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Klimakonferenz: Schwieriges deutsches Schaulaufen in Dubai
Die Haushaltskrise der Bundesregierung wirft einen Schatten zur Weltklimakonferenz
Deutschlands Image als Vorzeigeland des Klimaschutzes weist schon seit Längerem Blessuren auf. Ihr Klimaziel für 2030 kann die Bundesrepublik praktisch nicht mehr aus eigener Kraft erfüllen, sondern nur noch durch teuren Zukauf von Emissionsrechten. Die vor zwei Jahren beim UN-Gipfel in Glasgow eingegangene Verpflichtung, keine fossilen Investitionen im Ausland mehr zu unterstützen, versucht die Bundesregierung nach wie vor zu umschiffen – beim Erdgas-Großprojekt in Senegal genauso wie beim Ausbau der LNG-Infrastruktur in den USA. Außerdem ist Deutschland aus seinem klimapolitischen Selbstbild heraus zwar Mitglied einer High-Ambition-Koalition von ehrgezigen Staaten, doch die Bundesregierung trägt deren Forderung nicht mit, bei der Weltklimakonferenz in Dubai den Einstieg in den Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen zu beschließen.
Mit großem Aufgebot reist man trotzdem an. In Dubai wird nicht nur Bundeskanzler Olaf Scholz im Reigen der Staats- und Regierungschefs erwartet, sondern auch die Spitzen der Ressorts für Äußeres, Wirtschaft, Umwelt, Entwicklung und Verkehr wollen sich blicken lassen. Es ist das bisher größte klimapolitische Schaulaufen einer Bundesregierung, die nun allerdings durch das 60-Milliarden-Urteil des Bundesverfassungsgerichts und das darauf folgende finanzielle Staatsbeben auch auf der Klimakonferenz in ziemliche Schwierigkeiten gerät. Denn auf so einer COP verkünden die Minister*innen gern vor versammelter Weltöffentlichkeit Klimaprojekte und -partnerschaften und sagen dabei gleich mindestens eine Anschubfinanzierung zu. Schätzungen zufolgen sollten in Dubai Hunderte Millionen Euro versprochen werden. Das Geld dafür besteht meist aus sogenannten Verpflichtungsermächtigungen, die der Finanzminister aber gerade für den Haushalt 2023 gesperrt hat. Für die Projekte, die meist über mehrere Jahre laufen, lässt sich bisher schwer einschätzen, was die völlige Neufassung des Bundeshaushalts 2024 mit sich bringt. Das gilt auch für die deutsche Selbstverpflichtung, jährlich sechs Milliarden Euro zur internationalen Klimafinanzierung beizusteuern. Dieses Geld kommt größtenteils ebenfalls aus dem Bundeshaushalt sowie zum kleineren Teil von der Förderbank KfW.
2022 brachte Deutschland dafür 6,39 Milliarden Euro auf. 56 Prozent davon flossen in Klimaschutzprojekte und 44 Prozent in Anpassungsmaßnahmen – vor allem in schwach entwickelten Ländern, die zugleich besonders unter den Folgen des Klimawandels leiden. Der größte Teil kam aus dem Haushalt des Entwicklungsministeriums. Unklar ist, was mit den 5,1 Milliarden Euro wird, die bisher für die diesjährige Klimafinanzierung vorgesehen sind. Das Finanzministerium hat die Ausgabe neuer Verpflichtungsermächtigungen für 2023 generell gestoppt, um, wie es heißt, Vorbelastungen für kommende Jahre zu vermeiden.
Wenigstens die sechs Milliarden von 2022 sind für Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig »in trockenen Tüchern«. Dieses Geld werde außerdem durch Mittel aus dem Bankensektor aufgestockt, die keiner Haushaltssperre unterlägen, so der Klimaökonom.
Die schwierige deutsche Haushaltslage wird indes auf dem beginnenden Klimagipfel diskutiert werden, merkt Viviane Raddatz von der Umweltstiftung WWF an, die bereits in Dubai ist. So etwas hätten viele von Deutschland nicht erwartet. Raddatz hat indes den Eindruck, dass in Deutschland gerade alles unternommen werde, um das Problem in den Griff zu bekommen.
Dennoch: Allein das Umweltressort hat mit dem Verfassungsgerichtsurteil auf einen Schlag knapp eine Milliarde Euro verloren, die im Klima- und Transformationsfonds für Maßnahmen zur Klimaanpassung in Deutschland vorgesehen waren, sagt Ministerin Steffi Lemke. Seither wird die grüne Ministerin nicht müde zu betonen, dass bei der Haushaltsneuordnung der Klimaschutz nicht unter den Tisch fallen dürfe. Immerhin habe Karlsruhe selbst mit seinem Klima-Urteil vor zwei Jahren auch dafür gesorgt, dass das Klimagesetz verschärft werden musste. Die Bundesregierung sei also geradezu verpflichtet, für die gestrichenen Klimafonds-Gelder eine gute Lösung zu finden, argumentierte Lemke. Deutschland werde wegen dem neuerlichen Spruch aus Karlsruhe nicht von seinen internationalen Verpflichtungen zurücktreten, sichert sie zu. Auf die Frage, ob nicht auch der Abbau umweltschädlicher Subventionen zur Lösung der Finanzprobleme beitragen könnte, antworte Lemke wie gewohnt ausweichend: Die Ampel-Koalition habe sich darauf verständigt, an dieser Frage zu arbeiten, sagt die Umweltministerin und gibt damit in etwa den Stand bei der Niederschrift des Koalitionsvertrages vor zwei Jahren wieder.
Das Chaos um Bundeshaushalt, Klimafinanzierung und die grüne Transformation der Wirtschaft schwächt Deutschlands Stand auf dem Weltklimagipfel, ist sich Brick Medak vom Naturschutzbund Nabu sicher. »Dass ein derart wichtiger Akteur in der Klimadiplomatie ins Straucheln gerät, wird in Europa und weltweit sehr genau wahrgenommen«, betont der Klimapolitikexperte. Deutschland habe bisher mit seinen finanziellen Zusagen eine wichtige Rolle dabei gespielt, die Industriestaaten und den globalen Süden bei der Finanzierung von Klimaschutz zusammenzubringen, so Medak weiter. Auch in Richtung ihrer internationalen Partner müsse die Bundesregierung deshalb jetzt für Klarheit im Bundeshaushalt sorgen.
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