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Sparprogramm der Ampel: Die Rückkehr der schwäbischen Hausfrau
Der Haushaltsentwurf der Ampelkoalition verordnet allen Ministerien außer dem Militärressort Ausgabenkürzungen
Die FDP, die jegliche Steuererhöhung für Reiche und Unternehmen ablehnt, um das scheue Reh Kapital nicht zu vertreiben, setzt eisern den Rotstift an: Außer dem Verteidigungsministerium müssen alle Ressorts ab dem kommenden Jahr mit teils erheblich weniger Mitteln auskommen. Das jedenfalls sieht der Entwurf für den Bundeshaushalt 2024 aus dem Haus von Bundesfinanzminister Christian Lindner vor. Und SPD wie Grüne scheinen gewillt, sich dem Diktat der »Schuldenbremse« zu beugen, also dem weitgehenden Verbot einer Netto-Neuverschuldung, das seit 2011 im Grundgesetz steht.
In der FDP herrscht fiskalpolitisch die Denkungsart, der einst Wolfgang Schäuble (CDU), Bundesfinanzminister von 2009 bis 2017, zum Durchbruch verhalf. Union wie FDP setzen den Staat mit der berühmten schwäbischen Hausfrau gleich, die nur das ausgeben könne, was sie an regulären Einnahmen hat, und die nicht so leicht einen Kredit bekommt.
Die Jahre, in denen mit »Doppel-Wumms«, Sondervermögen und Co. wegen Coronakrise und der Explosion der Strom- und Heizkosten vor allem die Unternehmen, aber auch Bürger unterstützt wurden, sollen nun endgültig vorbei sein. Die Einsparungen im kommenden Jahr seien »erst der Anfang« beim Abbau der Staatsverschuldung, betonte Lindner am Mittwoch bei der Einbringung des Entwurfs für den Haushalt 2024 im Bundestag.
Geplant sind demnach Ausgaben des Bundes in Höhe von 445,7 Milliarden Euro – mehr als 30 Milliarden weniger als in diesem Jahr. Für Lindner steht vor allem eins fest: Die »Entwicklung des Sozialstaats« müsse »gebremst« werden – zwar nicht durch die Streichung von Leistungen, aber durch mehr »Erwerbsanreize«.
Zugleich sollen die Unternehmen mit dem kürzlich vom Kabinett verabschiedeten »Wachstumschancengesetz« im kommenden Jahr um sieben Milliarden Euro entlastet werden. Der CDU/CSU-Fraktion wie auch der AfD geht das in Sachen Wirtschaftsförderung nicht weit genug, und auch die Kürzungen in allen Bereichen könnten nach Ansicht der Konservativen und der extremen Rechten weitaus beherzter ausfallen.
Lediglich Die Linke fordert weitaus höhere staatliche Ausgaben und vor allem Investitionen in Klimaschutz, Bildung, Verkehrswende. Tatsächlich sind nicht nur im sozialen Bereich, sondern auch bei Klimaschutz und Entwicklungszusammenarbeit sowie bei der beim Auswärtigen Amt angesiedelten humanitären Hilfe drastische Kürzungen vorgesehen. Für letztere soll im kommenden Jahr eine Milliarde Euro weniger (minus 36 Prozent) bereitstehen.
Die Mittel des von Svenja Schulze (SPD) geführten Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) für die Krisenbewältigung werden laut Entwurf um 22 Prozent bzw. 276 Millionen Euro gekürzt. Der Gesamtetat des BMZ schrumpft um fünf Prozent. Die Regierung spare damit »auf dem Rücken von Frauen, Kindern und Kranken« im globalen Süden, monierte die Linke-Abgeordnete Cornelia Möhring.
Die Ausgaben für die Klimaanpassung sollen um ein Drittel gekürzt werden. Auch beim mit der Klimakrise immer wichtiger werdenden Katastrophenschutz sind erhebliche Minderausgaben vorgesehen. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe bekommt laut dem Ampel-Entwurf 23 Prozent, das Technische Hilfswerk zehn Prozent weniger Geld. Die CSU-Abgeordnete und DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt monierte zudem, dass im Haushaltsentwurf Mittel für den Aufbau der geplanten mobilen Katastrophenschutzzentren fehlen, obwohl die Folgen der Flut im Ahrtal im Juli 2021 noch nicht einmal beseitigt seien. Es sei geplant gewesen, an zehn Standorten in großen Lagern Material für solche Notfälle vorzuhalten, sagte Hasselfeldt der »Augsburger Allgemeinen«. Doch bisher sei nur eines vollständig finanziert. Der Aufbau eines Zentrums koste 30 Millionen Euro, im Etat 2024 seien für alle Zentren aber nur neun Millionen vorgesehen.
Einige weitere Beispiele für geplante Kürzungen: Die Mittel für die Bundesfreiwilligendienste sollen um ein Viertel beziehungsweise 53 Millionen Euro reduziert werden. Die für Maßnahmen gegen sexualisierte Gewalt an Kindern vorgesehenen Gelder werden mehr als halbiert. Bei der Umsetzung der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist eine Mittelkürzung um 13 Prozent vorgesehen.
Die Mittel für den Kinder- und Jugendplan des Bundes werden um 44,6 Millionen Euro (minus 19 Prozent) gekürzt, die für die Studienfinanzierung via Bafög um ein Viertel. Nahezu komplett will sich der Bund aus der Finanzierung des Müttergenesungswerks und der Familienferienstätten zurückziehen. Geplant sind Streichungen von je 93 Prozent.
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