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Wahl in Bayern: Kratzer am Image des florierenden Freistaats
Trotz Wohnungsmangel und verbreiteter Armut gibt es für viele Wähler in Bayern kaum wirtschaftliche Gründe, die CSU abzuwählen
Für Ministerpräsident Markus Söder ist Bayern wahlweise Hightechland oder einfach »ein großartiges Land« mit vor Energie strotzender Wirtschaftskraft. Die offiziell registrierte Arbeitslosenquote ist mit zuletzt 3,4 Prozent die niedrigste unter allen Bundesländern. Auch bei der Schaffung von sozialversicherungspflichtigen Jobs liegt der Freistaat vorne. Die Wirtschaftsleistung ist seit 2010 um 24,2 Prozent gewachsen und damit um sieben Prozentpunkte mehr als im Bundesdurchschnitt. Aktuell beträgt das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner rund 54 000 Euro – Thüringen bringt es kaum auf 34 000.
Noch in den 1960er Jahren war Bayern hingegen nicht spitze. Der Bund stellte erhebliche Mittel für die »Gebiete der Zonengrenze« bereit. Hinzu kam der Länderfinanzausgleich, über den gleichfalls Milliarden in den Südosten der Bundesrepublik flossen. Die Staatsregierung stärkte damit nicht allein die Ballungsräume, sondern förderte auch strukturschwache Gebiete massiv. So produziert Airbus den »Eurofighter« in dem 11 000-Einwohner-Städtchen Manching, eine Autostunde von München entfernt.
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Das Agrarland entwickelte sich zuerst langsam, dann immer schneller zum Standort weltweit agierender kleiner und großer Unternehmen. Gewichtigen Anteil daran hatte Franz Josef Strauß, seit 1961 CSU-Vorsitzender. Der zeitlebens polarisierende Atomkraft-Förderer hatte auf enge Kontakte zur Industrie gesetzt. Markus Söder feiert den Übervater der bayerischen Konservativen in jedem seiner Wahlkampfauftritte.
Heimat von Allianz, BMW und Siemens
Bayern ist Standort führender Aktiengesellschaften wie Allianz, Munich Re und Siemens. »Nur wenige Länder verfügen über eine ähnlich breite industrielle Basis«, heißt es in einer aktuellen Analyse der NordLB. Außerdem kämen rund 30 Prozent aller in Deutschland angemeldeten Patente aus Bayern. Neben Maschinenbau, Elektrotechnik sowie Informations- und Kommunikationstechnologie ist die Autoindustrie von besonderer Bedeutung. Mit BMW und Audi sitzen zwei Premiummarken im Freistaat. Dazu kommen MAN, einer der größten Lkw-Hersteller der Welt, sowie große Zulieferer wie Bosch und Schaeffler. Über 300 000 Arbeitsplätze bringt der Fahrzeugbau.
Aber hier fangen die Probleme an. Die hiesigen Autohersteller verlieren international Marktanteile – vor allem in China. Elektroautos bayerischer Hersteller sind auf dem größten Pkw-Markt der Welt kaum gefragt. Gleichzeitig drängen chinesische Hersteller nach Deutschland. Damit der Freistaat wettbewerbsfähig bleibe, solle der neue Landtag alles daransetzen, den Wechsel der bayerischen Autoindustrie zur Elektromobilität zu beschleunigen, fordert etwa das von Unternehmen finanzierte Institut der deutschen Wirtschaft.
Viele Bayern dürften in Sachen Mobilität aber andere Sorgen haben. So offenbart ausgerechnet die Landeshauptstadt München noch größere Schwächen im öffentlichen Nahverkehr als Berlin. Probleme bereitet die Großbaustelle, mit der die überlastete S-Bahn-Stammstrecke entlastet werden soll. Die Fertigstellung der geplanten Tunnelstrecke quer durch München, die ursprünglich für 2010 vorgesehen war, verzögert sich um ein Vierteljahrhundert. Selbst CSU-Landtagsabgeordnete gehen inzwischen von Kosten von bis zu 14 Milliarden Euro aus: »BER« auf bayerisch. Wer auf ein verbessertes ÖPNV-Angebot angewiesen ist, schaut also bis auf Weiteres in die Röhre.
Teure Wohnungen
Dabei können sich Krankenpfleger, Verkäufer oder Lehrerinnen in München, aber auch in Ingolstadt, Augsburg oder Erlangen kaum noch eine Wohnung leisten, sollte angesichts des Mangels überhaupt eine zu bekommen sein. München ist mit 20,70 Euro pro Quadratmeter die derzeit teuerste deutsche Metropole im Mietpreis-Ranking des Beratungsinstituts Empirica. Selbst Frankfurt/Main und Berlin sind bei Neubauten um drei Euro preiswerter. Und während Häuslebauer in anderen Bundesländern lediglich in Ballungsräumen und Urlaubsorten ganz tief in die Tasche greifen müssen, gilt dies in Bayern nahezu flächendeckend.
Das bereitet vielen Menschen Probleme, selbst wenn die Einkommen in Bayern überdurchschnittlich hoch und weniger ungleich verteilt sind als im Rest der Republik, wie es die offizielle Statistik ausweist. Die Staatsregierung beziffert die Armutsgefährdungsquote auf 12,7 Prozent, was bundesweit die niedrigste sei. Doch eine Studie des Kurt-Eisner-Vereins und der Rosa-Luxemburg-Stiftung Bayern kommt zu einem anderen Ergebnis: Einkommensarm sind 15,8 Prozent der Bevölkerung, wenn man nicht den bundesweiten Durchschnitt zugrundelegt, sondern das bayerische Durchschnittseinkommen. Dieses ist laut den Autoren aufgrund der höheren Lebenshaltungskosten im Freistaat der bessere Maßstab. Auch weist die Studie auf ein Stadt-Land-Gefälle bei der Armutsgefährdung hin: Ein Drittel der Bezieher von Grundsicherung lebt allein in den drei größten Städten München, Nürnberg und Augsburg.
Selbst wenn die Zahl der Erwerbstätigen in Land- und Forstwirtschaft Jahr für Jahr abnimmt, ist die Lage auf dem Land besser. Bauern und ihre Verbände gelten in der Politik nach wie vor als Schwergewicht. Etwa die Hälfte der Gesamtfläche wird nämlich landwirtschaftlich genutzt, ein weiteres gutes Drittel besteht aus Wald. Dank der grünen Flächen liegt auch die Tourismusindustrie deutschlandweit an der Spitze. Nach der Zahl der Erwerbstätigen ist der Tourismus sogar größer als jeder andere Wirtschaftszweig in Bayern.
Summa summarum läuft das am Sonntag wohl darauf hinaus, was Umfragen widerspiegeln: Auch wenn das CSU-Image vom allseits florierenden Bayern Kratzer hat, dürfte die konservative Mehrheit der bisherigen Landesregierung nicht in Gefahr sein.
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