• Politik
  • Aserbaidschan und Armenien

Die Lage in Bergkarabach spitzt sich zu

Immer mehr Menschen fliehen aus der blockierten Region

  • David X. Noack
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer kann, der flieht aus Bergbakarabach (Arzach). Über 300 Menschen haben nach Medienberichten die völkerrechtlich aserbaidschanische, aber armenisch besiedelte Region in der vergangenen Woche verlassen, viele davon mit russischen Pässen. Baku dürfte das recht sein. Seit aserbaidschanische Soldaten Bergkarabach im Dezember 2022 von der Außenwelt abgeschnitten haben, dürfen nicht einmal mehr Hilfslieferungen wie von Frankreich dieser Tage oder die russischen Friedenstruppen in die Region.

Bergkarabachs Präsident tritt zurück

Ganz im eigenen Interesse erlaubt Baku zwar die Ausreise aus Bergkarabach, trotzdem nehmen aserbaidschanische Truppen immer wieder Armenier am Checkpoint im Latschin-Korridor fest – als eine Art Machtdemonstration. Diese Woche traf es beispielsweise drei Studierende, die in Begleitung russischer Friedenstruppen waren. Als die Festnahme und die Anordnung einer zehntägigen Haft publik wurde, kam es in der armenischen Hauptstadt Jerewan zu Protesten vor der russischen Botschaft.

Teller und Rand – der Podcast zu internationaler Politik

Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.

In Bergkarabach nimmt die Verzweiflung derweil zu. Am Montagabend demonstrierten Hunderte Menschen auf dem Platz der Wiedergeburt in der Hauptstadt Stepanakert. Der im Mai 2020 gewählte Präsident der De-facto-Republik, Arajik Harutjunjan, trat vor die Menschenmenge und erklärte, dass er über einen Rücktritt nachdenke. Er werde sich vielleicht der lokalen Miliz anschließen und mit der Waffe seine Heimat verteidigen – angesichts der militärischen Übermacht Aserbaidschans keine rosige Perspektive. Harutjunjan erklärte auch, dass mittlerweile jeder dritte Tod in Bergkarabach in Zusammenhang mit Mangelernährung stehe. Durch die Blockade fehlen Medikamente und Nahrungsmittel, die Geschäfte sind fast leer. Nur drei Tage später, am Donnerstag, legte Harutjunjan sein Amt nieder.

Frankreich versucht zu vermitteln

Im Oktober 2022 hatte die EU eine zivile Mission (Eumcap) an die armenisch-aserbaidschanische Grenze geschickt, um abzusichern, dass die Truppen Bakus wenigstens nicht die international anerkannten Grenzen Armeniens verletzen. Im Januar löste die EU-Mission in Armenien (Euma) unter Leitung des deutschen Bundespolizisten Markus Ritter erstere ab. Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, vermittelt parallel. Dem Belgier wird in Brüssel nachgesagt, dass er auf einen Friedensnobelpreis schiele. Deswegen forciere er eine Verhandlungslösung, die am Ende auf eine Verrechtlichung der ethnischen Säuberung der Armenier hinauslaufe. Die jungen Leute sollen vertrieben werden und nur ein paar Ältere bleiben, damit die Bakuer Regierung behaupten kann, sich um die Minderheit zu »kümmern«.

Angesichts der katastrophalen Entwicklungen gibt es in der EU auch Gegenbewegungen. Am Montag forderte die grüne österreichische Parlamentsabgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic, die EU solle ihren Handel mit Aserbaidschan einstellen. Am Dienstag telefonierte der französische Präsident Emmanuel Macron zunächst mit dem armenischen Präsidenten Nikol Paschinjan wegen der humanitären Katastrophe in Bergkarabach. In einem weiteren Gespräch mit dem aserbaidschanischen Machthaber Ilham Alijew erklärte der, er werde den Latschin-Korridor freigeben, sobald die Straße von Stepanakert nach Ağdam befahrbar sei, die angeblich von Armenien sabotiert werde.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.