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Kapitalismus-Blues
Die Türen sind ab jetzt die Kapitalismus-Blues-Band
Vor Kurzem hat das Berliner Label Staatsakt sein 20. Jubiläum begangen. Kaum auszumalen, wie viel öder die hiesige Popkulturlandschaft ohne ihre verlässlich-verschrobenen Outputs klänge. Egal ob Hans Unstern oder Isolation Berlin, Friends of Gas oder Chris Imler, Die Heiterkeit oder Bonaparte – sie alle haben ihre Debüts bei Staatsakt veröffentlicht. Hinzu kommen Veröffentlichungen von etablierten Acts wie Stereo Total, Die Sterne oder Christiane Rösinger.
Die Band aber, die so sehr für den Kern des Labels steht wie keine andere, ist Die Türen – gerne auch als »Haus- und Hofband« von Staatsakt bezeichnet. Kein Wunder, war doch ihr Debüt »Das Herz war Nihilismus« einst überhaupt Anlass für die Labelgründung – ganz dem Sponti-Motto verpflichtet, demzufolge man alles selber machen muss. Dass diesem – überraschend erfolgreichen – Erstling dann so viele weitere Releases folgen würden, war damals indes keineswegs abzusehen.
Mit den Jahren mauserte sich das Quartett um Türen-Sänger und Labelchef Maurice Summen zum Pop-Chamäleon: Dem NDW- und Electro-Pop-orientierten Debüt folgte 2007 das funkige, stellenweise soulige »Popo«. Später ging es dann straighter und postpunkiger zu, während »Exoterik« – das bis dato letzte Türen-Album aus dem Jahr 2019 – eine überlange Impro-Kaskade war.
Erstaunlich ist dabei immer wieder, wie viel kreative Energie Summen nebst dem turbulenten Label-Alltag noch innewohnt. Denn zu den mittlerweile sieben Türen-Alben kommen noch zwei Alben vom Türen-Pseudonym Der Mann, zwei Soloalben sowie Veröffentlichungen mit den Projekten Baked Beans und die Gruppe Oil hinzu. Verglichen mit »Exoterik«, der letzten Türen-Platte aus dem Jahr 2019, klingt »Kapitalismus Blues Band« wieder deutlich geradliniger und eingängiger. Statt auf Fläche, Improvisation und Elektronik setzt das Quartett nun stattdessen wieder auf Rhythmus und Melodie, wie man es bereits von »Popo« und »ABCDEFGHIJKLMOPQRSTUVWXYZ« (2012) kannte. Einmal mehr wird dabei deutlich, dass die Band mit Chris Imler wohl einen der interessantesten und charakteristischsten Drummer hierzulande in ihren Reihen hat. Egal ob bei seinem Soloprojekt, Oum Shatt oder eben Die Türen: Das von aberwitzigen Finessen und irrem Spielwitz geprägte Drumming Imlers ist unter Tausenden zu erkennen.
Textlich dominieren auf dem neuen Album wie gewohnt pointiert besungene Paradoxien (wie im groovigen Opener »Gut für mich, schlecht für die Welt« oder dem krautigen »Die Angst des weißen Mannes«), sarkastische Lifestyle-Kritik (wie im folkig-intimen Abschlusssong »Tiny House«) und normaler Alltagswahnsinn (wie im dubbig-repetitiven »Zu viel los gerade«). Dabei changiert das Quartett immer wieder zwischen verschiedenen Sinnebenen, vermeidet Aussagen zugunsten lyrischer Flüchtigkeit und lotet stattdessen Assoziationsräume aus, nur um sie im nächsten Moment wieder zu verwerfen. Am Ende hinterlässt einen das Album leicht verwirrt, mitunter taumelnd, aber mit einem breiten Grinsen.
Die Türen: »Kapitalismus Blues Band« (Staatsakt)
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