Scholz bei der COP28: Wenig Ambition in Dubai

Deutschland fällt Klimazielen der eigenen Koalition in den Rücken

  • David Zauner
  • Lesedauer: 4 Min.

Groß war die Freude über den Erfolg am Eröffnungstag der Weltklimakonferenz in Dubai, als sich die Staaten auf Regeln für den Fonds für Schäden und Verluste einigten und erste Länder auch Finanzzusagen dafür machten. So früh hatte damit bei einem so umstrittenen Thema niemand gerechnet.

Doch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die wirklich schwierigen Verhandlungen noch bevorstehen. Sascha Müller-Kraenner, Chef der Deutschen Umwelthilfe, stellte auf X, früher Twitter, klar: »Gemessen wird der Konferenzerfolg daran, ob es eine klare Vereinbarung zum Ausstieg aus allen fossilen Energien geben wird.«

Eine Ländergruppe auf der COP28 sieht das genauso: die »High Ambition Coalition«. Sie setzt sich für fortschrittliche Vorschläge zu ehrgeizigen Klimaschutzzielen wie der Einhaltung der 1,5-Grad-Obergrenze bei der Erderwärmung ein. 2014 von der Regierung der Marshallinseln gegründet, werden heute bis zu 100 Staaten der informellen Gruppe zugerechnet. Dazu gehören Länder von Chile und Kolumbien über Deutschland und Frankreich bis hin zu Gabun und Neuseeland. Ihr Vertreter Surangel Whipps erinnerte am Freitag bei seiner Rede in Dubai an die wichtigsten Forderungen der Koalition: bis 2030 weltweiter Zugang zu grüner Energie, Verdreifachung der Kapazität erneuerbarer Energien, Verdopplung der Energieeffizienzsteigerung und als Kernpunkt: Ausstieg aus der Produktion und Nutzung aller fossilen Energien.

Whipps, der umringt von Regierungsvertreter*innen anderer Koalitions-Länder auf der Tribüne stand, ist Präsident von Palau. Der kleine Inselstaat im Westpazifik gehört zu den Ländern, die ganz unmittelbar durch den Klimawandel bedroht sind. »Wir können uns nicht erlauben, das 1,5-Grad-Ziel zu verfehlen«, sagte Whipps.

All die Forderungen der »High Ambition Coalition« sind wissenschaftlich vollkommen vernünftig. Wie der diesjährige »Production Gap Report« des UN-Umweltprogramms Unep zeigte, wollen die wichtigsten Förderländer fossiler Energieträger noch doppelt so viel Kohle, Öl und Gas fördern, wie mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar wäre. Selbst das Zwei-Grad-Ziel würde – halten die Länder an ihren Plänen fest – deutlich verfehlt werden.

Doch ob die Ländergruppe genug diplomatisches Gewicht hat, um in den Verhandlungen auf dem diesjährigen Klimagipfel ihre Forderungen durchzusetzen, muss bezweifelt werden. Schuld ist daran nicht zuletzt ihr Mitglied Deutschland. Jennifer Morgan, Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik im Auswärtigen Amt, stand zwar hinter Whipps, als dieser die Forderungen des Länderbündnisses verlas. Die jüngsten Statements, in denen diese wichtigen Punkte stehen, hat Deutschland jedoch nicht unterschrieben.

Das führte zu einem etwas peinlichen Auftritt von Morgan. Am Ende seiner Rede zählte Whipps alle Länder auf, die die Forderungen unterstützen, darunter einige Insel- und Entwicklungsstaaten, aber auch Frankreich, Dänemark, Schweden und weitere Industrieländer, doch Deutschland blieb folgerichtig unerwähnt. Grund für den faktischen Rückzug der Bundesregierung ist die Uneinigkeit in der Ampel-Koalition über die Frage, wie der Ausstieg aus den fossilen Energien gelingen soll. Im Kern geht es um die Frage, ob Technologien zur CO2-Speicherung und -nutzung dabei eine große Rolle spielen dürfen oder nicht. Diese würden eine Hintertür öffnen, um Kohle, Öl und Gas weiter verbrennen zu können, denn die klimaschädlichen Gase werden ja abgefangen und endgelagert oder sinnvoll genutzt, so zumindest die vage Hoffnung der Befürworter.

Die »High Ambition Coalition« fordert hingegen einen Ausstieg ohne großflächigen Einsatz solcher Technologien, die diese bisher erst in der Erprobungsphase sind und große Risiken aufweisen. Auch diese Skepsis ist aus klimawissenschaftlicher Perspektive vernünftig. Der Weltklimarat IPCC geht davon aus, dass Speichertechnologien nur eine geringe Rolle in der Energiewende spielen werden. Es führe nichts daran vorbei, dass fossile Energien rapide heruntergefahren werden müssen, um die Klimaziele einzuhalten.

Die Verantwortung dafür, dass Deutschland die letzten Statements des Länderbündnisses nicht mitträgt, liege im Kanzleramt, sagt David Ryfisch, Experte für Klimapolitik bei der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. »Kanzler Scholz versteht offensichtlich die Bedeutung dieser Koalition nicht.« Es brauche eine starke HAC als Gegengewicht zu den öl- und gasproduzierenden Ländern auf der COP28. Tatsächlich ist die »High Ambition Coalition« für einige der wichtigsten klimapolitischen Errungenschaften der letzten Jahre verantwortlich: dafür, dass das 1,5-Grad-Ziel im Pariser Klimaabkommen aufgeführt ist und dass in diesem Jahr eine weltweite Bestandsaufnahme durchgeführt werden muss, um die nationalen Klimaziele nachzuschärfen.

Die Haltung Deutschlands findet Jan Kowalzig von der Hilfsorganisation Oxfam, beschämend: »Nach außen stellt sich die Bundesregierung als engagierter Klimaschützer dar, gleichzeitig werden die eigenen Klimaziele verfehlt, das Klimaschutzgesetz ausgehöhlt und neue fossile Infrastruktur geschaffen.«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.