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Milch ohne Kuh
Landeslabor überprüft vegane Ersatzprodukte und muss von 91 Proben rund ein Drittel beanstanden
Neun Prozent der deutschen Bevölkerung konsumierten im vergangenen Jahr vegane Ersatzprodukte für Milch und Joghurt. Vor drei Jahren waren es erst fünf Prozent gewesen. Es sei »kein kurzlebiger Trend mehr, sondern fest am Markt etabliert«, sagt Liane Wagner, die am Landeslabor Berlin-Brandenburg (LLBB) damit befasst ist, solche Produkte unter die Lupe zu nehmen. Es sei auch ein großes Geschäft. Im Jahr 2015 seien damit weltweit 13,8 Milliarden Euro Umsatz erzielt worden und 2020 seien es schon 15,8 Milliarden gewesen, erläutert Wagner. Für das Jahr 2025 sei ein Anstieg auf 32,8 Milliarden Euro vorhergesagt.
Aber ist im Haferdrink und in den anderen Erzeugnissen dieser Art auch wirklich keine Milch drin, wie es die Hersteller versprechen? Und was sind stattdessen die Zutaten? 91 Proben hat das Landeslabor im vergangenen Jahr untersucht. 35 mussten beanstandet werden. Die gute Nachricht: Nirgendwo entdeckten die Experten Milcheiweiß, was beispielsweise für Menschen fatal sein könnte, die darauf allergisch reagieren. Aber 16 Proben waren mit Vitamin D angereichert. Das ist in Deutschland genehmigungspflichtig, jedoch hatten die Hersteller für kein einziges der überprüften Milchersatzprodukte die Erlaubnis dafür. In Bio-Ersatzmilch ist der Zusatz von Vitaminen sogar komplett verboten. Das ist in der Bundesrepublik so geregelt, weil es schädlich ist, zu viel Vitamin D zu sich zu nehmen. Andere EU-Staaten sehen das allerdings nicht so streng. Angereichert wird, damit der Ersatz so gut wie möglich nach echter Milch schmeckt.
Am Donnerstag übergibt LLBB-Direktor Mike Neumann den Jahresbericht 2022 an die für den Verbraucherschutz zuständigen Staatssekretärinnen von Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg (für CDU) und von Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne). Er tut dies am Hauptsitz seiner Behörde an der Rudower Chaussee in Berlin-Adlershof. Das Labor hat außerdem noch zwei Standorte in Frankfurt (Oder) und einen in Oranienburg.
Nach der Übergabe des Berichts informieren Mitarbeiterinnen über ausgewählte Prüfergebnisse. So spricht Annika Reinkensmeier von der Analyse echter Milch. Sie wird im Handel als Bio-, Heu- und Weidemilch angeboten. Bio- und Heumilch sind mit rechtlich geschützten EU-Siegeln ausgewiesen. Es gibt diese Siegel eigentlich nur, wenn die Kühe im Sommer grasen und im Winter mit Heu gefüttert werden. Ob geschummelt wurde, lässt sich im Labor nachweisen. Nur wenn in der Milch bei 100 Gramm Fett mehr als 0,5 Gramm Alpha-Linolsäure enthalten sind, sei es wirklich Biomilch, erläutert Reinickensmeier. Bei weniger als 0,4 Gramm müsse man davon ausgehen, dass es konventionelle Milch sei.
In der Testreihe des Landeslabors erfüllten alle sieben Sorten Heumilch die Anforderung. Von 51 Biomilchproben stimmte bei drei etwas nicht. Dann gibt es noch Weidemilch. Dafür fehlt ein EU-Siegel. Aber nach Angaben der Bauern stehen die Kühe auf der Weide und sind nicht im Stall angekettet. Der Konsument darf das gute Gefühl haben, dass es den Tieren gut geht. Dafür zahlt er ein bisschen mehr für die Milch. Ob es aber stimmt, was auf der Verpackung steht, das lässt sich letztendlich nur überprüfen, wenn vor Ort bei den Bauern nachgeschaut wird. Denn die Kühe, die Weidemilch geben, fressen nicht unbedingt nur Gras und Heu, sondern erhalten zusätzlich noch anderes Futter. Von 21 Proben enthielten nur 48 Prozent mehr als 0,5 Gramm Alpha-Linolsäure je 100 Gramm Fett.
Ein weiteres Mal gekümmert hat sich das Labor im vergangenen Jahr um für Kinder bestimmte Kosmetik wie Haargel, Nagellack und Schminke. Denn als die Experten sich 2020 schon einmal dieser Kosmetik widmeten, betrug die Beanstandungsquote stolze 45 Prozent, wenngleich die gerügten Produkte in 80 Prozent der Fälle nur geringfügige Mängel aufwiesen. Doch bei der Schminke mussten 18 von 21 Proben beanstandet werden und vier Mittelchen stellten sogar eine Gefahr für die Gesundheit dar. Verunreinigungen mit Arsen und Schwermetallen kommen in Glitter relativ häufig vor, wie Expertin Jasmin Mischke berichtet. Grund genug, nun noch einmal das Augenmerk auf die Kinderkosmetik zu richten. Von 39 Proben mussten diesmal 32 beanstandet werden – davon gleich 25 mehrfach. In 29 Fällen handelte es sich um Mängel bei der Kennzeichnung. Entweder waren Inhaltsstoffe nicht auf der Verpackung vermerkt oder es gab keine Angaben in deutscher Sprache.
Laut Direktor Neumann hatte das Labor im vergangenen Jahr immer noch mit Corona-Tests zu tun, aber insbesondere auch mit dem Fischsterben in der Oder. »Relativ schnell und aufwändig« sei wegen des Fischsterbens ein Sondermessprogramm aufgelegt worden, sagt Neumann. Sowieso gehört es zu den vielfältigen Aufgaben des Labors, die Qualität von Badegewässern zu untersuchen.
Nach allem, was man weiß, wurde das Fischsterben durch eine Kombination aus Niedrigwasser, Hitze und zu hohem Salzgehalt ausgelöst, was das Wachstum einer giftigen Alge förderte. Es sei eine »Umweltkatastrophe von nicht nur nationaler, sondern auch internationaler Bedeutung« gewesen, erinnert Staatssekretärin Töpfer. Sie ergänzt: »Die Afrikanische Schweinepest hält uns nach wie vor in Atem, auch wenn schon Erfolge bei der Bekämpfung erzielt werden konnten.«
- Das Landeslabor Berlin-Brandenburg untersuchte im vergangenen Jahr insgesamt 27 673 Lebensmittelproben und 2888 Proben von Bedarfsgegenständen, Kosmetika und Tabak. Die Beanstandungsquote von 16,7 Prozent bewegte sich auf dem Niveau der Vorjahre.
- In der Tierseuchendiagnostik wurden 635 511 Proben analysiert, davon 48 611 auf die Afrikanische Schweinepest, die im September 2020 in Brandenburg ausgebrochen war.
- Im Bereich Umwelt und Strahlenschutz hatte es das Landeslabor mit 29 933 Proben zu tun. Darunter befanden sich 11 414 Gewässerproben und 5988 Agrarproben etwa von Futter, Dünger und Boden.
- Bei der Überprüfung von Kosmetikartikeln für Kinder stellten die Experten in 18 Prozent der untersuchten Fälle Inhaltsstoffe fest, die in kosmetischen Mitteln nicht verwendet werden dürfen. Ein Haarglättungsmittel musste als nicht sicher eingestuft werden. In solchen Fällen kommen Rückrufaktionen und Einfuhrverbote in Frage. af
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