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Wagenknecht im Stadtrat von Herdecke?
Unterstützer*innen der Politikerin verlassen Ratsfraktionen
Herdecke ist eine gemütliche Kleinstadt an der Ruhr. Keine Hochburg der Linken. Vielleicht ändert sich das in absehbarer Zeit. Schließlich gibt es eine neue Fraktion im Stadtrat. »Sahra Wagenknecht und Linke Fraktion Herdecke« heißt sie. Pläne von Wagenknecht, in den Herdecker Stadtrat einzuziehen, sind allerdings nicht bekannt, es würde für sie auch schwer werden, auf einer Liste für Nachrücker*innen steht sie nicht. So bleibt es wohl an den beiden bisherigen Linke-Ratsmitgliedern, die neue Fraktion zu führen. Einer der beiden ist Vladimir Munk. Der lokalen »Westfalenpost« erklärte er, dass Wagenknecht nur in den Medien »umstritten« sei. Er finde Wagenknecht gut, weil sie »Die Linke wieder als Arbeiterpartei profilieren will«.
Was man in Herdecke dazu beitragen will, bleibt rätselhaft. Auf einer Internetseite der Ratsfraktion findet sich nur eine Meldung aus dem Jahr 2014. Auf Facebook sind die Nicht-mehr-Linken zwar aktiver. Aber welchen Plan sie für den Aufbau von Wagenknechts Arbeiterpartei haben, ist dort auch nicht zu erfahren.
Mitteilsamer sind da schon drei Linke-Stadträt*innen aus Bochum. Sie haben ihre Fraktion verlassen und eine eigene mit dem Namen »Frieden, Arbeit und soziale Gerechtigkeit« (FASG) gegründet. In dem Schreiben, in dem sie ihren Austritt aus Partei und Fraktion erklären, nennen sie drei Gründe für ihre Entscheidung: Die Parteispitze trage die »selbstzerstörerische Sanktionspolitik der Ampel« mit. Der zweite Grund, man wähnt Die Linke auf Kriegskurs: »Wir können nicht weiterhin Mitglied in einer Partei sein, deren führende Vertreter sich für Waffenexporte in ein Kriegsgebiet einsetzen.« Das dritte Motiv sei, dass der »pluralistische Charakter« der Partei »aufgegeben« worden sei. Die Parteispitze »macht Die Linke zu einer Sekte«. Das sei der Weg in den »Untergang«, den man auch in Bochum beobachte und nicht mittragen wolle.
In Bochum ist Die Linke schon länger krisengeplagt. Wiederholt gab es Streit um die Positionen der Wagenknecht-Weggefährtin und Bundestagsabgeordneten Sevim Dağdelen. Zuletzt stritt der Kreisverband mit Ratsmitgliedern über Mandatsträger*innen-Abgaben, die vereinbart, aber nicht gezahlt wurden. Hinter vorgehaltener Hand spekulieren Kenner*innen der Bochumer Linken, dass der Streit um Positionen für die drei Ratsmitglieder ein willkommener Anlass war, um vor dem Streit um die nicht gezahlten Abgaben zu fliehen.
Die Führung der nordrhein-westfälischen Linken reagiert gelassen auf die Austritte. Landesgeschäftsführer Sebastian Merkens sagte gegenüber »nd«: »Es wird noch eine Handvoll weitere Austritte von Mandatsträger*nnen geben.« Das sei seit dem Moment klar, in dem Wagenknecht erklärt habe, »die Partei kaputtmachen zu wollen«. Auf solche weiteren Austritte sei man vorbereitet.
Die Entscheidung von Einzelnen, die Partei zu verlassen, hält Merkens für »persönlich bedauerlich«. Gleichzeitig ist er sich sicher, »dass alle, die gehen, Platz machen für neue Menschen, die kommen wollen«. Der Landesgeschäftsführer gibt sich kämpferisch und kündigt an, dass die Partei weiter da ist und in Zukunft »kraftvoller« ihrer politischen Verantwortung nachkommen werde »als jemals zuvor«.
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