Biden in Vietnam: Zu Gast beim früheren Feind

USA und Vietnam knüpfen beim Besuch des US-Präsidenten in Hanoi engere Bande

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.

Für US-Präsident Joe Biden ist die kurze Visite auf der Rückreise vom G20-Gipfel in Indien der erste Besuch in Vietnam. Für den Abstecher nach Hanoi hatte Biden auf die letzte Arbeitssitzung in Neu-Delhi ebenso verzichtet wie auf eine Teilnahme an der Beratung der Südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean, zu der er eingeladen war. Dass den einstigen Kriegsgegnern Vietnam und USA der Kontakt so wichtig ist, hängt stark mit dem Aufstieg der neuen Weltmacht China zusammen. Beide wollen den Einfluss der Volksrepublik im Indopazifik eindämmen.

Jeder Amtsvorgänger Bidens seit Bill Clinton war mindestens einmal in dem südostasiatischen Boomland. Erst 1995, 20 Jahre nach dem Ende des Vietnamkrieges, hatten die beiden Länder wieder diplomatische Beziehungen aufgenommen. Als der 80-jährige US-Präsident am Sonntagabend (Ortszeit) in Hanoi eintraf, gab es in der Stadt deshalb großflächige Absperrungen. Für seinen kränkelnden 79-jährigen Gastgeber, Vietnams KP-Chef Nguyen Phu Trong, war für die Begrüßungszeremonie eigens ein Gitter aufgestellt worden, an dem er sich festhalten konnte.

Herausgefordert sehen sich die Vereinigten Staaten durch China zum einen wirtschaftlich. In der Pandemie machten die USA und andere westliche Staaten eine zu starke ökonomische Abhängigkeit von China als Gefahr aus. Etliche Industriebetriebe wurden bereits von dort verlagert, auch nach Vietnam. Beispielsweise lässt Google nun hier statt in Südchina Smartphones produzieren. Hanoi profitiert davon, die Wirtschaft wuchs im vergangenen Jahr um acht Prozent. Das ist eine der höchsten Wachstumsraten weltweit.

»Die Staats- und Regierungschefs werden Möglichkeiten erkunden, das Wachstum einer technologieorientierten und innovationsgetriebenen vietnamesischen Wirtschaft zu fördern, den Klimawandel zu bekämpfen und Frieden, Wohlstand und Stabilität in Vietnam zu erhöhen«, heißt es in der offiziellen US-amerikanischen Regierungserklärung zum Biden-Besuch. Auch für Vietnam liegt der Fokus auf der Wirtschaft und dem Wandel »von der digitalen bis zur grünen Revolution«. Nach China sind die USA für das knapp 100 Millionen Einwohner zählende südostasiatische Land der zweitwichtigste Handelspartner.

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Aber die einstigen Gegner wollen auch militärisch zusammenarbeiten. Auch das hängt mit China zusammen, das weiterhin Gebietsansprüche an seine Nachbarstaaten stellt. So beansprucht China fast das gesamte Südchinesische Meer für sich, auch Teile, auf die Vietnam Anspruch erhebt. Das Reich der Mitte hat dort künstliche Inseln geschaffen, auf denen es nach Erdöl bohrt.

Vietnam will dem Vormachtstreben Pekings mit Aufrüstung Einheit gebieten. Allerdings hat Vietnams größter Waffenlieferant Russland derzeit Lieferschwierigkeiten wegen Eigenbedarfs. Nach Angaben der Denkfabrik Stockholm International Peace Research bezog Vietnam bis 2014 90 Prozent seiner Rüstungsgüter aus Russland, danach ist ein leichter Rückgang zu verzeichnen. 2016 fiel das US-Rüstungsembargo gegen den einstigen Kriegsgegner und 2017 verkauften die USA erstmals ein Patrouillenboot der Küstenwache an Vietnam. Später besuchten mehrfach amerikanische Flugzeugträger vietnamesische Häfen, sehr zum Unwillen Chinas.

Zwei Themen spielen höchstens am Rande eine Rolle: Vietnam fordert von den USA mehr finanzielle Unterstützung bei der Beseitigung der Kriegsschäden. Noch immer sind große Flächen mit Giften verseucht, die die US-Armee eingesetzt hatte. Die USA wiederum erhoffen sich von Vietnam Fortschritte auf dem Gebiet der Menschenrechte und Religionsfreiheit. Vor Besuchen hochrangiger US-Politiker hat Hanoi bisher stets politische Gefangene freigelassen. So auch am vergangenen Freitag: Der Menschenrechtler Nguyen Bac Truyen durfte gemeinsam mit seiner Frau Vietnam verlassen.

Am Montag unterzeichneten die USA und Vietnam ein Abkommen, dass ihre Beziehungen zu einer »strategischen Partnerschaft« aufwertet – die höchste Weihe für zwischenstaatliche Beziehungen überhaupt. In fernöstlichen Kulturen haben solche Formalien großen Wert.

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