Operation »Irini«: EU verschiebt Militärgerät

Beschlagnahmte gepanzerte Fahrzeuge gehen an Drittstaaten

Die Fracht der »Meerdijk 41«, über die sich vielleicht bald wieder eine Regierung in Afrika freut.
Die Fracht der »Meerdijk 41«, über die sich vielleicht bald wieder eine Regierung in Afrika freut.

Die EU gibt Militärgerät an Drittstaaten weiter, das in der Militärmission »Irini« vor Libyen beschlagnahmt wurde. Nach einer Lieferung von 105 gepanzerten Fahrzeugen an Ghana könnte nun eine weitere Regierung von einer solchen Schenkung von 41 Fahrzeugen begünstigt werden. Das schreibt der Rat der EU in der Antwort auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Özlem Demirel.

Die 2020 im Mittelmeer gestartete Mission »Irini« versammelt Marinekräfte der EU-Mitgliedstaaten. Sie sollen die Einhaltung der UN-Sanktionen zum Ölexport und Waffenhandel mit Libyen überwachen. Als »Nebenaufgabe« gilt die sogenannte Schleuserbekämpfung.

Zu den Tätigkeiten der Mission gehört die Beobachtung und Verfolgung verdächtiger Schiffsbewegungen. Hierzu können die Besatzungen als letztes Mittel auch Schiffe ohne Zustimmung der Kapitäne und mit Einsatz militärischer Gewalt inspizieren. Jedoch wird stets die Erlaubnis des Flaggenstaates benötigt. Ist dieser einverstanden mit dem Boarding, gilt dies als »freundliche Annäherung«.

Auch die Bundeswehr beteiligt sich mit wechselnden Schiffen und einem Seefernaufklärer an der Mission. 2020 hatte die deutsche Marine das türkische Containerschiff »Rosalia« kontrolliert, das mutmaßlich Waffen für die libysche Regierung in Tripolis an Bord hatte und damit gegen das UN-Waffenembargo gegen Libyen verstoßen haben könnte. Die »Rosalia« soll in einem früheren Fall bereits gepanzerte Militärfahrzeuge transportiert haben. Das wollen Analysten von »Irini« auf Satellitenaufnahmen erkannt haben. Das Boarding durch die Bundeswehr sorgte jedoch für Proteste der Regierung in Ankara, die den Einsatz von Soldaten des Nato-Partners als rechtswidrig bezeichnete. Anschließend brach die Bundeswehr die Maßnahme ab.

Erfolgreich war »Irini« hingegen bei der Durchsuchung des Frachters »Victori Roro« am 18. Juli 2022, der aus Jordanien abgelegt haben soll und für eine Kontrolle in einen europäischen Hafen umgeleitet wurde. Dort wurden 105 Fahrzeuge der Kategorie »Landfahrzeuge für militärische Zwecke« entdeckt und beschlagnahmt. Diese werden von der Firma Armored Group in den Vereinigten Arabischen Emiraten hergestellt. Ihre Bestimmung war mutmaßlich die Regierung in Ostlibyen, die mit der Einheitsregierung in Tripolis im Bürgerkrieg war.

Ein Jahr später hat der Rat die Weitergabe der beschlagnahmten Fahrzeuge an Ghana beschlossen. Mit der Unterstützungsmaßnahme sollten die Fähigkeiten des dortigen Militärs gestärkt werden, unter anderem um die Zivilbevölkerung »vor interner und externer Aggression zu schützen und zu Frieden und Stabilität in der Region beizutragen«.

Laut der Antwort an die Europaabgeordnete Demirel steht eine weitere Entscheidung noch aus. Dabei geht es um die Ladung des Schiffes »Meerdijk 41«, das am 12. Oktober 2022 umgeleitet und durchsucht wurde. Dabei wurden die 41 »Landfahrzeuge für militärische Zwecke« beschlagnahmt.

Die EU sei nun »Polizist und Waffenhändler in einem«, kommentiert Demirel die Weitergabe des Militärgeräts an Drittstaaten. »Es ist schon skandalös, dass die EU-Mitgliedsstaaten den eigenen verbindlichen Rechtsrahmen zu Rüstungsexporten untergraben und missachten«, so die Abgeordnete.

Die Entscheidung über die Schenkung der Fahrzeuge an Ghana war auf EU-Ebene umstritten. Denn es war unklar, wer diese überhaupt treffen darf. Mit einer Erneuerung des Beschlusses zur Militärmission »Irini« haben die EU-Staaten hierzu eine neue Regelung getroffen. Demnach darf der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet die Schiffe umgeleitet werden, über die »Entsorgung« des beschlagnahmten Geräts bestimmen. Dieses kann etwa vernichtet oder unbrauchbar gemacht werden. Unter den Begriff »Entsorgung« fällt aber auch die weitere Verwendung, »einschließlich durch Dritte«, solange das beschlagnahmte Gerät nicht über Umwege wieder in Staaten wie Libyen gelangt.

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