- Wirtschaft und Umwelt
- Gleichstellung von Männern und Frauen in Ost und West
Wo Ostdeutschland vorn liegt
Gleichstellung, Ausbildung, Kinderbetreuung: Studie legt Daten zur Lage in Ost- und Westdeutschland vor
Ostdeutschland hinkt dem Westen immer noch hinterher, bei der Wirtschaftsleitung, bei den Löhnen. Darüber wird seit Jahrzehnten oft berichtet, es werden Gründe gesucht und die Gehaltsunterschiede zu Recht kritisiert. Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der Hans-Böckler-Stiftung (WSI) hat sich nun einmal auf eine andere Frage konzentriert: Wie steht es um die Gleichstellung von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt in Ost und West? In dem zum Tag der deutschen Einheit veröffentlichten Bericht legt das WSI eine Fülle von Daten vor, zur Bildung und Erwerbsarbeit, zu Arbeitszeiten, Einkommen und zur Kinderbetreuung. Wir haben einige der Daten aufbereitet, die Grafiken finden Sie weiter unten sowie hier, inklusive Einschätzungen der WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch.
Das Lohnniveau in Ostdeutschland ist tatsächlich mehr als drei Jahrzehnte nach der Einheit noch deutlich niedriger: Es lag im vorigen Jahr 18 Prozent unter dem Westniveau. Gleichzeitig sind jedoch im Westen die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen viel größer als im Osten – die Studie nennt dazu aktuelle Daten. Auch bei der Rente und den Arbeitszeiten sind die geschlechtsspezifischen Unterschiede im Westen größer.
Ostdeutschland ist gleicher: Die Gewerkschaftsbasis ist weniger männerdominiert. Gehälter, Arbeitszeiten sowie Altersrenten von Männern und Frauen liegen näher beieinander – bei einem insgesamt niedrigeren Einkommensniveau.
Der große Gender Pay Gap in den »alten« Bundesländern macht sich übrigens auch im Ost-West-Vergleich bemerkbar: Männer im Osten verdienen im Schnitt 22 Prozent weniger als Männer im Westen. Unter Frauen ist der Unterschied mit zehn Prozent deutlich kleiner.
Klar besser steht Ostdeutschland bei der Kinderbetreuung da. Dort werden beispielsweise 41 Prozent der Kinder unter drei Jahren ganztägig betreut, im Westen sind es nur 15 Prozent. Dabei wünsche sich die Hälfte der Eltern mit Kindern in diesem Alter einen Ganztagsbetreuungsplatz, so das WSI.
Bemerkenswert ist, dass der Studie zufolge im Westen mehr als doppelt so viele Menschen keinen beruflichen Abschluss haben – Männer wie Frauen. Betrachtet wurden dabei nicht nur junge Erwachsene, sondern Personen im Alter von 15 bis 65 Jahren. Woran liegt das? »Die Ausbildungsplatzgarantie und die nahezu vollständige Vermittlung in die Berufsausbildung nach der Polytechnischen Oberschule führten in der DDR zu einer hohen Zahl an Ausbildungseintritten«, schreibt das WSI auf Nachfrage. Hinzu komme, dass in Ostdeutschland mehr Menschen einen mittleren Schulabschluss und weniger nur einen Hauptschulabschluss oder gar keinen Schulabschluss hätten.
Eine Ausbildungsplatzgarantie im vereinigten Deutschland fordern Gewerkschaften seit vielen Jahren. Im Juni hat der Bundestag dann beschlossen, dass junge Menschen einen Anspruch auf Ausbildung haben, allerdings nur unter Bedingungen, etwa, wenn es in ihrer Region nicht genug Ausbildungsplätze gibt. Die Regelung soll im August 2024 in Kraft treten – 34 Jahre nach dem Beitritt der DDR zur BRD.
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