- Wirtschaft und Umwelt
- »Africa Climate Summit«
Klimagipfel in Nairobi: Afrika fordert Weltfinanzsystem heraus
Afrikanische Länder tragen wenig zum Klimawandel bei, sind aber großen Risiken ausgesetzt
Die Durchschnittstemperaturen auf dem afrikanischen Kontinent steigen. Damit nehmen auch wetter- und klimabedingte Risiken wie Überschwemmungen, tropische Zyklone und anhaltende Dürren zu. Allein im vergangenen Jahr waren 110 Millionen Menschen in Afrika unmittelbar von Wetterextremen, klima- oder wasserbedingten Unwettern und Gefahren betroffen, die mehr als 8,5 Milliarden US-Dollar an wirtschaftlichen Schäden verursachten. Mindestens 5000 Menschen starben. Die Dunkelziffer dürfte deutlich größer sein.
Die Zahlen gehen aus einem Statusbericht zum Zustand des Klimas in Afrika hervor, den die Weltwetterorganisation WMO am heutigen Montag zu Beginn des Africa Climate Summit veröffentlicht hat. »Afrika ist für weniger als zehn Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Aber es ist der Kontinent, der am wenigsten in der Lage ist, mit den negativen Auswirkungen des Klimawandels umzugehen«, erklärte WMO-Generalsekretär Petteri Taalas.
Wenn der Klimawandel nicht eingedämmt wird, werden die nächsten Jahrzehnte und auch schon die kommenden Jahre durch schwere klimabedingte Belastungen für die Wirtschaft, die Lebensgrundlagen und die Ökosysteme auf dem Kontinent geprägt sein, heißt es im WMO-Bericht.
Lesen Sie auch: Stephen Musarurwa kämpft in Afrika gegen den Klimawandel und kritisiert eine eurozentrische Sicht der Umweltbewegung
»Angesichts der hohen Exposition, Fragilität und geringen Anpassungsfähigkeit Afrikas werden die Auswirkungen des Klimawandels voraussichtlich schwerwiegender sein«, erklärte auch Josefa Sacko, Landwirtschaftskommissarin der Afrikanischen Union. »Die Gesundheit der Menschen, der Frieden, der Wohlstand, die Infrastruktur und andere wirtschaftliche Aktivitäten in vielen Sektoren in Afrika sind erheblichen Risiken durch den Klimawandel ausgesetzt«, schreibt sie im Bericht der Weltwetterorganisation.
Zwischen sieben und 15 Milliarden US-Dollar könnten klimabedingte Katastrophen die Länder Afrikas jährlich kosten, schätzt die Afrikanische Entwicklungsbank. Bis 2030 sei sogar ein Anstieg auf 50 Milliarden US-Dollar möglich.
Wie sich die afrikanischen Länder auf die neuen Realitäten der Klimakrise vorbereiten können, ist Thema des Africa Climate Summit, der noch bis Mittwoch in der kenianischen Hauptstadt Nairobi stattfindet. Es ist der erste Gipfel, bei dem sich Regierungsvertreter*innen Afrikas darüber austauschen, wie der Kontinent mit dem Klimawandel umgehen kann und wie die Lebensgrundlagen und die Volkswirtschaften künftig gesichert werden können.
Erklärtes Ziel ist, das Wachstum der afrikanischen Volkswirtschaften durch den massiven Ausbau von erneuerbaren Energien und sauberen Technologien in nachhaltige Bahnen zu lenken. Bislang fließt nur ein kleiner Teil der weltweiten Investitionen in erneuerbare Energien in afrikanische Länder. Dabei ist deren Potenzial dort enorm.
»In der vergangenen Dekade sind nur zwei Prozent der weltweiten Investitionen in erneuerbare Energien nach Afrika geflossen«, schätzt Wangari Muchiri von Africa Wind Power, einer Windkraft-Initiative für den afrikanischen Kontinent. Bislang ist dort lediglich Windenergie mit einer installierten Leistung von 7300 Megawatt verfügbar. Dabei gebe es ein Potenzial von 1,8 Millionen Megawatt, erklärte Muchiri. Eine Studie der International Finance Corporation (IFC), einer Entwicklungsbank der Weltbank-Gruppe, beziffert die technische Windkraftkapazität Afrikas sogar auf über 59 Millionen Megawatt.
Auf dem jetzigen Gipfel wollen die afrikanischen Länder bei der internationalen Gemeinschaft um mehr Investitionen werben – weltweit wurden Länder zur Gipfelteilnahme eingeladen. Außerdem geht es um die Reform des internationalen Finanzsystems, die schon im Juni auf dem Pariser Finanzgipfel besprochen wurde.
Aus Sicht der afrikanischen Staaten benachteiligt das internationale Finanzsystem ihre Länder systematisch, weil sie höhere Zinsen zahlen müssen. Etliche Entwicklungsländer drohen dadurch in eine Schuldenkrise zu rutschen, da ein Großteil ihres Haushaltsbudgets in die Tilgung von öffentlichen und privaten Krediten fließt. Steigende Zinsen haben die Situation zuletzt verschärft.
Kenias Präsident William Ruto, der zu dem dreitägigen Gipfel geladen hat, ist eine der bekannteren Personen, die sich für eine Neuordnung der internationalen Finanzinstitutionen einsetzen. Beim Finanzgipfel in Paris hatte Ruto gefordert, die Länder, die aufgrund wirtschaftlicher Schocks und anderer Herausforderungen mit erheblichen Schuldenproblemen zu kämpfen haben, zu entlasten. Ruto verlangt auch mehr Mittel, mit denen neue Finanzierungsinstrumente für den Klimaschutz aufgelegt werden sollen. Dabei geht es um gezielte Abgaben, um die Abschaffung von Subventionen und eine globale Steuer auf fossile Brennstoffe. Außerdem sollen bestehende Geldtöpfe effizienter genutzt werden.
David Ryfisch von der deutschen Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch sieht in Rutos Vorschlag großes Potenzial: »Der Mix aus globalen Steuern nach dem Verursacherprinzip, Schuldenerleichterungen, der Vermeidung von Investitionen in fossile Strukturen und der Nutzung innovativer Finanzinstrumente kann eine ganze Klimainvestitionswelle auslösen«, erläutert Ryfisch. Der Vorschlag könne alte Machtstrukturen überwinden und zu Mitsprachemöglichkeiten, die dem 21. Jahrhundert entsprächen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!