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Spaltung der Linkspartei: Eine linke Enttäuschung
Wolfgang Hübner über Erwartungen an Die Linke und deren vorläufigen Tiefpunkt
Man muss nicht lange suchen, um in der Gründungszeit der Linkspartei Sinnbilder zu finden, die die Dramatik der gegenwärtigen Linke-Krise deutlich machen. Damals, im Juni 2007, konstituierte sich die neue Partei im Berliner Hotel »Estrel«. Am Vorabend hatten die Delegierten von Linkspartei.PDS und WASG in benachbarten Sälen noch einmal getrennt diskutiert und letzte Beschlüsse gefasst; über Nacht verschwand die Trennwand, und die Fusion wurde in einem riesigen Saal zelebriert. Vielleicht war es keine Trennwand, die etwa zehn Jahre später in der Partei wieder spürbar wurde, vielleicht eher eine Kluft – aber seit Jahren schon wuchsen die Differenzen und wurden schließlich zu Gegensätzen, die alles andere überlagerten.
»Wir sind gekommen, um zu bleiben«, rief damals Lothar Bisky aus, einer der Gründerväter der Linkspartei. Er, Gregor Gysi und Oskar Lafontaine waren das prägende Triumvirat des neuen Bündnisses; sie standen jahrelang an der Spitze von Partei und Bundestagsfraktion. Das ist noch gar nicht so lange her und scheint doch eine Ewigkeit zurückzuliegen. Der eine ist inzwischen tot; der Zweite versucht zum soundsovielten Mal die Partei zu retten; der Dritte hat sich abgewandt und macht ihr mit einem neuen Projekt Konkurrenz. Das ist die Lage der Linken in wenigen Worten.
Man muss sich vergegenwärtigen, was für ein Fortschritt das Zustandekommen der Linkspartei war, wenn man verstehen will, was ihre Krise bedeutet. Mit der Gründung dieser Partei 2007 und dem Einzug einer Linksfraktion in den Bundestag schon zwei Jahre zuvor war etwas gelungen, was bis dahin als schier unmöglich galt: eine starke politische Kraft links neben der SPD zu etablieren, und zwar bundesweit. In der alten Bundesrepublik war das KPD und DKP nie gelungen; die Grünen entzogen sich dem Links-rechts-Schema und sind längst eine Partei der Mitte; und die PDS blieb trotz zäher Bemühungen im Wesentlichen auf Ostdeutschland beschränkt.
Das änderte sich mit der Linkspartei, und es hatte Einfluss auf die deutsche Politik. Ohne diese Partei, ihr beharrliches Drängen und ihre Stärke würde es keinen gesetzlichen Mindestlohn geben. Ohne sie gäbe es keine Fraktion im Bundestag, die sich beständig den Bundeswehr-Auslandseinsätzen, der Militarisierung der Politik verweigert. Ohne sie würde eine wichtige antifaschistische Kraft im Kampf gegen den Rechtsextremismus fehlen. Ohne sie wäre die Europäische Linke entschieden schwächer. Nicht von ungefähr hatten dort Vertreter der deutschen Linken immer wieder Führungspositionen inne.
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Die Linke muss nun einen Neuanfang versuchen. Die Verhältnisse in der zerrütteten Bundesfraktion sind faktisch geklärt, der Europaparteitag in Augsburg steht bevor. Er muss mehr werden als eine trotzige Jetzt-erst-recht-Pose. Die Linke muss programmatische Fragen klären, die teils seit der Gründung vor 16 Jahren offen geblieben, teils neu hinzugekommen und bislang offenbar nicht überzeugend beantwortet sind. Das hat maßgeblich mit den großen Krisen seit 2015 zu tun. Die Welt mit ihren anschwellenden Widersprüchen hat sich immer schneller verändert und keine Rücksicht darauf genommen, ob Die Linke noch hinterherkommt oder im Streit außer Puste gerät.
Nun ist da eine Lücke; nicht nur eine Repräsentationslücke, von der Sahra Wagenknecht spricht. Sondern auch eine Lücke, was praktische und fantastische linke Alternativen zum furchtbaren Zustand dieser Welt betrifft. Das Bündnis Sahra Wagenknecht wird diese Lücke höchstens teilweise füllen können. Auf gar keinen Fall etwa beim Thema Migration, bei dem die Frontfrau inzwischen eine abstoßende Rhetorik pflegt, die man bis vor ein paar Jahren nur von rechts außen zu hören bekam. Verschwindet Die Linke von der bundespolitischen Bühne, dann wird das langfristige politische Folgen haben. Und zwar keine guten. Darin liegt eine große Verantwortung.
Als Die Linke 2007 entstand, waren auch zwei namhafte Mitbegründer der Europäischen Linken zugegen. Die Linke könne eine Hauptrolle in der Politik spielen – wenn sie sich einig ist, sagte der italienische Kommunist Fausto Bertinotti. Und sein französischer Genosse Francis Wurtz bat den Parteitag inständig: »Bitte, enttäuscht uns nicht!« Wahrscheinlich schwang in diesem Satz mehr bittere Erfahrung linker Zerwürfnisse mit, als man damals in der Euphorie zur Kenntnis nehmen wollte. Beide sind inzwischen betagt, ihre Parteien spielen längst Nebenrollen, und nun müssen sie beobachten, dass auch die deutsche Linke strauchelt. Sollte sie scheitern, wäre das ein schwerer Schlag für die Linke in ganz Europa.
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