Wahl in Hessen: Nicht in Wechselstimmung

Im Vorfeld der Wahlen in Hessen liegt die CDU weit vorne, die SPD steckt fest, die Linkspartei hofft und die AfD kann tun, was sie will

Fast scheint es so, als stecke Nancy Faeser in einer Sackgasse. Die SPD-Spitzenkandidatin kann machen, was sie will, doch ihr Agieren im hessischen Wahlkampf wirkt ungeschickt. In Baunatal bei Kassel hat sie vor zwei Wochen zusammen mit Olaf Scholz gesprochen – das sollte eigentlich ein Highlight im Wahlkampf werden, doch im Mittelpunkt stand der Kanzler. Seine Kritik am schleppenden Ausbau der Windkraft in Hessen und seine Aussagen zur Migration kamen an, nicht aber Faesers Appell für bessere Schulen.

Ein paar Tage später gab es eine Dampferfahrt auf dem Main mit den SPD-Ministerpräsidentinnen Malu Dreyer aus Rheinland-Pfalz, Anke Rehlinger aus dem Saarland und Manuela Schwesig aus Mecklenburg-Vorpommern. Es ging um Frauenvernetzung. Streit gab es aber, als die SPD darum bat, möglichst Journalistinnen für die Berichterstattung zu schicken, worüber sich die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« und die »Bild«-Zeitung echauffierten.

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Auch ein Werbevideo, das gegen die CDU gerichtet war und deren Kooperation mit der AfD in Thüringen thematisierte, stieß den Christdemokraten in Hessen bitter auf. Sie fühlten sich verunglimpft. Faeser ließ das Video zurückziehen. »Das ist nicht mein Stil«, sagte sie knapp. Die Verantwortung für den Werbespot nahm der hessische SPD-Generalsekretär Christoph Degen auf sich. Seine Entschuldigung nahm die CDU »zur Kenntnis«.

Tatsächlich sind die Verhältnisse in Wiesbaden andere als in Erfurt. In Hessen ist die CDU nicht in der Opposition, sondern stellt seit 24 Jahren den Ministerpräsidenten. Und wenn es keine große Überraschung gibt, dann wird das auch nach dem Wahlsonntag so bleiben. Sie führt mit ihrem Spitzenkandidaten Boris Rhein die Umfragen deutlich an und erhält konstant über 30 Prozent. Die SPD unter Faeser dagegen scheint an Sympathie zu verlieren. In einer Insa-Umfrage sackte sie zuletzt auf 16 Prozent ab. Ebenso viele Stimmen werden den Grünen und der AfD vorausgesagt.

AfD profitiert von Migrationsdebatte

Die Rechtsaußen-Partei wird wohl auch in Hessen ihren bundesweiten Höhenflug fortsetzen. Es scheint fast einerlei zu sein, wie die Partei auftritt. Ihr Spitzenkandidat Robert Lambrou kann sich betont als Konservativer geben oder eine Wahlkampfveranstaltung in einem Tumult enden wie im August im mittelhessischen Rabenau, wo ein SPD-Mann mit dem KZ-Arzt Josef Mengele verglichen wurde, ein Besucher damit prahlte, Nazi zu sein und wo ein Videojournalist übel beschimpft wurde; die AfD kann noch so destruktiv agieren, auf die Wähler*innengunst scheint sich das nicht auszuwirken.

Der Partei spielt sicherlich in die Karten, dass derzeit viel über Migration gestritten wird und immer neue Forderungen auftauchen, die darauf abzielen, Geflüchtete in irgendeiner Weise loszuwerden. Wenn die FDP und die CDU etwa mit einer eingeschränkten Gesundheitsversorgung oder weniger Bargeldzahlungen auf Abschreckung setzen, dann sind das alles Vorschläge, die auch von der AfD kommen könnten. Nancy Faeser, die Bundesinnenministerin, wird damit auf dem falschen Fuß erwischt. Im Amt wirkt sie wohltuend rational, wenn sie etwa den Sinn von punktuellen Grenzüberwachungen in Brandenburg und Sachsen infrage stellt. Im hessischen Wahlkampf kann sie damit allerdings nicht profitieren.

Möglicherweise wird sich Boris Rhein nach der Wahl aussuchen können, mit wem er künftig eine Koalition bildet. Noch hält sich der amtierende Ministerpräsident bedeckt. In einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur lobte er das gute Verhältnis zu den Grünen, die er als Partner sehr wertschätze. Zugleich erwähnte er die inhaltliche Nähe zur SPD, die »ähnliche Erfahrungswelten als Volkspartei« habe. Jede »lagerübergreifende Koalition« bezeichnete er indes als Herausforderung. Solche Bündnisse führten zu vielen schwierigen Kompromissen.

Rhein ist sich aber nicht allzu siegessicher. Denn er weiß um die Gefahr, dass auch eine Mehrheit ohne die Christdemokraten nicht ausgeschlossen ist. Selbst wenn CDU stärkste Partei sein sollte, könnte sie unter Umständen in der Opposition landen. Im Moment sieht es aber nicht danach aus, dass ein Ampelbündnis, das Nancy Faeser nach dem Vorbild in Rheinland-Pfalz bevorzugt, eine Mehrheit erhalten könnte.

Linkspartei hofft auf enttäuschte Grünen-Wähler

Einen medialen Showdown gab es eine Woche vor der Wahl im Hessischen Rundfunk. Beim Fernseh-Triell gerieten vor allem Rhein und Faeser aneinander. Die Bundesministerin griff die Landespolitik unter Schwarz-Grün an und der Ministerpräsident die Berliner Ampelkoalition. Interessant war die Rolle des Grünen-Spitzenkandidaten Tarek Al-Wazir als Streitschlichter. Er saß zwischen den Stühlen, unter Rhein ist er Wirtschafts- und Verkehrsminister, und seine Partei regiert in der Ampel mit. Beim Triell blieb er blass – und das passt zu seiner jahrelangen Rolle als Juniorpartner in der Landesregierung. Das Profil der Grünen hat darunter gelitten. Insbesondere ihre Konturen in der Umweltpolitik sind längst verwischt.

Davon hofft Die Linke zu profitieren, die um den Wiedereinzug in den Landtag aber bangen muss. Zuletzt ging es in den Umfragewerten ein wenig in die Höhe. »Ein Prozentpünktchen schaffen wir noch«, erklärte Gregor Gysi, der in den letzten Tagen noch einmal seine Parteifreunde vor Ort unterstützte. Die Linke versucht, mit einer engagierten Sozialpolitik zu überzeugen, fordert mehr Sozialwohnungen und Maßnahmen, um insbesondere den Niedriglohnsektor einzuschränken. Stimmen erhofft sie sich außerdem von enttäuschten Grünen-Wähler*innen. Schon in den vergangenen Jahren verstand sich die Landtagsfraktion als Anwältin von Umweltprotesten, etwa gegen den Bau der Autobahn A49 in Mittelhessen oder gegen die Planung eines großen Logistikgebiets im nordhessischen Eichenberg.

Zwar ist die Linksfraktion in den vergangenen Jahren durch konstruktive Oppositionsarbeit aufgefallen. Doch leidet sie unter den Streitigkeiten in der Bundespartei und der drohenden Abspaltung des Wagenknecht-Flügels. Außerdem gelingt es ihr ebenso wenig der SPD, vom allgemeinen Politikverdruss zu profitieren. Der verleiht einzig der AfD Flügel.

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