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  • Repressalien auch in Deutschland

EU-Agentur kritisiert Verfolgung von Seenotrettern

Staaten leiteten in sieben Jahren über 63 Verwaltungs- oder Strafverfahren ein

Nach Ankunft Strafzahlung und Blockade: Einlaufen der »Sea-Eye 4« im Juni in Ortona
Nach Ankunft Strafzahlung und Blockade: Einlaufen der »Sea-Eye 4« im Juni in Ortona

In den vergangenen sieben Jahren haben Deutschland, Italien, Malta, die Niederlande und Spanien Dutzende Verwaltungs- oder Strafverfahren eingeleitet und damit Such- und Rettungsmaßnahmen zivilgesellschaftlicher Akteure behindert. Das geht aus einer Übersicht hervor, die von der EU-Grundrechteagentur auf ihrer Webseite veröffentlicht wurde. Die Maßnahmen hätten eine abschreckende Wirkung und schüchterten die Akteure der Zivilgesellschaft ein, so der Bericht.

Die Grundrechteagentur betrachtet für ihre Übersicht den Zeitraum von 2017 bis zum 30. Juni dieses Jahres. Ein Drittel der juristischen Vorgänge sind Strafverfahren gegen das Personal der Nichtregierungsorganisationen, die Rettungsschiffe einsetzen. In den meisten anderen Fällen würden diese aufgrund von Inspektionen, Untersuchungen oder Beschlagnahmungen durch die Hafenbehörden behindert worden, heißt es. Dazu behaupteten die Behörden etwa technische Unregelmäßigkeiten.

Im Verhältnis habe die Zahl der Verwaltungsmaßnahmen gegen die Seenotretter zu- und die Zahl der Strafverfahren abgenommen, heißt es in dem Bericht. Fast alle abgeschlossenen Strafverfahren endeten mit einem Freispruch oder der Freigabe des beschlagnahmten oder festgehaltenen Schiffes oder seien aus Mangel an Beweisen eingestellt worden.

Die meisten Repressalien erfolgen in Italien. Die Regierung in Rom ist dazu übergegangen, Geldstrafen bis zu 10 000 Euro zu verhängen und die betroffenen Schiffe für 20 Tage im Hafen festzusetzen. Am 24. Februar hatte das italienische Parlament hierzu ein neues Gesetz verabschiedet und damit einem Dekret Rechtskraft verliehen, das die von der postfaschistischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni geführte Mitte-Rechts-Koalition bereits Anfang des Jahres erlassen hatte. Wenige Stunden später war dann das unter norwegischer Flagge fahrende Rettungsschiff »Geo Barents« der Organisation Ärzte ohne Grenzen von der ersten Anwendung betroffen.

Das neue Gesetz zwingt die Organisationen außerdem, einen von den Behörden bestimmten Hafen anzulaufen. Solche Häfen liegen häufig tausende Kilometer vom Einsatzgebiet entfernt. Zusätzliche Rettungen auf dem Weg dorthin sind der Besatzung verboten und können ebenfalls Strafen nach sich ziehen.

Weil sie weitere Seenotfälle auf dem Weg zu den zugewiesenen Häfen nicht ignorieren wollten und dennoch Menschen an Bord genommen hatten, wurden zahlreiche weitere Betreiber von Schiffen durch die italienischen Behörden verfolgt, darunter die »Open Arms« aus Spanien, die »Mare Ionio« aus Italien und die »Louise Michel« aus Deutschland. Bereits zwei solcher Festsetzungen trafen die Schiffe »Aurora« der deutschen Organisation Sea-Watch sowie die »Sea-Eye 4«. Der gleichnamige Verein aus Regensburg musste deshalb in beiden Fällen 3333 Euro Strafe bezahlen.

»Die nationalen Behörden und Gerichte müssen das richtige Gleichgewicht zwischen geltendem Völker- und EU-Recht und nationalem Recht finden«, kritisiert die Grundrechteagentur in ihrem Bericht. Die Hilfeleistung für Menschen in Seenot sei nach internationalem Recht eine Pflicht aller Staaten und Schiffskapitäne.

Immer wieder wird von Staaten oder rechten Akteuren gefordert, aus Seenot gerettete Geflüchtete dort auszuschiffen, wo sie nach Europa gestartet sind. In Staaten wie Libyen droht ihnen jedoch die Misshandlung und Verfolgung durch staatliche und parastaatliche Akteure, zudem gibt es auch in Ägypten und Tunesien kein Asylsystem.

»Eine Rettungsaktion ist erst dann beendet, wenn die Überlebenden an einen ›sicheren Ort‹ gebracht wurden«, erinnert deshalb die Grundrechteagentur. »Die Ausschiffung an Orten, an denen das Leben von Flüchtlingen und Asylbewerbern durch Verfolgung, Folter oder andere schwerwiegende Schäden bedroht sein könnte, muss daher vermieden werden«, heißt es weiter.

So ist es auch in Leitlinien der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation IMO zur Behandlung von aus Seenot geretteten Personen festgelegt. Darin haben die Staaten vereinbart, dass ein »sicherer Ort« ein solcher ist, »an dem die Sicherheit der Überlebenden nicht mehr gefährdet ist und an dem ihre grundlegenden menschlichen Bedürfnisse (wie Nahrung, Unterkunft und medizinische Versorgung) befriedigt werden können«. Im Anhang zu den Leitlinien wird an das Verbot der Zurückweisung erinnert.

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