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Asylrecht: veräußerlich
Mit Forderungen nach Obergrenzen bei der Aufnahme Geflüchteter oder Kürzung von Sozialleistungen bieten CDU und CSU wie die AfD rechtswidrige Scheinlösungen an
Als Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) diese Woche das Verbot des militanten Neonazinetzwerks »Hammerskins« ankündigte, betonte sie einmal mehr, der »Rechtsextremismus« sei die größte »extremistische Bedrohung für unsere Demokratie«, gegen die man konsequent vorgehen müsse. Innerhalb des Parlaments scheint das insofern nicht zu gelten, als sich die demokratischen Parteien durch die extrem rechte Konkurrenz die Agenda diktieren lassen – insbesondere bei deren Leib- und Magenthema Asyl und Migration. Erst am Donnerstag diskutierte der Bundestag auf Verlangen der AfD eine Stunde lang zum Thema »Massenmigration stoppen – Grenzen sofort schützen«.
Die Töne, die aus CDU, CSU, aber auch aus der FDP und teils aus der SPD dazu zu hören sind, ähneln denen der AfD oft fatal. Zuwanderung wird aktuell, die Omnipräsenz des Themas in Bierzeltreden von Politikern, im Bundestag und in den Medien sorgt dafür, letztlich wieder zur »Mutter aller Probleme« deklariert. Für diese Einordnung hatte Faesers Amtsvorgänger Horst Seehofer einst heftige Kritik von SPD und Grünen geerntet.
Heute dagegen mahnt die Grünen-Kovorsitzende Ricarda Lang die Innenminsterin und den Migrationsbeauftragten Joachim Stamp (FDP), »endlich Fortschritte« bei den »Rückführungsabkommen« zu machen, um verhindern, »dass immer mehr Menschen ankommen«, wie diese Woche geschehen. Tatsächlich sieht der Ampel-Koalitionsvertrag den Abschluss solcher Verträge vor, in denen Herkunfts- und Transitländer sich bereit erklären, gegen materielle und finanzielle Leistungen Geflüchtete auf- oder zurückzunehmen. Dass solche Abkommen selten zustande kommen, weshalb auch ein Seehofer auf diesem Gebiet kaum etwas vorzuweisen hatte, erwähnt Lang heute ebensowenig wie die Tatsache, dass sie auch mit Autokraten und Diktatoren geschlossen werden.
Gleichwohl sind die Grünen innerhalb der Ampel-Koalition die einzigen, die noch auf die Einhaltung von Grundrechten gegenüber Geflüchteten pochen, so am Freitag in der Bundestagsdebatte am Freitag über den Antrag der Union, mit einem »Deutschlandpakt in der Migrationspolitik« die »irreguläre Migration« zu stoppen. Die darin enthaltenen Forderungen waren im übrigen in großen Teilen deckungsgleich mit jenen der AfD.
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Clara Bünger (Linke) wies im Plenum indes darauf hin, dass auch die Ampel nicht gewillt ist, etwa die Kommunen im erforderlichen Maße bei der Integration Geflüchteter, ihrer Versorgung mit Wohnraum, Schul- und Kitaplätzen finanziell zu unterstützen. Stattdessen beuge sie sich dem »Spardiktat« der Schuldenbremse. Der Unions-Antrag wiederum, so Bünger, biete »keine substanziellen Lösungen«, sondern setze auf »Abschottung und Entrechtung«.
Die Union fordert in ihrem Antrag stationäre Kontrollen auch an den Grenzen zu Polen und Tschechien, mehr Unterstützung für die EU-Grenzagentur Frontex und zahlreiche Repressalien gegenüber Asylsuchenden, insbesondere abgelehnten Asylbewerbern, und beschleunigte Abschiebungen.
Zudem verlangen CDU und CSU, Tunesien, Marokko und Algerien zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, trotz der Verfolgung Oppositioneller, die dort an der Tagesordnung ist, und trotz der Deportation Geflüchteter in die Wüste durch Tunesien, wie in den letzten Wochen geschehen. Innerhalb der Ampel-Koalition unterstützt die FDP diese Forderung.
Weiter will die Union, dass alle Bundesaufnahmeprogramme – die nur sehr kleinen Gruppen eine Einreise nach Deutschland ermöglichen – bis auf jenes für ehemalige sogenannte Ortskräfte in Afghanistan, die für die Bundeswehr oder deutsche Organisationen gearbeitet haben, eingestellt werden. Sie fordert zudem die massive Erschwerung des Familiennachzugs, also die Streichung des Rechts auf Familie für Geflüchtete.
Ein Kernthema im Unionsantrag sind vermeintliche Anreize für Menschen, nach Deutschland zu kommen, als da sind die Sozialleistungen, aber auch die von der Ampel beschlossenen verkürzten Einbürgerungsfristen für Menschen mit unbefristeten Aufenthaltstitel. Auch das an viele Bedingungen geknüpfte Chancen-Aufenthaltsrecht für langjährig hier lebende abgelehnte Asylbewerber, die für ihren Lebensunterhalt selbst sorgen können, wird von der Union zu einem sogenannten Pull-Faktor erklärt.
Ein weiterer Punkt: Transfergelder nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sollen als Sachleistungen »vorrangig zu Geldleistungen« gewährt werden. Der FDP-Abgeordnete Konstantin Kuhle machte darauf aufmerksam, dass dies längst erlaubt ist und dass die Länder es umsetzen können. Laut dem Gesetz bekommen Asylbewerber und abgelehnte Asylbewerber ohnehin nur gut 80 Prozent des Bürgergeld-Regelsatzes und damit des offiziellen soziokulturellen Existenzminimums, auf das laut Grundgesetz jeder in der Bundesrepublik lebende Mensch Anspruch hat. Nur 182 Euro von aktuell 410 Euro monatlich für Alleinstehende müssen Geduldeten und Asylbewerbern laut Gesetz in bar gezahlt werden.
Zudem fordert die Union die Ausweitung des Ausreisegewahrsams. Dessen maximale Dauer soll von derzeit zehn auf 28 Tage verlängert werden. FDP-Mann Kuhle wies indes darauf hin, dass die Ampel dies in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart hat, dass es aber leider »immer noch nicht beschlossen« sei.
Clara Bünger verwies indes darauf, dass es nach wie vor keinerlei wissenschaftliche Belege dafür gebe, dass Menschen sich ihre Zufluchtsorte anhand der Höhe der Sozialleistungen – die im Verhältnis zu den Lebenshaltungskosten stehen – aussuchen. Das Aufenthaltsrecht sei bereits unter Horst Seehofer weiter verschärft worden, so Bünger. Das führe aber »in der Praxis nicht zu mehr Abschiebungen und nicht dazu, dass weniger Geflüchtete nach Deutschland kommen«.
Eine Obergrenze bei der Aufnahme von Asylsuchenden von 200 000 jährlich, wie sie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) propagiert, hat die Union nicht in ihren Antrag hineingeschrieben. Offenbar, so Bünger, wisse man ganz genau, dass das Asylrecht »nicht kontingentierbar« sei.
Die Grünen-Abgeordnete Filiz Polat verwies auf die ungenutzten Möglichkeiten, den Fachkräftemangel durch bessere Integration der bereits hier lebenden Menschen zu bekämpfen. Mit ausreichend Sprach- und Integrationskursen und Arbeitsmöglichkeiten statt Arbeitsverboten würden viele in die Lage versetzt, der deutschen Gesellschaft »etwas zurückzugeben«.
Polat wies zudem darauf hin, dass entgegen der Darstellungen von Union und AfD lediglich 56 000 Personen »irregulär« in Deutschland leben, also »dokumentiert ausreisepflichtig« seien. Unter ihnen seien zudem zahlreiche Studierende und Touristen, deren Visa abgelaufen seien. Menschen, die ohne Pass einreisten, seien, sobald sie einen Asylantrag gestellt hätten, eben nicht mehr »irregulär«, sondern »legal in Deutschland«.
Neben dem, was die Union im Bundestag einbrachte, schwirren diverse Forderungen durch den Äther, nicht zuletzt jene von Markus Söder, Asylsuchende zu gemeinnütziger Arbeit zu verpflichten. Zudem will Bayerns Regierungschef abgelehnten Asylbewerbern gar kein Bargeld mehr auszahlen, sondern dafür sorgen, dass sie nur noch mit Chipkarten bestimmte Waren des täglichen Bedarfes erwerben können. Er spiele mit solchen Vorschlägen auf der Klaviatur des Rechtspopulismus, kritisierte der Linke-Kovorsitzende Martin Schirdewan.
Die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht – noch Mitglied der Linken – empfahl am Dienstagabend in der ZDF-Sendung »Markus Lanz« die extrem repressive und von internationalen Organisationen als grundrechtswidrig eingestufte Asylpolitik der sozialdemokratisch geführten dänischen Regierung als Vorbild für die deutsche. Direkt plädierte sie für die Streichung von Sozialleistungen: »Ein Land, wo man nicht Anspruch auf Leistungen hat, ist kein Zielland für Migration, denn dann geht man da nicht hin.«
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