• Wissen
  • Dr. Schmidt erklärt die Welt

Woher kommt der Sturm im U-Bahn-Schacht?

Warum es in manchen U-Bahnhöfen besonders viel Wind gibt und wie man den sinnvoll nutzen könnte

  • Ines Wallrodt und Steffen Schmidt
  • Lesedauer: 4 Min.

Ich fahre in Berlin regelmäßig U-Bahn. Kannst du mir erklären, woher der Sturm am U-Bahn-Ausgang kommt?

Sturm habe ich da noch nicht erlebt. Etwas windiger schon. Der Kern ist die Tatsache, dass die U-Bahn nun mal in einer relativ geschlossenen Röhre fährt und die ist nicht luftleer. Das heißt, die Bahn schiebt die Luft vor sich her. Und die strömt dann in den U-Bahnhof hinein.

Ich rede aber von Windböen, die gar nicht auf dem Bahnsteig, sondern erst auf einer Zwischenebene Richtung Ausgang zu bemerken sind. Sodass die Haare richtig doll flattern.

Na ja, die Haare. Dafür ist ja nun nicht so doll viel nötig.

Dr. Schmidt erklärt die Welt

Als Universalgelehrter der nd.Redaktion weiß der Wissenschaftsjournalist Dr. Steffen Schmidt auf fast jede Frage eine Antwort – und wenn doch nicht, beantwortet er eben eine andere. Alle Folgen zum Nachhören auf: dasnd.de/schmidt

Glaub mir, es sind Sturmböen, gegen die man sich richtig stemmen muss. Und die gibt es an anderen U-Bahnhöfen nicht.

Wo ist das denn?

U-Bahnhof Eisenacher Straße.

Diesen U-Bahnhof muss ich mir also mal anschauen. Ist mir in der Schärfe noch nicht untergekommen. Es kann natürlich sein, dass oberirdisch noch Wind dazu kommt. Wenn der in eine passende Richtung bläst, gibt es zusätzlich noch Sog von oben. Das hängt davon ab, in welcher Richtung die U-Bahn-Eingänge dem Wind freien Zugang geben. Wenn es oberirdisch eine schöne freie Strecke in der Nordwest-Südost-Achse gibt, wo ja bei uns die meisten kräftigeren Winde stattfinden, könnte es sein, dass es auf diese Weise zu einer Verstärkung kommt. Aber das wäre spekulativ.

Könnte es auch andersrum sein? Dass oben etwas den Weg versperrt und der Wind deshalb nach unten ausweicht?

Das wäre eine ebenso gute Möglichkeit. Wenn der Wind von Bauten in die U-Bahn umgeleitet wird, hast du einen ähnlichen Windkanaleffekt wie in einigen Neubausiedlungen. Wo Zehnstöcker parallel in geeigneter Richtung stehen, ist der Wind dazwischen stärker als irgendwo auf einer freien Fläche.

Wind kommt doch ständig aus anderen Richtungen.

Grundsätzlich ist das zwar wahr, aber es gibt eine vorherrschende Richtung. Bei uns ist das aus Nordwesten.

Was heißt bei uns? Berlin?

Bei uns in Mitteleuropa. Ich gehöre ja noch zu denen, denen wurde bei Pionierwandertagen – im Westen wären es wohl die Pfadfinder gewesen – beigebracht: Wenn du dich im Wald orientieren willst, dann ist die Seite an Bäumen, die etwas mehr mit Moos und Flechten bewachsen ist, in der Regel Nordwesten.*

Warum kommt der Wind eher aus Nordwest?

Auf der Nordhalbkugel in der gemäßigten Zone ist das das typische Windsystem. Aus Nordsee- und Atlantikrichtung. In der bodennäheren Schicht dominieren bestimmte Richtungen. Das hat mit der Drehung der Erde zu tun und dem größeren Windsystem, in das wir eingebunden sind. Es gibt natürlich immer auch die Abweichungen. Wenn Tief- und Hochdruckgebiete mal gravierend anders verteilt sind, dann gibt es auch mal einen Südwind, was die Bayern in den Alpen als Fön kennen.

Wind ist schon auch extrem wichtig in der Stadt für die Luftqualität.

Man sollte auf jeden Fall so bauen, dass die im Sommer vorkommenden kühlenden Winde gut durchkönnen. Da haben aber nicht bloß Straßenschneisen eine Bedeutung, sondern größere Grünzüge. Berlin ist zwar im Vergleich zu Paris bombig dran, aber gemessen daran, was uns das Klima in absehbarer Zeit abverlangen wird, ist da auch in Berlin noch einiges verbesserungsfähig.

Zurück zum U-Bahn-Schacht. Kann man diesen Wind nicht für irgendwas nutzen?

Da wäre der Aufwand vermutlich zu groß. Die Abwärme der U-Bahn zu nutzen, wäre wahrscheinlich wesentlich attraktiver als das bisschen Wind. Ich habe eine ähnliche Frage schon mal an einem anderen Punkt gehabt: Im U-Bahn-Tunnel ist es ja recht warm. Diese Wärme müsste man eigentlich nutzen können. Aber das ist bislang den meisten Beteiligten zu aufwendig. Es gibt wohl eine Stelle in Berlin, wo mithilfe der Wärme aus dem U-Bahnschacht ein BVG-Betriebswerk wärmetechnisch versorgt wird. Eine Kirche im Wedding, die ein ähnliches Projekt hatte, stieß aber auf Widerstand, weil sie da Rohre hätten verlegen müssen. Und das örtliche Tiefbauamt war der Meinung, dort müssten Kapazitäten für andere gemeinnützige Zwecke frei gehalten werden, nicht bloß für die eine Kirche.

Also die Leute haben jetzt weiter kalte Füße in der Kirche?

Das ist gerade im Zeitalter gestiegener Gaspreise wohl zu erwarten. Aber wie auch immer: Die Abwärme der U-Bahn zu nutzen, wäre wahrscheinlich wesentlich attraktiver als das bisschen Wind.

* Ein Leser korrigierte diese selbst bei Seglern bis heute verbreitete Ansicht: Die meteorologischen Daten sagen zumindest für Berlin klar, dass Westwinde vorherrschen, selbst Südwest- ist hier häufiger als Nordwestwind.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das beste Mittel gegen Fake-News und rechte Propaganda: Journalismus von links!

In einer Zeit, in der soziale Medien und Konzernmedien die Informationslandschaft dominieren, rechte Hassprediger und Fake-News versuchen Parallelrealitäten zu etablieren, wird unabhängiger und kritischer Journalismus immer wichtiger.

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

Unterstützen über:
  • PayPal