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Streikende in Hollywood: Gegen die Ausbeutung
Der Streik in Hollywood ist beendet. Das war ein beeindruckender und überaus erfreulich medienpräsenter Klassenkampf
Es ist nicht ganz einfach, sich Brad Pitt und Katie Holmes Fahnen schwenkend und Arbeiterlieder schmetternd im Gewerkschaftsoutfit vor Hollywood-Studios vorzustellen. Überhaupt erschien der Darsteller*innenstreik, der seit Monaten die Traumfabrik lahmlegte, für Film- und Serienverschiebungen und in den USA für ausgefallene Fernsehshows sorgte, vielen eher surreal, hat doch der geneigte Netflix-Konsument eher Glamour und Jetset vor Augen, wenn er an Hollywood-Schauspieler*innen denkt. Dennoch kam es genau dazu: Es waren zwar nicht die ganz großen Stars beteiligt, aber zu regelmäßigen Demonstrationen vor den Firmensitzen der milliardenschweren Produktionsfirmen versammelten sich die Gewerkschaftsmitglieder und Arbeitskämpfer*innen durchaus.
Naturgemäß ging es bei der Arbeitsniederlegung der US-amerikanischen Schauspieler-Gilde weniger um die Millionengehälter der Superstars, als vielmehr um die zum Teil durchaus mickrigen Honorare von Nebendarsteller*innen und Statist*innen, deren Existenz in dem schillernden Business prekärer ist, als man sich das vorstellt. »Die meisten unserer 160 000 Mitglieder kämpfen ums Überleben. Sie verdienen keine 26 000 Dollar im Jahr, um sich eine Krankenversicherung zu leisten«, erklärte etwa Duncan Crabtree-Ireland, einer der Verhandlungsführer der Schauspielergewerkschaft SAG-AFTRA, wie tagesschau.de berichtete. Schon angesichts der schieren Anzahl der vertretenen Künstler*innen – von den Streikmaßnahmen waren rund 65 000 Gewerkschaftsmitglieder betroffen – lässt sich erahnen, dass es hier um eine ganze Branche geht, deren Protagonist*innen auf faire Lohnregelungen und Verwertungsrechte angewiesen sind.
Zuletzt lieferte hierzulande im Jahr 2022 der Film »The Case You« einen Einblick in die prekären Verhältnisse von Schauspielerinnen und die Art, wie diese ausgenutzt werden. Noch prominenter wurde im Metoo-Skandal um Harvey Weinstein deutlich, dass die missbrauchten Künstlerinnen sich die Avancen und Übergriffe des Moguls zum Teil gefallen lassen mussten, weil vom Wohlwollen des Kapitalisten ihre Existenz abhing. Der nun mit einer Einigung zu Ende gegangene Schauspieler*innenstreik richtete sich auch gegen genau solche Zustände und zugleich ist der in aller Öffentlichkeit ausgetragene Disput zwischen Mehrwertproduzentinnen und Produktionsmittelbesitzerinnen in diesem Fall ein beeindruckender und überaus erfreulich medienpräsenter Klassenkampf.
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Das Film- und Unterhaltungsgeschäft ist bekanntlich ein Milliardenbusiness, und wo Geld gescheffelt wird, ist Ausbeutung der basalen Produzent*innen nicht weit. Insofern funktionieren Film- und Serienproduktionen letztlich nach den gleichen Regeln wie die Herstellung von Autos oder Smartphones. Es mag zu Recht eingewendet werden, dass der Verkauf der Ware Arbeitskraft im Kunstbereich etwas voraussetzungsreicher ist als bei Arbeitskräften am VW-Fließband, da hier Talent, also Fähigkeiten, die nicht ohne weiteres erlernbar und reproduzierbar sind, eine Rolle spielen. Aber auch in der Unterhaltungsindustrie gibt es »stille Reserven« an Arbeitskräften, die den Produktionsmittelbesitzern umfängliche Macht und die Möglichkeit verleihen, Löhne zu drücken.
Auch im sogenannten Entertainment geht es unter kapitalistischen Bedingungen also um nichts anderes als um Mehrwertakkumulation. Allein Netflix erzielte im dritten Quartal 2023 einen Umsatz von über 8,5 Milliarden US-Dollar und machte dabei 1,7 Milliarden Dollar Gewinn. Wie üblich sind diese Gewinne nichts anderes als von Kapitalisten einbehaltene Wertproduktion der Arbeiter*innen am Set und in der Produktion. Dieses Milliardengeschäft ist inzwischen hart umkämpft und wie in allen anderen Bereichen kapitalistischen Wirtschaftens findet die Konkurrenz auch hier in erster Linie durch Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft statt. Obwohl es in den Verhandlungen wie erwähnt durchaus auch um den Einsatz von KI ging, mit der Schauspieler*innen ersetzt werden können, ist es recht einsichtig, dass deren Arbeit nur eingeschränkt durch effektivere Produktionsprozesse veredelt werden kann, sodass die Ausbeutung hier hauptsächlich über den Lohn stattfindet. Und wie in allen anderen Wirtschaftszweigen können die Beschäftigten dagegen nur vorgehen, wenn sie sich gegen das Kapital organisieren. Nichts anderes haben die Hollywood-Schauspieler*innen nun getan. Die Darsteller*innen der zweiten und dritten Reihe zeigten, unterstützt durch Millionenspenden von Stars wie Leonardo Di Caprio oder Steven Spielberg, dass es auch in einer Branche, in der man es kaum erwartet, um Ausbeutung und existenzielle Zukunftsängste geht und dass man dagegen nur solidarisch vorgehen kann.
Mit Erfolg, wie es aussieht. Denn offenbar wurden in dem ausgehandelten Vertrag mit den großen Studios deutliche Verbesserungen für die Kunstarbeiter*innen und ein besserer Schutz vor der Aneignung durch Künstliche Intelligenz erzielt. Die finanziellen Risiken für die Studios, die ohne fortwährende Film- auch auf Mehrwertproduktion verzichten müssen, wurden offenbar so groß, dass sie sich auf den Deal einlassen mussten.
Es bleibt die Hoffnung, dass sich auch die Angestellten anderer Branchen von den klassenkämpferischen Leinwandheld*innen inspirieren lassen. Denn die große Fetisch-Metapher des unbewusst in der eigenen Hand befindlichen Revolvers aus dem 90er-Jahre-Klassiker »Fight Club« gilt im Kapitalismus überall und immerzu: ohne menschliche Arbeit keine Wertproduktion, ohne Arbeit kein Kapital, ohne Arbeiter keine Kapitalisten und auch keine Milliardengewinne.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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