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Berlin: Ostmodernes Bauen wieder aktuell

Berliner und Brandenburger Grüne holen sich Rückendeckung im Leibniz-Institut für raumbezogene Sozialforschung in Erkner

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.

Es werde »gerade nicht akut abgerissen«, sagt die Brandenburger Landtagsabgeordnete Sahra Damus (Grüne) über das sogenannte Generalshotel. Das Gebäude auf dem weitläufigen Gelände des Hauptstadtflughafens BER in Schönefeld steht eigentlich unter Denkmalschutz, soll aber dennoch abgerissen werden. Gegenwärtig steht es noch, wird aber bereits entkernt. Damus selbst und viele andere haben das zu verhindern gesucht. Doch die Bemühungen waren vergeblich. Manchmal brauche es ein schlechtes Beispiel, dass so etwas danach nicht wieder geschieht, ist der Politikerin gesagt worden. Aber es tröstet sie wenig. Es seien ja schon so viele Zeugnisse der Ostarchitektur abgerissen worden.

Ein weiterer Kulturfrevel wäre da tatsächlich nicht erforderlich, um endlich aufzuwachen. Harald Engler hat am Freitag ein Beispiel parat. Die Großgaststätte »Ahornblatt«, die vor 70 Jahren an der Berliner Fischerinsel entstand und mit dem kühnen Schwung ihres Dachs beeindruckte, aber im Sommer 2000 geschleift wurde. Engler kennt zum Glück auch positive Beispiele und nennt den Ernst-Thälmann-Park, ein Wohngebiet mit viel Grün und einem riesigen Denkmal des KPD-Vorsitzenden an der Greifswalder Straße, ebenfalls in Berlin. Der Thälmann-Park blieb erhalten.

Engler arbeitet im Forschungsschwerpunkt Zeitgeschichte am Leibniz-Institut für raumbezogene Sozialforschung (IRS) in Erkner. Politiker der Grünen aus dem Brandenburger Landtag und dem Berliner Abgeordnetenhaus besuchen dieses Institut am Freitag. Es gehörte zu den vier von insgesamt 16 Einrichtungen der DDR-Bauakademie, die nach der Wende weitermachen durften. Engler stammt übrigens aus dem Schwarzwald und studierte an der Freien Universität in Westberlin. »Ich bin kein Fan von ›alles muss erhalten werden‹. Wir leben ja nicht im Museum«, gesteht er. Es dürfe auch durchaus etwas abgerissen werden. Aber Beispiele für verschiedene Bautypen sollten bewahrt werden, etwa ein Dorfkonsum oder ein bestimmter Schultyp.

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Als Engler vor 16 Jahren ans IRS kam, war die Zeit schon reif, solche Gebäude aus DDR-Tagen unter Denkmalschutz zu stellen. In den 90er Jahren habe es noch anders ausgesehen, erinnert er. Seinerzeit sei die Sichtweise auf die Ostarchitektur noch vom Kalten Krieg bestimmt gewesen. Sie habe auf den »Müllhaufen der Geschichte« gesollt. Dabei könne Berlin heute froh sein, die Großsiedlungen von Hohenschönhausen, Marzahn und Hellersdorf zu haben. Ohne sie gäbe es in der Hauptstadt kaum noch bezahlbare Wohnungen. Engler würdigt das »soziale, emanzipatorische Programm«, das hinter den Plattenbausiedlungen steht. »Allerdings gab es ein paar Umsetzungsschwierigkeiten.« Das sollte durchaus kritisch beleuchtet werden, wie aber auch das Bauen in der BRD zur selben Zeit kritisch unter die Lupe zu nehmen wäre. »Das vermisse ich manchmal ein bisschen«, bekennt der Wissenschaftler.

Ostmoderne, diesen Begriff prägte übrigens ein Kollege am IRS, der das Institut allerdings inzwischen verlassen hat: Andreas Butter. »Wir haben das Copyright«, bemerkt Harald Engler schmunzelnd. Das Schönefelder Generalshotel ist eher dem Neoklassizismus zuzurechnen, so wie auch die prächtige Stalinallee in Ostberlin. Die 50er Jahre standen noch im Zeichen dieser Stilrichtung. Die von großer Funktionalität gekennzeichnete Ostmoderne setzte sich erst später durch.

Am IRS interessieren sie sich nicht so sehr für die Zusammensetzung der Betonmischung beim Wohnungstyp WBS 70, sondern eher für dessen Bewohner und auch für das Lebenswerk der Architekten, die ihre Ideen in größeren Kollektiven entwickelten. Das Institut verfügt nach eigenen Angaben in seinem Archiv über die größte Sammlung zur Bau- und Planungsgeschichte der DDR. »Die DDR ist tot, aber das Archiv wächst noch«, erläutert Engler am Freitag. Denn es werden die Nachlässe von alten DDR-Architekten aufgenommen, die erst jetzt sterben.

Aus der Geschichte zu lernen, bietet sich beim Thema DDR-Baukultur an. Die serielle Bauweise der Wohnblöcke damals könnte in verbesserter Form wieder verwendet werden. »Unsere Gesellschaft schafft es heute nicht, ausreichend Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Das ist ein großes Problem«, merkt Engler an. Er verweist darauf, dass es auch eine Westmoderne gebe, die zuweilen fast genauso umstritten sei. Er erwähnt die Beethoven-Halle in Bonn. Diese wurde 1959 eröffnet und 1990 in die Denkmalliste eingetragen. Dennoch drohte ab 2008 ein Teilabriss zugunsten eines neuen Festspielhauses. Das scheiterte nur am Rückzug der Investoren und am Widerstand gegen ein solches Projekt. Es wurde 2015 aufgegeben.

Bloß nicht zu positiv möchte der Berliner Abgeordnete Andreas Otto (Grüne) den Ernst-Thälmann-Park betrachtet wissen. Er verweist am Freitag auf das Gaswerk, das zuvor an dieser Stelle gestanden hatte und auf die damit verbundenen Umweltbelastungen. Von da aus kommt Otto zu Anwohnern, die davon nach der Wende nichts hören wollten, weil das geeignet wäre, die DDR madig zu machen. Aber wer habe denn einst Wohnungen in dieser Lage bekommen, doch nur jemand mit Systemnähe, meint der Politiker.

Andreas Otto stammt aus Brandenburg, ist 1962 in Templin zur Welt gekommen. Er war Mitglied in der Grünen Partei der DDR, die im Dezember 1989 gegründet wurde. Dann arbeitete er von 1993 bis 2006 als Geschäftsführer der Robert-Havemann-Gesellschaft, die sich selbst im Untertitel als »Archiv der DDR-Opposition« bezeichnet. In die Rubrik DDR-Opposition lässt sich Andreas Otto getrost einsortieren. Dabei wäre allerdings festzuhalten, dass die Grüne Partei der DDR noch am Weiterbestehen einer freilich demokratisch gewandelten DDR festhielt, als selbst die SED-PDS in dieser Frage schon kapituliert hatte, weil eine solche Forderung in der Bevölkerung nicht mehr mehrheitsfähig war.

Mit seinem Doppelhaushalt 2023/2024 stellte das Land Brandenburg erstmals 100 000 Euro für die Restaurierung von DDR-Kunst am Bau zur Verfügung. Das sei sicherlich eine geringe Summe, aber immerhin ein Anfang, findet die Landtagsabgeordnete Damus. Für die Zeit nach dem Doppelhaushalt müsste das neu verhandelt werden. Da wäre es hilfreich, wenn die Wissenschaftler Rückendeckung geben.

Wegen des Generalshotels, in dem in der DDR ankommende und abfliegende Staatsgäste abgefertigt worden waren, hatte das IRS Kontakt zum Landesdenkmalamt aufgenommen, dann aber nicht »auf die Pauke gehauen«, wie Harald Engler sagt. Es habe sich herausgestellt, dass hier leider nichts mehr zu machen sei. Die Denkmalschützer hatten den Abriss ja selbst nicht befürwortet. Ihre Einwände waren im Planfeststellungsverfahren zum Bau des neuen Hauptstadtflughafens BER aber nicht berücksichtigt worden. Mit dem Planfeststellungsbeschluss im Jahr 2011 war der Abriss genehmigt worden.

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