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Antifeministische Krieger

Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen: Gewalt an Frauen ist immer eine Machtdemonstration

  • Bettina Wilpert
  • Lesedauer: 5 Min.

Der 7. Oktober 2023 ist eine Zäsur. Das Massaker der terroristischen Hamas auf israelischem Boden, bei dem schätzungsweise 1200 Menschen starben und etwa 240 Geiseln genommen wurden, ist das größte Pogrom gegen Juden und Jüd*innen seit dem Ende der Shoah. Gezielt richtete sich die Gewalt der Hamaskämpfer dabei gegen Frauen: Sie vergewaltigten israelische Frauen, filmten die Übergriffe und veröffentlichten die Videos als Teil ihrer Propagandamaschinerie. Besonders beim Angriff auf das Supernova-Festival sind zahlreiche Vergewaltigungen dokumentiert, aber auch bei den Überfällen auf Kibbuze. Dieser Teil der Gewalt des 7. Oktobers, der sich explizit gegen Frauen richtete, wird im Diskurs oft wenig beachtet und der feministische Aufschrei danach blieb aus.

Durch die Angriffe Israels auf den Gazastreifen als Reaktion auf den Anschlag der Hamas sind besonders Kinder und Frauen gefährdet, von Gewalt betroffen zu werden. Laut palästinensischen Angaben sind in den letzten Wochen in Gaza bereits mehr als 12 000 Menschen gestorben und rund 1,5 Millionen Palästinenser*innen befinden sich auf der Flucht. Die von der UN betriebenen Notunterkünfte im Süden des kleinen Küstenstreifens sind völlig überfüllt. Die Sprecherin des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen weist darauf hin, man wisse aus anderen Krisensituationen, dass in überfüllten und engen Unterkünften die Gewalt ansteige. Vor allem Frauen und Kinder litten unter der Gefahr von Übergriffen.

Die Körper von Frauen werden im Krieg zum Schlachtfeld. Für cis Männer (Männer, die sich mit dem ihnen zugeschriebenen Geschlecht indentifizieren) stellen Flinta (Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, trans und agender Personen) im Patriarchat eine Bedrohung dar. Gewalt gegen Flinta ist immer eine Machtdemonstration und dient der Kontrolle über sie. Vergewaltigungen im Krieg gab es schon immer, doch erst in den 90er Jahren begann, angestoßen durch die Vergewaltigungslager in Jugoslawien, deren Aufarbeitung. Auch im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine werden Vergewaltigungen laut der UN systematisch eingesetzt. Sie richten sich gegen Frauen, Männer und Kinder gleichermaßen.

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Die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten sind keineswegs zwei isolierte Phänomene. Erst Ende Oktober reiste eine Hamas-Delegation nach Russland und traf sich dort mit Diplomaten des russischen Außenministeriums. Israel verurteilte das Treffen in Moskau. Putin erhofft sich, dass die Welt den Blick von der Ukraine abwendet und auf Israel schaut.

Ein weiterer Akteur darf bei beiden Kriegen nicht vergessen werden: der Iran. Iranische Drohnen terrorisieren die ukrainische Bevölkerung, und die Hamas wird zu großen Teilen vom Iran finanziert. Iran, Russland, die Hamas: Sie alle sind autoritär und kämpfen gegen eine moderne aufgeklärte demokratische Welt. Zudem vereint sie ihr Antisemitismus und Antifeminismus. Das ist laut der Sozialwissenschaftlerin Johanna Niendorf kein Zufall, da emanzipatorische Bewegungen oft von antisemitischen und antifeministischen Gegenbewegungen begleitet werden. Auch aktuell in Deutschland zeigt sich der Zusammenhang dieser reaktionären Strömungen wie die Leipziger Autoritarismusstudie verdeutlicht: Dabei gibt es zwischen antifeministischen Aussagen, dem Glauben an Verschwörungen, antisemitischen Einstellungen und religiösem Fundamentalismus einen deutlichen Zusammenhang. Verschwörungserzählungen vereinen beide Weltbilder: Einerseits ist die Rede von der jüdischen Weltverschwörung, andererseits fantasieren Antifeminist*innen eine Gender-Ideologie, die schon kleinen Kindern eingetrichtert würde, herbei. Der Täter von Halle, der 2019 eine Synagoge angriff und zwei Menschen tötete, handelte aus Antisemitismus und Frauenhass. Ebenso der Täter von Oslo 2011, der ein geschlossenes rechtsradikales Weltbild hatte, dem Frauenhass inhärent war.

Auch in Deutschland müssen Frauen sterben, weil sie Frauen sind. Laut dem Bundeslagebild Häusliche Gewalt wurden im vorigen Jahr 133 Frauen von ihren (Ex-)Partnern getötet. Aktivist*innen zählten dieses Jahr bereits 99 Femizide.

Femizid ist der Gipfel der patriarchalen Gewalt, darunter stehen häusliche und sexualisierte Gewalt, sexuelle Belästigungen oder sexistische Sprüche. Häufig üben Täter diese Gewalt aus dem sozialen Nahraum aus, Trennungssituationen sind besonders gefährlich für Frauen. Laut einer Dunkelfeldstudie der Hochschule Merseburg für das Land Sachsen erlebte jede dritte Frau körperliche und/oder sexualisierte Übergriffe innerhalb einer Paarbeziehung. Neun von zehn Frauen haben bereits mehrfach zum Beispiel Hinterherpfeifen oder als unangemessen empfundene Sprüche erlebt.

Die meisten Statistiken kennen nur die binären Formen Mann und Frau, obwohl gerade trans Personen besonders häufig von Gewalt betroffen sind. Etwa 50 Prozent von ihnen haben im öffentlichen Raum Gewalt, meist sexualisierter Art, erfahren.

Der jährliche Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am 25. November kann diese Gewalt sichtbar machen und ins öffentliche Bewusstsein bringen. Doch was kommt danach? Die Erfahrung, Gewalt erlebt zu haben oder ihr ausgesetzt zu sein, eint Flinta auf der ganzen Welt. Daraus könnte etwas entstehen. Frauen sind keine Minderheit. Die feministische Revolution im Iran hat gezeigt, dass ausgehend von feministischen Kämpfen eine ganze Gesellschaft aufbegehren kann und sich auch Männer mit ihr solidarisieren.

Doch der 7. Oktober stellt nicht nur für Juden und Jüd*innen eine Zäsur dar, sondern auch für die feministische Bewegung. Viele von denen, die vor einem Jahr noch laut »Jin, Jiyan, Azadî« gerufen haben, schwiegen zu dem Massaker der Hamas. Kurzer Realitycheck: Die islamistische Terrororganisation Hamas ist das Gegenteil von feministisch. Sie unterdrückt Homosexuelle, und der Scharia-Rat in Gaza erlässt immer wieder Urteile zum Nachteil von Frauen, so dürfen unverheiratete Frauen zum Beispiel nicht ohne Erlaubnis ihres Vormundes reisen. Wer Morde an Israel*innen als Befreiungskampf ansieht, kann in meinen Augen nicht feministisch sein. Denn Feminismus bedeutet, für eine emanzipatorische Gesellschaft für alle einzustehen, in der alle sicher leben und lieben können. Palästinenser*innen und Jüd*innen.

Bettina Wilpert ist Schriftstellerin und beschäftigt sich in ihren Texten u. a. mit sexualisierter Gewalt. Zuletzt erschien ihr Roman »Herumtreiberinnen« im Verbrecher-Verlag.

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