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Geld fehlt eher als Getreide

US-Bericht untersucht die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Ernährungssicherheit

  • Julian Hitschler
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Situation auf dem Weltmarkt hat sich entspannt, doch viele Länder haben Schwierigkeiten, Importe zu finanzieren: Getreideerntre nahe Goslar
Die Situation auf dem Weltmarkt hat sich entspannt, doch viele Länder haben Schwierigkeiten, Importe zu finanzieren: Getreideerntre nahe Goslar
Teller und Rand – der Podcast zu internationaler Politik

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Die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Welternährungssicherheit waren signifikant – vor allem in den ersten Monaten des Konflikts. Zu diesem Schluss kommt ein neuer Bericht der US-Sicherheitsbehörden. Anders als oft dargestellt, so das Papier der Direktion der Nationalen Sicherheitsdienste, waren dafür jedoch nicht in erster Linie direkte Blockaden und sonstige Beschränkungen der ukrainischen Getreideexporte verantwortlich. Die wichtigsten Auswirkungen des Krieges auf die Ernährungssituation waren das Resultat mittelbarer wirtschaftlicher Effekte.

Der Bericht, der nicht der Geheimhaltung unterliegt, konstatiert, der russische Angriff auf die Ukraine habe zu Unterbrechungen von Lieferketten und höheren Lebensmittelpreisen geführt. Besonders markant sei aber der »unmittelbare und rapide« Preisanstieg bei landwirtschaftlichen Produktionsgütern wie Düngemitteln und Treibstoff gewesen.

Erdgas, dessen Preis nach Ende der russischen Lieferungen durch Pipelines nach Europa zeitweise um ein Vielfaches anstieg, ist Grundstoff bei der Herstellung von Ammoniak und Harnstoff, wichtige Bestandteile vieler Düngemittel. Preise für Stickstoffdünger stiegen zur Jahresmitte 2022 auf den höchsten Stand seit 2008. Auch der Ölpreis war nach Kriegsbeginn auf über 100 Dollar pro Barrel geklettert. Hinzu kamen schlechte Ernten in Nord- und Südamerika sowie im Nahen Osten.

Eine Kombination von Faktoren führte laut dem Bericht dazu, dass sich die Nahrungsmittelpreise auf dem Weltmarkt wieder stabilisierten und bis Ende vergangenen Jahres trotz des Rückgangs der Lieferungen aus der Ukraine auf Vorkriegsniveau zurückkehrten. Die US-Behörden machen dafür Produktionssteigerungen in anderen Ländern und Anpassungen auf dem Weltmarkt, aber auch das UN-Getreideabkommen verantwortlich, das Exporte über die ukrainischen Häfen am Schwarzen Meer weiter ermöglichte. Die Korrektur auf dem Weltmarkt führte jedoch nicht dazu, dass sich die Preise für Konsumentinnen und Konsumenten überall normalisierten: Gerade in vielen armen Regionen verharren sie weiterhin auf hohem Niveau.

Der Bericht macht auch hierfür Gründe aus: Die Kosten für arme Staaten, ihre Nahrungsmittelimporte zu finanzieren, sind deutlich gestiegen. »Die Kombination aus hohen Nahrungsmittelpreisen im Inland und der historisch hohen Staatsverschuldung in vielen Ländern – verursacht durch Ausgaben und Rezessionseffekte im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie – hat die Fähigkeit vieler Länder geschwächt, auf gestiegene Versorgungsunsicherheiten bei Nahrungsmitteln zu reagieren«, so die Analyse.

Eine Unterscheidung zwischen den unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen des Krieges ist also wichtig. Obwohl die Weltmarktpreise für Getreide sich wieder entspannt haben, bedeuten die gestiegenen Zinskosten, dass es für viele Länder trotzdem weiterhin schwierig ist, die notwendigen Devisen für Nahrungsmittelimporte zu beschaffen. Daran haben auch die Notenbanken weltweit, allen voran die Federal Reserve, und ihre Versuche der Inflationsbekämpfung ihren Anteil. Die US-Sicherheitsbehörden sind natürlich keine neutralen Beobachter, doch der Bericht spricht diese Kombination aus Faktoren recht offen an.

Darüber hinaus erheben die US-Geheimdienste aber auch schwere Vorwürfe gegenüber dem russischen Militär. Getreide aus ukrainischen Beständen sei konfisziert und für eigene Exporte genutzt worden. Die russische Verwaltung der Krim habe im Sommer 2022 bestätigt, dass Getreide aus den Regionen Cherson und Saporischschja auf die Krim transferiert werde, vermutlich für den Export. Das Getreide sei von russischen Schiffen transportiert worden, die oft entlang der türkischen Küste gefahren seien. Ziel der Lieferungen seien die syrischen Häfen Latakia und Tartus, Haifa in Israel, ebenso wie Häfen im Iran, in Georgien und im Libanon gewesen.

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