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»Alles Ungenaue vom Mond wissen wir schon«
Wieviel Wissenschaft und wieviel Jagd nach Prestige steckt in den neuen Mondflugprogrammen von USA bis Indien?
Dieser Tage gab es zwei Mondprojekte: Eine russische Sonde ist abgestürzt, eine indische sauber gelandet. Wie weit geht es bei solchen Projekten um Prestige, wie viel wissenschaftlicher Nutzen ist zu erwarten?
Prestige ist sicherlich ein Punkt. Gerade wenn zwei Länder es gleichzeitig versuchen. Wissenschaftlich ist interessant, ob in der Gegend um den Südpol des Mondes tatsächlich Wassereis vorhanden ist. Dort gibt es Krater, die tief, dunkel und kalt genug sind für Eis.
Was wäre der praktische Nutzen?
Wenn du eine bemannte Station bauen willst, brauchst du Sauerstoff. Der ließe sich aus Wasser gewinnen. Überhaupt braucht der Mensch bekanntlich Wasser zum Überleben.
Als Universalgelehrter der nd.Redaktion weiß der Wissenschaftsjournalist Dr. Steffen Schmidt auf fast jede Frage eine Antwort – und wenn doch nicht, beantwortet er eben eine andere. Alle Folgen zum Nachhören auf: dasnd.de/schmidt
Auch als Treibstoff?
Sicher, bei der Wasserspaltung wird auch Wasserstoff frei. Die derzeit spekulative Frage ist, ob es sich lohnen würde, auf dem Mond oder auch auf erdnahen Asteroiden Rohstoffe zu gewinnen, die auf der Erde langsam rar werden.
Das wäre vorerst ein schlechtes Preis-Leistungs-Verhältnis, oder?
Genau. Andererseits, wenn ich sehe, für welch teils winzige Anteile an wertvollen Rohstoffen halbe Länder umgegraben werden, ist es auch auf der Erde mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis schwierig. Das sieht nur gut aus, solange die Umwelt nicht eingepreist wird.
Warum kann man nicht von Satelliten oder der Erde aus prüfen, ob es Wasser oder Eis gibt? Man kann doch auch von hier aus sehen und berechnen, ob ein ferner Planet einen siebenten Mond hat.
Weil wir nur die Oberfläche sehen. Das sind viel gröbere Informationen als das, was wir vom Mond wissen wollen – nicht nur, ob es dort Wasser oder Eis gibt, sondern auch, wie viel. Wenn man das genau wissen will, muss man hinfliegen. Alles, was ungenau hinzukriegen ist, wissen wir schon.
Die russische Mondmission ist missglückt, die letzte indische war auch schiefgegangen. Muss man bei solchen Projekten immer mit einer ziemlichen Pannenquote rechnen?
Gewiss. Der Hersteller der russischen Sonde gab die Erfolgsaussichten meines Wissens mit 80 Prozent an, der Chef von Roskosmos mit 70 Prozent, einige Fachleute kalkulierten fifty-fifty. Seit dem Ende der Sowjetunion war keine russische Raumfahrtmission außerhalb der Erdumlaufbahn erfolgreich. Das hat, denke ich, auch mit der Unterfinanzierung zu tun. Und damit, dass in den 90er Jahren genau deshalb viele jüngere Fachleute abgewandert sind. Ich las mal in einem Bericht über das Institut für Kosmosforschung in den 90ern, das Durchschnittsalter der Wissenschaftler dort liege bei 70 Jahren. Die Finanzierung hat sich zwar in den 2000ern etwas gebessert, aber ein Problem ist sie weiter. Und der Krieg macht es noch schwieriger.
Wirken hier die westlichen Sanktionen?
Das ist schwer einzuschätzen. Die Raumfahrtunternehmen bauen ohnehin nie die modernsten Chips ein. Die sind inzwischen viel zu empfindlich und müssten aufwendig gegen kosmische Strahlung geschützt werden, was das Gewicht erhöht. Insofern kann ich mir vorstellen, dass die in Russland verfügbare Technik ausreicht. Allerdings war die Mondmission ursprünglich eine Kooperation mit der westeuropäischen Weltraumagentur Esa, und die hat nach dem Einmarsch der Russen in die Ukraine die Kooperation beendet. Da dürften Probleme entstanden sein.
Neben dem Wasser: Welche wissenschaftlichen Fragen kann uns der Mond beantworten?
Erstens technische Fragen, die bei interplanetaren Flügen von Interesse sind. Dann gibt es die Idee, auf der Mondrückseite Teleskope aufzubauen. Die könnten viel größer sein als fliegende Teleskope wie Hubble. Die Sicht wäre auch deshalb viel besser, weil man vom Mond durch ein Beinahe-Vakuum ins Weltall guckt. Und drittens gibt es Pläne für eine bewohnte Station. Vielleicht auch als Transitbasis für Flüge in Richtung Mars.
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