Die neue Kindergrundsicherung: Fördern und fordern gegen Armut

Die Ampel plant nur 2,4 Milliarden für die Kindergrundsicherung – Erwerbslose sollen nicht profitieren

Fast freundschaftlich gaben sich Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und der FDP-Finanzminister Christian Lindner, als sie am Montag gemeinsam die Ergebnisse ihrer Verhandlungen zur Kindergrundsicherung vorstellten. Ein ungewohnter Anblick. Denn die beiden hatten sich über Wochen hinweg verbissen über das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderarmut gestritten. Am späten Sonntagabend kam es dann zu einer Einigung zwischen FDP, Grünen und SPD. Mit 2,4 Milliarden Euro für das Jahr 2025 bekommt Paus aber nur einen Bruchteil der 12 Milliarden, die sie ursprünglich gefordert hatte. Lindner war mit einem Angebot von zwei Milliarden Euro in die Verhandlungen gegangen und geht somit als klarer Sieger aus dem Konflikt hervor.

Dennoch äußerte sich die Familienministerin zufrieden über den Kompromiss. Nach Jahrzehnten der Diskussion sei es diese Bundesregierung, die eine Antwort auf Kinderarmut in Deutschland gefunden habe, sagte die Grünen-Politikerin. Das Ergebnis sei die umfassendste Sozialreform seit vielen Jahren. »Bis zu 5,6 Millionen armutsbedrohte Familien und ihre Kinder bekommen dadurch die Leistungen schneller, einfacher und direkter.« Darunter seien auch Millionen, die vorher gar nicht wussten, dass ihnen die staatlichen Leistungen zustehen.

Ab 2025 sind demnach 2,4 Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung eingeplant. Mit ihr sollen Leistungen für Familien wie das Kindergeld, der Kinderzuschlag und weitere Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder zusammengefasst werden. Für viele Familien wird es außerdem eine Leistungserhöhung geben.

Lindner geht davon aus, dass der Bund nach der Kindergrundsicherung mehrere Jahre keine vergleichbaren Projekte mehr finanzieren kann. Die Kindergrundsicherung werde 2025 rund 400 Millionen Euro mehr kosten als bisher geplant. »Das erhöht den Handlungsbedarf, den wir im Haushalt 2025 haben werden, weiter«, sagte er. »Weshalb ich die Prognose wage, dass es sich bei der Kindergrundsicherung mit Blick auf die nächsten Jahre um die letzte größere Sozialreform handelt, die noch in den Haushaltsrahmen des Bundes passt.« Zudem betonte der FDP-Chef, dass es keine Leistungsverbesserungen für Eltern geben werde, die nicht erwerbstätig sind. Der beste Weg, Armut zu überwinden, sei Arbeit. Besonders wichtig sei es Lindner gewesen, das Prinzip »Fördern und fordern« zu erhalten. Das habe er auch erreicht.

Lindners Wachstumschancengesetz könnte nun bei der an diesem Dienstag beginnenden Koalitionsklausur in Meseberg beschlossen werden. Paus hatte in der vergangenen Woche das FDP-Projekt mit ihrem Veto im Bundeskabinett blockiert, um dafür mehr Geld für ihre Kindergrundsicherung zu bekommen.

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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) begrüßte die Verständigung, wie der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner sagte. Scholz sei sich sicher gewesen, bis Ende August zu einer Einigung zu kommen, und das sei so gelungen.

Kinderschutzorganisationen zeigten sich dagegen unzufrieden mit der Einigung. »Das, was die Bundesregierung vorschlägt, ist enttäuschend. Das ist keine Kindergrundsicherung«, kommentierte die Präsidentin des Kinderschutzbundes, Sabine Andresen, am Montag. Zwar sei zu begrüßen, dass künftig der Anspruch für den Kinderzuschlag für erwerbstätige Eltern automatisiert geprüft werde. Auch sei es ein gutes Signal, dass die schwierige Situation von Alleinerziehenden in den Fokus genommen werde. »Darüber hinaus bleibt das Konzept aber mutlos und schafft nicht den erhofften Beitrag zu Bekämpfung der Kinderarmut«, erklärte Andresen.

Auch Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, kritisierte, »die Kindergrundsicherung nach jetzigem Planungsstand ist nicht der erhoffte große Wurf, der die Kinderarmut in Deutschland umfassend und nachhaltig beseitigt«. Sogar Paus musste am Montag auf die Frage, ob sie angesichts der großen Differenz zu ihrer ursprünglichen Wunschzahl wirklich zufrieden sei, eingestehen: »Um tatsächlich die Kinderarmut abzuschaffen, bräuchte es einen größeren Impuls.« Laut einer Erhebung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes liegen die jährlichen Nettokosten für eine umfassende Kindergrundsicherung bei 20,5 Milliarden Euro.

Auch Die Linke kritisierte die jetzigen Pläne der Koalition. »Die Einigung der Ampel hat nichts mit der vernünftigen und notwendigen Idee einer Kindergrundsicherung zu tun und ist kein Neustart der Familienförderung«, sagte Fraktionschef Dietmar Bartsch. Mit 2,4 Milliarden Euro könne man Kinderarmut nicht relevant bekämpfen. Aus Sicht von Bartsch hat sich Christian Lindner »auf ganzer Linie« durchgesetzt.

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