Berlin: Bisher nur 600 Anträge für Härtefallfonds Energieschulden

Der Härtefallfonds Energieschulden soll Energiesperren verhindern. Bislang ist das Antragsaufkommen allerdings überschaubar.

Erfüllt der Härtefallfonds Energieschulden seinen Zweck? Bis Ende Juli stellten nur 608 Personen einen Antrag auf Leistungen aus dem Fonds, der bei von den gestiegenen Energiepreisen verursachten sozialen Notlagen helfen soll. Dies geht aus der Antwort des Senats auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus hervor, die »nd« vorliegt. Knapp die Hälfte der Anträge wurde demnach abgelehnt.

Der Härtefallsfonds war eines der letzten größeren Projekte im Bereich Soziales, die der bis April amtierende rot-grün-rote Senat auf den Weg brachte. Der im Januar beschlossene Fonds soll Energiesperren verhindern. Haushalte, deren Energieversorger mit einer solchen Sperre drohen, können beantragen, dass der Fonds die Kosten trägt, die nötig sind, um die Sperre abzuwenden. Das Einkommen der betroffenen Haushalte darf dabei nicht 280 Prozent des Einkommens übersteigen, das nötig ist, um sich für den sozialen Wohnungsbau zu qualifizieren. Die Grenze sei bewusst hoch angesetzt worden, um zu verhindern, dass Haushalte aus der Mittelschicht in eine Schuldenspirale geraten, sagte die damalige Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) bei der Parlamentsdebatte zu dem Fonds.

Im Vorfeld des Beschlusses war befürchtet worden, dass die laxen Berechtigungsgrenzen zu Missbrauch führen könnten. Offenbar ist aber das Gegenteil eingetreten: Bei zuletzt 11 000 Stromsperren und 3000 Sperren für Gas im Jahr 2021 scheint nur eine Minderheit der Betroffenen erreicht worden zu sein. Bei einer durchschnittlichen Auszahlung von 1200 Euro scheint nahezuliegen, dass von den bereitgestellten 20 Millionen Euro weniger als eine halbe Million Euro auch wirklich abgerufen worden.

Abgelehnt wurden Anträge in der Hälfte der Fälle, weil keine schriftliche Androhung einer Energiesperre vorlag. Dazu, wie viele abgelehnte Antragssteller zu einem späteren Zeitpunkt erneut vorstellig wurden, wurden keine Daten erhoben. Andere Anträge wurden abgelehnt, weil der Antragssteller nicht selbst in der Wohnung lebte oder weil es um Energieschulden von Betrieben ging, die von dem Fonds nicht getragen werden.

»Der Härtefallfonds erreicht die Leute nicht, dabei ist es nicht so, dass er nicht gebraucht wird«, kommentiert Taylan Kurt, sozialpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. »Der Senat muss den Fonds weiterentwickeln, um Berliner*innen gegen die zunehmende Armutsgefährdung durch volatile Strompreise zu schützen.« Er wünscht sich, dass der Härtefallfonds bei abgelehnten Anträgen aufsuchend vorgeht. »Wir wissen gerade nicht, was aus den Leuten geworden ist.«

»Der Härtefallfonds wird von den Berlinerinnen und Berlinern gut angenommen«, sagt dagegen Stefan Strauß, Pressesprecher der Senatssozialverwaltung. »Die Hilfe ist eine echte Erleichterung jene Haushalte, die aufgrund der Energiekrise unverschuldet in Not geraten.« Die Zahl der Sperrandrohungen sei geringer gewesen als befürchtet. Nachdem die Abrechnungssysteme der Energieversorger umgestellt wurden, könne die Zahl der Anträge nun aber steigen. Eine erneute Kampagne, um den Fonds bekannter zu machen, sei nicht geplant.

Unklarheit herrscht aktuell noch über die Zukunft des Härtefallfonds. Im Haushaltsplan des schwarz-roten Senats sind gerade mal 1000 Euro für die kommenden Jahre für den Fonds vorgesehen. Tonka Wojahn, Sprecherin für Verbraucherschutz der Grünen-Fraktion, befürchtet daher, dass Schwarz-Rot das Projekt beerdigen könnte. »Die Regierung sollte Sicherheitsnetze stärken, statt sie zu zerreißen«, sagt sie. Stefan Strauß von der Senatssozialverwaltung verweist dagegen darauf, dass der Haushaltsansatz nur ein »Merkposten« sei. Der Senat wolle den Fonds verstetigen. Der zukünftige Umfang des Fonds hänge von den Beratungen im Parlament ab.

Taylan Kurt von den Grünen stellt das nicht zufrieden. Für ihn ist der Merkposten ein »Taschenspielertrick«. Die Zukunft des Fonds sei damit unsicher. Er hätte sich einen Pauschalbetrag im Haushaltsentwurf gewünscht.

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