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Ukraine wechselt Verteidigungsminister aus
Der Krimtatare Rustem Umerow soll für Kiew die Schwarzmeerhalbinsel zurückholen
Bis zuletzt hatte Olexij Resnikow Kritik an der aus Kiewer Sicht schleppend verlaufenden Offensive gegen die russischen Besatzungstruppen im Süden des Landes von sich gewiesen. Dass sich Washington sehr deutlich unzufrieden zeige, sei nicht wahr, vielmehr laufe »alles nach Plan«, durfte Resnikow Ende August in die Notizblöcke der »Bild« zitieren. Dabei stand die Ablösung des Verteidigungsministers bereits im Februar zur Debatte. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass die Armee Lebensmittel zu deutlich überhöhten Preisen einkaufte. Vizeverteidigungminister Wjateschlaw Schapowalow musste seinen Stuhl räumen. Für Resnikow hatte David Abrachamija, Fraktionsvorsitzender der Präsidentenpartei Diener des Volkes mit dem Leiter des Militärgeheimdienstes Kyrylo Budanow bereits einen Nachfolger parat.
Resnikow durfte trotzdem bleiben. An einen freiwilligen Rücktritt dachte Resnikow damals nicht. Zurücktreten wolle er erst, wenn ihn Präsident Wolodymyr Selenskyj dazu auffordere, sagte er damals und fügte hinzu, dass kein Beamter »ewig im Amt« bleibe. Gegner der Demission hatten damals von einem »Risiko gegenüber der Ramstein-Gruppe« und der Angst vor einer neuen russischen Offensive gesprochen.
Resnikow hat vom Westen Waffen für 100 Milliarden geholt
Was den Umgang mit den westlichen Unterstützern betrifft, konnte Resnikow aus Kiewer Sicht Erfolge vorweisen. Die Ukraine habe seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 Waffen im Wert von 100 Milliarden US-Dollar aus dem Westen erhalten, erklärte er vor wenigen Tagen in einem Interview mit der Nachrichtenagentur »Ukrinform«. Im Land selbst rissen die Skandale indes nicht ab. Nach den überteuerten Lebensmitteln berichteten Medien von Geldern, die beim Bau von Kasernen veruntreut wurden.
Vor einigen Tagen wurde publik, dass Resnikows Haus eine große Menge Sommer- statt Winterjacken für die bevorstehenden Monate gekauft hatte. Statt aufzuklären, beschwerte sich Resnikow über eine Kampagne, deren Ziel es sei, das »Vertrauen in das Verteidigungsministerium zu einem sehr wichtigen Zeitpunkt zu untergraben«. Allerdings äußerte selbst das Präsidentenbüro zuletzt immer wieder seinen Unmut darüber, dass die ausländischen Waffenlieferungen nicht zu Ende organisiert sind und zeigte deutlich auf das Verteidigungsministerium als Verantwortlichen.
Verteidigungsministerium in viele Skandale verstrickt
Auch die Mobilisierung für die Streitkräfte geriet in den Fokus, nachdem zunächst Videos vom brutalen und rechtswidrigen »Wegfangen« junger Männer mitten auf der Straße auftauchten. Seit mehreren Wochen gehen Sicherheitsbehörden zudem massiv gegen Ärzte und Militärkommissare vor, die gegen Geld Wehruntauglichkeitsbescheinigungen ausstellen. Ein herber Rückschlag für Selenskyjs propagierten Kampf gegen die Korruption und ein Beweis, dass sie in der Ukraine immer noch weitverbreitet ist.
All das führte dazu, dass Selenskyj mitten im Krieg Resnikow nach mehr als 550 Tagen im Amt abberief. Am Sonntagabend präsentierte Selenskyj in seiner täglichen Videobotschaft mit Rustem Umerow einen eher unbekannten Nachfolger. »Das Ministerium braucht neue Zugänge und andere Formate im Umgang mit Soldaten und der gesamten Gesellschaft«, begründete Selenskyj seine Wahl.
Umerows Arbeit bisher skandalfrei
Der 41-jährige Ökonom Umerow zog 2019 für die liberale Partei Holos des bekannten Rocksängers Swjatoslaw Wakartschuk ins ukrainische Parlament ein und wirkte seitdem an mehreren Gesetzen zur Corona-Pandemie und zu »indigenen Völkern der Ukraine« mit. Umerow ist Krimtatare und wurde in Usbekistan geboren, nachdem seine Familie von Stalin 1944 von der Krim nach Zentralasien deportiert wurde. Nach der russischen Invasion gehörte Umerow zur ukrainischen Delegation, die zu Kriegsbeginn mit russischen Vertretern zu verhandeln versuchte. Später vermittelte er mithilfe Saudi-Arabiens einen Gefangenenaustausch. Es könnten die vorerst letzten Gespräche mit russischen Unterhändlern gewesen sein. Die Ernennung Umerows, dessen Wurzeln im Küstenort Aluschta liegen, ist eher ein Zeichen an Moskau, dass Kiew nicht bereit ist, über die Zukunft der Schwarzmeerhalbinsel Krim zu verhandeln.
Außerdem könnte der als intelligent und kompetent beschriebene Umerow die benötigte Ruhe ins Verteidigungsministerium bringen. In einem Jahr als Leiter des Fonds für Staatsvermögen geriet der 41-Jährige kein einziges Mal in Verdacht des Machtmissbrauchs, weder von staatlicher Seite noch von NGOs. Auch Journalisten fanden nichts, was eine größere Recherche rechtfertigen würde. Im aktuellen ukrainischen Regierungsapparat ist Umerow damit eine Ausnahmeerscheinung.
Olexij Resnikow könnte es bald nach London ziehen. Dort ist der 57-Jährige als ukrainischer Botschafter im Gespräch.
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