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Nach uns die Sintflut
Douglas Rushkoff entlarvt die soziopathischen Fluchtpläne der Superreichen aus der von ihnen verschuldeten Klimakatastrophe
Es klingt wie eine Szene aus einem dystopischen Science-Fiction-Film: Douglas Rushkoff, Professor für Medientheorie an der New York University, wird für eine horrende Summe in ein luxuriöses Resort in der Wüste eingeladen. Er glaubt, er soll dort einen Vortrag halten. Stattdessen stellen ihm fünf mysteriöse Superreiche aus der Hedgefonds-Welt detaillierte Fragen zu ihrem Überleben nach der globalen Apokalypse. Wie sollen sie sich auf »The Event« vorbereiten? Wo sollen sie ihre Bunker bauen, um dafür gewappnet zu sein? In Alaska oder lieber doch in Neuseeland? Diese technologiegläubigen »Prepper« sind überzeugt davon, dass »The Event« eintreten wird: Ausgelöst beispielsweise durch den Klimawandel, einen Atomkrieg, soziale Unruhen, eine globale Pandemie oder unkontrollierbar gewordene Killerroboter.
Die Katastrophe zu verhindern, kommt der »Bunkerklasse« nicht einmal in den Sinn. Vielmehr sind sie davon überzeugt, dass sie bereits zu weit gegangen sind und die Welt nicht mehr zu retten ist.
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Das Mittel der Wahl der Tech-Jünger heißt Flucht. Vor uns, dem ärmeren, entrechteten Rest der Menschheit. Sie sorgen sich auch, dass die Wachen, die sie zum Teil bereits engagiert haben, ihnen womöglich nicht mehr gehorchen werden, wenn das Geld durch »The Event« seinen Wert verliert. Vielleicht könnte man spezielle Zahlenschlösser an den Lebensmitteltresoren anbringen, die die Wachen davon abhalten, ihre Auftraggeber zu töten? Oder könnte man ihnen womöglich disziplinarische Halsbänder anlegen? Oder stattdessen doch lieber Roboter einsetzen – falls die Technologie dann hoffentlich schon so weit ist?
Der entsetzte Rushkoff begreift, dass diese superreichen Prepper unter dem Einfluss eines erschreckenden Gedankenkonstrukts stehen. Er nennt es fortan »The Mindset« – eine Denkweise, die man aus dem Silicon Valley kennt: Man missachtet einfach weiter ungehindert die Gesetzmäßigkeiten von Wirtschaft und Physik, die Technologie wird es am Ende schon richten. Überleben werden eben die, die es sich leisten können.
Im Verlaufe seines spannender als ein Krimi zu lesenden Buches beleuchtet er von verschiedenen Seiten, wie es überhaupt zu einer dermaßen hyperindividualistischen, parasitären Sicht auf die Welt kommen konnte. Rushkoff spricht mit Investoren und Wissenschaftlern, wie beispielsweise dem Biologen Richard Dawkins oder dem kolumbianischen Immobilienmogul Rodrigo Niño, deren technologiegläubiges und menschenfeindliches »Mindset« längst Wirtschaft, Politik und Gesellschaft maßgeblich mitbestimmt.
Rushkoff, der sich seit den Neunzigerjahren bereits kritisch mit der Digitalisierung beschäftigt hat, bringt weitere Beispiele, etwa die Ausbeutung menschlicher Daten durch Unternehmen wie Facebook. Schon längst sind wir, so Rushkoff, nicht mehr ihre Nutzer, sondern Produkte. Menschen werden als Hardware angesehen, sie zu manipulieren ist weitaus einträglicher als sie zu ermächtigen, sagt er an anderer Stelle. Auch zeigt er auf, wie Meisterprogrammierer sich immer wieder anschicken, die Welt neu zu erschaffen – als sei sie bloß ein Videospiel. Als könnte man die Realität auf null setzen. Die Heldenreise, die uns aus jedem Buch, jedem Film entgegenschreit, wird zum Vorbild genommen, so Rushkoff. Am Ende wird alles gut – zumindest für die Superreichen. So denken sie. Das wahre Leben erzählt ganz andere Geschichten.
An anderer Stelle sinniert der Autor über den Trend, dass selbstermächtigte »Leader« und Influencer beim legendären Festival »Burning Man« oder irgendwo im Amazonasgebiet psychedelische Drogen nehmen – und »geläutert« zurückkehren, um für uns im Alleingang die Probleme der Welt zu lösen. Möglichst gewinnbringend. Vorgetragen im reißerischen TED-Talk-Format. Mit Technologie als Allheilmittel. Es kommt ihnen nicht in den Sinn, sich Akteur*innen in aller Welt anzuschließen, die sich – ganz ohne Profitgier – bereits auf den Weg gemacht haben. Rushkoff zitiert Studien, die belegen, dass ökonomische Eliten Regierungen substanziell manipulieren, während Bürger und Interessensgruppen wenig oder überhaupt keinen Einfluss mehr haben. An dieser, aber auch an anderen Stellen des faktenreichen Buches wäre man gern noch tiefer eingestiegen.
»Anstatt für unsere Sicherheit zu sorgen, sind unsere finanziellen und technologischen Systeme mittlerweile die größte Bedrohung für unser kollektives Wohlergehen,« resümiert Rushkoff gegen Ende. Erhellend in diesem Zusammenhang auch sein Hinweis auf Forschungen, die ergeben haben, dass die Erfahrung von Reichtum und Macht den Teil des Gehirns beeinflusst, der für Empathie und sozial angemessenes Verhalten zuständig ist. Arme Leute – so Rushkoff – sind viel besser darin, die Emotionen ander Menschen zu beurteilen. Entsprechend, so schließt Rushkoff, sollten wir nicht nur »mit kritischen Ohren die Versprechen der Tech-Titanen und Milliardeninvestoren hinterfragen, sondern auch die der Weltherrscher in ihrem Bann«.
Nur gemeinsam können wir es schaffen, betont der Autor ein ums andere Mal. An dieser Stelle hätte man sich umfassendere Lösungsvorschläge gewünscht, wie man die superreichen Soziopathen politisch und gesellschaftlich aushebeln könnte – aber das wäre auch ein spannendes Thema für ein weiteres Buch dieses klugen Autors. Zeit dafür wird er vermutlich haben, man kann sich nach der Lektüre auf jeden Fall nicht vorstellen, dass er weiterhin von Tech-Millardären zu Rate gezogen wird. Zu hoffen ist jedenfalls, dass sich ein deutscher Verlag jetzt erst einmal dieses, bisher nur auf Englisch vorliegenden Bandes zwecks Übersetzung annimmt.
Douglas Rushkoff: Survival of the Richest. Escape Fantasies of the Billionaires. Norton & Company, 212 S., geb., 19,30 €.
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