der ab Ende der 90er Jahre für viele junge Linke selbstverständlich wurde. »1995 sagten uns noch alle, dass wir als Zeitung im Netz kaum wahrgenommen und bald verschwinden würden«, erinnert sich eine Mitbegründerin. Das Gegenteil trat ein, wie das Archiv der Trend-Onlinezeitung auf der Plattform Infopartisan zeigt.
Fundgrube der Berliner 68er
Denn online erweiterte das Projekt nicht nur schnell den Kreis seiner Leser*innen. Auch inhaltlich entwickelte es sich zu einem Forum der außerparlamentarischen Linken mit all ihren unterschiedlichen Spektren. Dort wurden auch zu Themen, über die außerparlamentarische Linke heftig zerstritten waren, unterschiedliche Standpunkte veröffentlicht. So finden sich dort noch heute die gegensätzlichen Stellungnahmen zur linken Antisemitismusdebatte. Und auch über die heute kaum noch relevante Frage, welche politischen Gruppen auf der revolutionären 1. Mai-Demonstration in Berlin-Kreuzberg teilnehmen sollten und welche aus welchen Gründen unerwünscht seien, kann man viel erfahren.
Weil die Verantwortlichen von Infopartisan in unterschiedlichen Spektren der außerparlamentarischen Linken nach 1968 in Westberlin aktiv waren, ist die Plattform auch zur Fundgruppe von Dokumenten aus dieser Zeit geworden. Und damit auch zur guten Quelle für Autor*innen, die sich mit der linken Bewegungsgeschichte nach 1968 befassen. Doch Karl-Heinz Schubert will mit seinem ambitionierten Projekt, die Geschichte einer linken Internetplattform zu schreiben, in erster Linie Linke ansprechen. Sie sollen über die Geschichte, die Erfolge, aber auch die Fehler und Niederlagen informiert werden. Schubert ist überzeugt, dass eine gesellschaftliche Linke nur eine Zukunft hat, wenn sie den Klassenkampf nicht vergisst, ohne andere Unterdrückungsverhältnisse zu vernachlässigen. Dazu sei es auch wichtig, zu lesen, was bisher diskutiert worden sei und welche Organisationsversuche es gegeben habe, sagt er. Das ist im Onlinearchiv möglich.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.