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Was ist mit dem Aber?
Auf der Buchmesse sorgte man sich um Israel und Russland
Wenn ihn jemand frage, woher er komme, wolle er »Israel, ohne Aber« antworten, sagte Meron Mendel am Mittwochmorgen auf der Frankfurter Buchmesse bei der Veranstaltung »In Sorge um Israel«, die der PEN Berlin organisiert hatte. Der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank wies darauf hin, dass es nach dem faschistischen Terror der Hamas am 7. Oktober immer noch Leute gebe, die von ihm dieses »Aber« erwarten, als sei Israel ein permanentes Problem.
Diese Leute verstehen sich meist irgendwie als Linke. Für sie können Hamas oder Hisbollah machen, was sie wollen, immer sollen sie als die Opfer verstanden werden und Israel als der Aggressor, dem ständig Staatlichkeit und Existenzrecht abgesprochen wird. Dagegen erwartet niemand von der Hamas, darzulegen, was sie denn für einen Staat haben möchte. Was an ihrem brutalen Regime in Gaza gut sein soll, weiß kein Mensch – es fragt auch niemand danach. Stattdessen wird stets auf Israel verwiesen, so wie es auch Slavoj Žižek in seiner Eröffnungsrede der Frankfurter Buchmesse getan hat.
Für Mendel ist aber klar: Hamas und Hisbollah wollten die Israelis nicht nur aus den besetzten Gebieten der Westbank vertreiben, sondern die Juden aus Israel. Deshalb sagt er: »Israel, ohne Aber.« Und wenn ihn jemand verbessern möchte: »Du meinst Palästina«, dann sagt er: »Nein, Israel«. Die israelische Linke sei jetzt sehr einsam, konstatierte der Schriftsteller Tomer Dotan-Dreyfus, in seinen Internet-Medien habe er 40 Leute blockieren müssen.
Die russische Linke ist schon länger sehr einsam, sofern sie im Land selbst überhaupt noch existiert. Das gilt auch für die russischen Intellektuellen im Exil, seit Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt. Selbst wenn sie die Frage nach ihrem Herkunftsland mit »Russland, aber« beantworten, will mit ihnen kaum noch jemand sprechen, es gibt eine Art Kontaktverbot, weil die meisten Ukrainer sich weigern, mit ihnen aufzutreten, und teilweise auch verlangen, sie von Veranstaltungen wieder auszuladen. Auch die ukrainischen Intellektuellen stehen unter starkem politischem Druck im eigenen Land.
Umso wichtiger war eine Podiumsdiskussion über die Lage der russischen Opposition, die der PEN Berlin direkt im Anschluss an die Israel-Veranstaltung organisierte: »Hoffnung für Russland: Irgendwer, irgendwie, irgendwann?« Erst mal überhaupt nicht, konstatierten die Historikerin Irina Scherbakowa (von der Menschenrechtsorganisation Memorial) und die Schriftsteller Michail Schischkin und Dmitry Glukhovsky. Letzterer war kürzlich in Russland in Abwesenheit zu 8,5 Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Memorial, die 2022 den Friedensnobelpreis bekam, ist verboten.
Für Scherbakowa stellt Russland eine »postmoderne hybride Diktatur dar«; wenn Putin den Krieg nicht verliere, dann sehe sie schwarz, sagte Scherbakowa. In diesem Land sei Konformismus die Norm und der Staat »das Monster«, erklärte Glukhovsky. Die Putin-Gegner müssten sich möglichst unsichtbar verhalten, um zu überleben. Schischkin erwartet sich von der total zerstrittenen politischen Opposition im Ausland gar nichts, höchstes von der kulturellen: »In Russland musst du zu allem bereit sein, sogar zum Guten.« Trotzdem verstehen sie, dass die Ukrainer nicht mit ihnen reden wollen, auch wenn Glukhovsky betont: »Ich bin kein Feind.«
Scherbakowa beklagte sich, es fehle den Ukrainern an Empathie. Davon hatte die ebenfalls auf dem Podium anwesende deutsche Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) reichlich, aber sonst nichts zu bieten. Die Frage von Moderator Deniz Yücel, wie denn die Bundesregierung russische Oppositionelle wie die auf dem Podium unterstützen wolle, wurde trotz langer lahmer Rede nicht beantwortet. Dafür duzte sie alle und wurde teilweise auch zurückgeduzt. Das hatte etwas merkwürdig Unernstes. Doch einen Satz von ihr kann man sich merken. Sie sei gegen Kulturboykott, denn: »Die russische Sprache ist nicht Eigentum von Wladimir Putin.«
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