Krieg im Gazastreifen: Umstrittene Mittäterschaft

Embedded by Hamas? Die deutsche Justiz, die Moral und die Medien

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Die aktuelle Feuerpause in Gaza bietet Gelegenheit, die mediale Berichterstattung über den Krieg kritisch zu betrachten. Dazu tragen zwei namhafte deutsche Rechtsanwälte bei: Hans-Jürgen Förster und Thomas Walther. Sie haben vor einigen Tagen Anzeige beim Generalbundesanwalt gegen vermeintliche Bildjournalisten erstattet, die den Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober dokumentierten. Hintergrund: Werden Deutsche Opfer von Verbrechen im Ausland, können die Taten durch deutsche Behörden verfolgt werden.

Förster kennt sich in dem Metier aus. Er arbeitete einst selbst bei der obersten deutschen Strafverfolgungsbehörde, war Ankläger in bedeutenden Spionageprozessen und Sprecher dreier Generalbundesanwälte. Walther half als Richter und Staatsanwalt Nazi-Verbrechen aufzuklären und trug wesentlich dazu bei, dass der als »Ivan der Schreckliche« bekannte KZ-Aufseher Demjanjuk 2011 in München verurteilt wurde. Dieser Schuldspruch hat die bis dahin weitgehend zurückhaltende deutsche Rechtsprechung reformiert. Nun steht Walther an der Seite von deutsch-israelischen Familien, die vom Terror der Hamas betroffen sind.

Die beiden betagten Juristen äußern den Verdacht, dass bestimmte Reporter psychische Beihilfe zum Terror der Hamas – es geht unter anderem um Mord und Geiselnahme – leisteten. Die Freiberufler seien bei ihrer Fotodokumentation »unmittelbar in das Tatgeschehen« involviert gewesen. Die Berufsausübung als Journalist schütze sie nicht vor Strafverfolgung.

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Zur Erinnerung: Schon am Tag des Überfalls, bei dem laut israelischer Regierung 1200 Menschen umgebracht und 240 als Geiseln genommen wurden, waren die Medien voll mit Bildern und Videos, die das Wüten der Terroristen zeigten. Doch das Vorgehen einiger Berichterstatter werfe »ernsthafte ethische Fragen« auf, schrieb »HonestReporting«. Die Nichtregierungsorganisation analysiert – so die Eigendarstellung – Geschichten, Artikel, Meinungsbeiträge und Bilder, die in der Medienberichterstattung über Israel erscheinen und deckt Ungenauigkeiten oder Vorurteile auf. So kam es zu den Vorwürfen gegen Hassan Eslaiah, Yousef Masoud, Ali Mahmud und Hatem Ali.

Die Agentur AP hat – kaum, dass der Überfall lief – Aufnahmen der vier veröffentlicht. Auch der US-Nachrichtesender CNN sowie die »New York Times« nutzten solche Videos und Fotos. Zu sehen sind Lynchjustiz und Entführungen. Eslaiah posierte dabei sogar vor einem brennenden Panzer. Yousef Mahmud wiederum fotografierte einen Pick-up, auf dessen Ladefläche der Körper der entführten und getöteten Deutsch-Israelin Shani Louk lag. Auch Reuters veröffentlichte Überfallfotos von zwei Fotografen namens Mohammed Fayq Abu Mostafa und Yasser Qudih. Eine Aufnahme von Abu Mostafa zeigt einen Mob, der die Leiche eines israelischen Soldaten schändet.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) fordert von den großen internationalen Nachrichten- und Bildagenturen Aufklärung über den Verdacht, einige ihrer Freelancer wären vorab vom Überfall der Hamas auf Israel informiert gewesen. »Um der Glaubwürdigkeit des Journalismus willen hoffe ich inständig, dass an den Vorwürfen nichts dran ist«, erklärt Mika Beuster, der DJV-Bundesvorsitzende. Es handle sich um »unglaubliche Vorwürfe von immenser Tragweite«, die »umfassend aufgeklärt werden« müssten. Da seien die Auftraggeber der Freiberufler genauso in der Pflicht wie die Fotografen selbst.

Lesen Sie zum Thema Desinformation auch das Interview mit Medienwissenschaftler Martin Löffelholz »Kommunikation, Information und Medien gehören zur Kriegsführung«.

Wie bei jedem medial begleiteten Krieg wird nun darüber debattiert, wie nah man als Berichterstatter dem Geschehen sein darf – oder muss. Zumal die Beschuldigten keineswegs professionelle Journalisten sind und sie offenbar eine zu große Nähe zur Hamas haben. Die schätzte die Aufnahmen als Propaganda-Instrument. Richtig ist aber ebenso, dass die Bilder und Videos als Belege für abscheuliche Verbrechen taugen.

»Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat«, sagt Paragraf 27 des deutschen Strafgesetzbuches. Wie sieht das der Generalbundesanwalt in Bezug auf das, was die Beschuldigten (sich) geleistet haben?

Tatsache ist: Die Hamas hat ihr genehme Berichterstatter in ihre Angriffsspitzen eingegliedert. Die Methode ist spätestens seit dem Überfall der USA auf Irak bekannt. Damals sprach man über derartige Arbeit als »Embedded Journalism«. Die Kriegsberichter waren quasi Teil der US-Truppen und wurden – welch Hohn auf freie und objektive Berichterstattung – von den Aggressoren instrumentalisiert. Bereits damals und bei späteren Einsätzen wie dem Krieg in der Ukraine stellten sich ethische Fragen zu Stellung und Auftrag von Journalisten sowie den moralischen Grundfesten ihrer Auftraggeber. In Zeiten, in denen soziale Medien Qualitätsjournalismus immer mehr an den Rand drängen, Nachrichten eine Ware sind und öffentlich-rechtliche Medien wie ARD und ZDF immer weniger ihrem Auftrag nachkommen, sind Antworten dringender denn je. Doch kann man die von Bundesanwälten in Karlsruhe erwarten?

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